Ernsthaft: Brauchen wir tatsächlich wieder Krawalle und Randale, damit wir Jugendgewalt wahrnehmen, die in manchen Stadtvierteln das ganze Jahr über grassiert? Sorgt da nur nicht so für Schlagzeilen. Ich will, dass sich endlich etwas ändert, statt dieselben Debatten immer wieder zu führen. Beispiel: Ursachen. Die sind vielfältig. Ja, Migrationshintergrund spielt eine Rolle. Das darf man aus Angst vor Pauschalisierung auch nicht verschweigen. Aber eben nicht allein und nicht bei allen Tätern. Zu den Ursachen zählt auch Bandenbildung von sozial abgehängten jungen Leuten, Machogehabe, Gruppendynamik, dass Schreckschusswaffen viel zu leicht zu kaufen sind. Nur: Das ist alles nicht neu. Und auch, was gegen Jugendgewalt helfen kann, ist doch eigentlich seit Jahren ziemlich klar. Einerseits: Prävention stärken, mehr Streetworker auf die Straße , Brennpunktschulen viel besser ausstatten, Eltern und Communities aktivieren, damit sie den jungen Männern klar sagen: So nicht! Und andererseits bei Straftaten: Ein hartes Durchgreifen der Polizei, schnelle Gerichtsverfahren, konsequente Urteile. Damit sich der Staat Respekt verschafft. Offenbar ist da immer noch nicht genug passiert. Warum nicht? Ich verstehe das nicht. Ich fand in den letzten Tagen vor allem die Blickwinkel derjenigen am spannendsten, die nah dran sind an der Praxis, vor Ort. Zum Beispiel die Integrationsbeauftragte in Berlin Neukölln, Güner Balci. Die spricht von den Tätern ganz offen als Dumpfbacken und absoluten Losern, die sich als Möchtegerngangster inszenieren, und trotzdem argumentiert sie differenziert. Sie sagt zum Beispiel: Wenn wir es schaffen, dass sich Frauen in Großstädten sicher fühlen, dann verändert das die Stimmung im öffentlichen Raum und das Zusammenleben wird dadurch friedlicher. Es gibt viele Ansätze, die zusammenwirken müssen. Das Entscheidende ist: Jetzt wieder eine kurzfristige Empörungswelle – das reicht nicht. Wir müssen endlich mehr tun als bisher. Sonst wird eine relativ kleine gewaltbereite Gruppe zu einem noch größeren Problem.