Buch wird gelesen (Foto: Colourbox)

Lesestoff im SWR1-Team

Diese Bücher müssen Sie gelesen haben

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AUTOR/IN
Sabine Lutzmann
Marcus Netscher
SWR1 Redakteur Marcus Netscher (Foto: SWR, privat - M.Netscher)

Die Karwoche und Ostern - da bleibt Zeit, um wieder einmal ein gutes Buch in die Hand zu nehmen. Wir haben unser SWR1-Team gefragt, welches Buch sie im letzten Jahr besonders beeindruckt hat.

Val McDermid - "Echo einer Winternacht"

SWR1-Redakteurin Sabine Lutzmann: Das Buch spielt im winterlichen Schottland im kleinen Städtchen St Andrews und hat viel britische Atmosphäre. Beeindruckend ist das Buch auch, weil man in eine Welt eintaucht, in der Handys noch keine Rolle spielen. Obwohl es Anfang der 2000er-Jahre spielt, merkt man doch, wie sehr sich unsere Welt digitalisiert hat. Spannend ist das Buch auch wegen der glaubhaften Figuren, mit denen man über die 500 Seiten auch langsam älter wird .... und immer schwebt die Frage im Hintergrund: War er es nicht doch? Gefährlich ist es mit dem Buch anzufangen, wenn man eigentlich gerade was anderes machen muss. Egal ob Steuererklärung oder Frühjahrsputz – es lässt sich ja alles verschieben. Mich hat "Echo einer Winternacht" von Val McDermid jedenfalls komplett reingezogen!

Robert Galbraith – "Böses Blut: Cormoran Strike 5"

SWR1-Redakteur Marcus Netscher: Das neuste Werk aus der Feder von Robert Galbraith alias Joanne K. Rowling ist, wie die Vorgängerromane der Cormoran-Strike-Serie auch, mit einem Fluch behaftet. Egal, welchen Zauberspruch der Leser anwendet, beruhigt aus der Hand legt man es erst, wenn der Fall gelöst und die letzte Seite gelesen ist. Dabei ist „Böses Blut“, in dem Kriegs-Veteran und Privat-Detektiv Cormoran Strike und seine Partnerin Robin Ellacot in einem klassischen „Cold-Case“, dem Mord an einer Ärztin im London der 1980er Jahre, ermitteln mehr eine Charakterstudie denn ein echter Krimi. Zu gut versteht es die Autorin, den Leser auch im fünften Roman der Reihe schier real am Gefühlsleben der Hauptakteure teilhaben zu lassen. So durchlebt Anti-Held Strike den Tod seiner Tante, erfährt dass sein Rockstar-Vater schwer erkrankt ist und wird sich mit zunehmender Seitenzahl im Bezug auf die Gefühle gegenüber Robin immer unsicherer. Geschäftspartnerin Robin durchlebt selbst Ihre Scheidung und ringt ebenfalls mit ihren Gefühlen gegenüber Cormoran Strike.

Michel Houellebecq - "Karte und Gebiet"

SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele: Das ist ein dicker, etwas perverser, stellenweise auch ekliger Roman mit vielen Überraschungen. Je weniger man verrät, desto besser und brutaler wirket er. Der Autor nimmt seine Leser mit in den Kopf eines französischen Künstlers, der fanatisch arbeitet und immer unglücklich ist. Trotzdem macht es voyeuristischen Spaß, die Karriere dieses Eigenbrötlers zu verfolgen, weil Houellebecq einfach so gemein über seine Figuren, sich selbst und den eitlen Kulturbetrieb herzieht. Eine traurig-romantische Parodie mit Sex & Crime für alle, die die Coen-Brüder, Tarantino oder die Blendung von Canetti mögen.

Karsten Dusse - "Achtsam morden"

SWR1-Moderatorin Katja Heijnen: Ich habe den Mann aus dem Zug nie wiedergesehen, bin ihm aber bis heute dankbar: Dafür, dass er so laut gelacht hat, als er das Buch im Zug las, dass ich neugierig auf den Titel gespäht und mir  „Achtsam morden“ von Karsten Dusse direkt nach der Zugfahrt selbst gekauft habe. Die Geschichte ist zum Brüllen komisch: Björn Diemel ist erfolgreicher Anwalt mit weniger erfolgreicher Ehe und unausgeglichener Work-Live-Balance. Schuld dran sind vor allem seine ziemlich ätzenden Mandanten aus der Unterwelt wie der Drogenboss und Zuhälter Dragan. Um seine Ehe zu retten, besucht Björn Diemel ein Achtsamkeitsseminar, das sein Leben völlig verändert. Das seiner Mandanten auch, denn der Anwalt findet zu sich selbst, indem er diese einfach umbringt – nach allen Regeln der Achtsamkeit und Entschleunigung natürlich.

Die Geschichte ist so herrlich schräg, dass es sich schon deshalb lohnt, den Roman zu lesen. Der Wortwitz von Karsten Dusse tut sein Übriges: Nicht umsonst wurde Dusse, von Hause aus selbst Rechtsanwalt, für seine Arbeit als leitender Autor für diverse Fernsehformate mit dem Deutschen Comedypreis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet. Und das Beste: Mit „Das Kind in mir will achtsam morden“ gibt’s eine nicht minder komische Fortsetzung. Ende April erscheint dann noch Teil 3: „Achtsam morden am Ende der Welt“ – ich kann es jetzt schon kaum erwarten!

Dirk Gratzel - "Projekt Green Zero: Können wir klimaneutral leben? Mein konsequenter Weg zu einer ausgeglichenen Ökobilanz"

SWR1-Moderatorin Katja Heijnen: Zugegeben – der Titel klingt eher abschreckend! Jedenfalls nicht nach ausgesprochenem Lesevergnügen. Aber der Inhalt ist so viel besser als die Verpackung! Dirk Gratzel war viele Jahre seines Lebens erfolgreicher Unternehmer, der mit dem Flieger zu seinen Terminen eilte und dicke Autos fuhr. Irgendwann packt ihn dann das schlechte Gewissen. Er nimmt sich vor, ab sofort alle seine angehäuften Klimaschulden abzubauen, um am Ende seines Lebens eine ausgeglichene Ökobilanz zu haben. Von Umweltwissenschaftlern der TU Berlin lässt er sich seinen exakten ökologischen Fußabdruck berechnen und ist geschockt. Was dann folgt ist eine radikale Umstellung des eigenen Lebens: keine neuen Klamotten mehr, nur noch 45 Sekunden Duschen, nie wieder Fliegen. Und natürlich ist trotzdem alles längst nicht so einfach, wie er sich das vorgestellt hat...

Trotz des ernsten Themas ist das Buch wirklich unterhaltsam und flott geschrieben. Wenn Dirk Gratzel versucht, die Herkunft und das Alter seiner Unterhosen zu ermitteln, um seine exakte Ökobilanz zu ermitteln, oder der Koch in seinem italienischen Lieblingsrestaurant auf die Frage, wo denn der Fisch her sei, antwortet: „Aus dem Meer“, dann leidet man mit ihm – und muss doch schmunzeln. Und da es zwischendurch grau hinterlegt noch interessante Infos zu Umweltthemen gibt, lernt man einiges dazu. Ich jedenfalls weiß jetzt, ob ich im Supermarkt eher zu der in Plastik verpackte Biogurke oder zur unverpackten normal angebauten greife, genieße meinen Kaffee jetzt bewusster und stelle beim Duschen das Wasser ab, wenn ich mich einseife – ist doch schon mal ein Anfang...    

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