Eine Pflegekraft wird im Rahmen der Mitarbeiter-Impfung im Krankenhaus Bethel Berlin gegen das Corona-Virus geimpft. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Kay Nietfeld)

SWR1 Hörer*innen diskutieren

Impfpflicht gegen das Corona-Virus?

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Dorothee Zeißig
Uwe Gradwohl

Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hat eine Debatte über eine Impfpflicht für Pflegekräfte angestoßen. Was spricht dafür, was dagegen? Die SWR1 Hörer*innen diskutieren das Für und Wider.

Ein oft genanntes Argument der SWR1 Hörer*innen für eine Impfpflicht: Ungeimpfte Pflegekräfte gefährden die Einwohner*innen und die anderen Mitarbeiter*innen im Alten- oder Pflegeheim.

SWR1 Hörer Heinrich Hellweg aus Hockenheim ist Anästhesist und Notfallmediziner. Seiner Meinung nach nehmen Kolleg*innen im Pflege- oder Rettungsdienst bewusst in Kauf, ihre Kolleg*innen zu schädigen, wenn sie sich gegen eine Impfung entscheiden.

Einen Mitarbeiter, mit dem ich als Nofallmediziner sehr eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten muss, der mich (als Mensch über 60) wegen persönlichen Egoismen gefährdet, möchte ich nicht in meinem Team haben!

Anders sieht es SWR1 Hörer Ralf Gück. Aktuell sei noch unklar, ob ein Geimpfter weiterhin andere Menschen mit dem Coronavirus anstecken könne oder nicht. Das müsse vor einer Impfpflicht aber geklärt sein, findet er.

»Zahlen hierzu fehlen noch völlig. Daher kann eine Gefährdung von Anderen als Argument für eine Impfpflicht aktuell überhaupt nicht in Frage kommen.«

Hier finden Sie alle Pro und Contra Argumente der SWR1 Hörer*innen.

Sind gegen Corona Geimpfte noch ansteckend?

Studien zu den Impfstoffen von Biontech und Moderna zeigen klar, dass sie eine Erkrankung mit Covid-19 verhindern können. Das schließt aber nicht aus, dass ein Geimpfter das Virus trotz der Impfung in seinen Körper aufnimmt und damit für andere durchaus ansteckend sein kann. Man sagt dann, der Geimpfte sei lediglich "klinisch immun". Eine "sterile Immunität" würde bedeuten, dass das Immunsystem alle Krankheitserreger im Körper vollständig eliminiert. Die geimpfte Person trägt das Virus dann nicht in sich und kann es auch nicht weitergeben. Aber diese sterile Immunität ist bisher weder für den Impfstoff von Biontech noch für den von Moderna nachgewiesen. Deshalb sollte man auch nach der Impfung immer noch einen Mundschutz tragen.

Derzeit wird aber untersucht, wie groß das Risiko ist, dass auch Geimpfte das Virus noch aufnehmen und weitergeben können. Sollte das häufig vorkommen, wird es schwer, durch die Impfung eine Herdenimmunität zu erreichen.

Eine Impfdosis und Ampulle mit Spritze der Firma Biontech Pfizer auf einem internationelen Impfausweis (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliance / Flashpic | Jens Krick)

Winfried Kretschmann gegen Impfpflicht für Pflegekräfte

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat sich gegen eine Impfpflicht für Pflegekräfte ausgesprochen. Am 12. Januar 2021 sagte er bei der Landespressekonferenz: "Es gibt keine Impfpflicht für dieses Virus." Das habe man von Beginn an gesagt und man werde es "jetzt nicht mittendrin ändern". Das gelte auch für Pflegekräfte. Kretschmann setzt weiterhin auf Freiwilligkeit. Es müsse noch einmal stark dafür geworben werden, dass sich das Pflegepersonal impfen lasse.

Deshalb sind SWR1 Hörer gegen eine Impfpflicht

Ansteckend trotz Corona-Impfung?

Aktuell ist noch unklar, ob ein Geimpfter weiterhin andere Menschen mit dem Coronavirus anstecken kann oder nicht. Das müsste vor einer Impfpflicht aber geklärt sein, findet SWR1 Hörer Ralf Gück.

»Zahlen hierzu fehlen noch völlig. Daher kann eine Gefährdung von Anderen als Argument für eine Impfpflicht aktuell überhaupt nicht in Frage kommen.«

Corona-Impfstoffmangel in Deutschland

Ein weiteres Argument gegen eine Impfpflicht ist die Tatsache, dass der Impfstoff knapp ist, sagt SWR1 Hörer Martin Weissenberger aus Lörrach. Er arbeitet selbst auf einer Intensivstation mit Coronapatienten:

»Viele, so wie ich auch, würden sich ja impfen lassen, haben aber keine Möglichkeit dazu.«

Ähnlich sieht es auch SWR1 Hörerin Elke Berndt aus Leinfelden-Echterdingen:

»Eine Impfpflicht für Pflegekräfte halte ich für schwierig, zu einem Zeitpunkt, an dem ein Mangel an Impfstoff herrscht. Ich finde es wichtiger, gute Aufklärungsarbeit zu machen.«

Impfpflicht könnte Mangel an Pflegepersonal verschlimmern

Aufklärung statt Zwang hält auch SWR1 Hörerin Heidi Michel für den besseren Weg:

»Man kann doch mit dem Pflegepersonal zuerst mal in Ruhe sprechen, um es zu überzeugen. Auf ruhige Art und nicht immer mit dem Vorschlaghammer über die Presse oder andere Medien von außen draufhauen.«

Zwei Fläschchen mit Corona-Impfstoff stehen auf einem Tisch nebeneinander, daneben liegt eine Spritze. (Foto: Colourbox, 48803990)

Eine Impfpflicht würde aus Sicht von SWR1 Hörerin Heike Vitzthum zeigen, wie Politiker die Pflegekräfte missachten. Sie ist selbst seit 39 Jahren Krankenschwester und arbeitet unter anderem auch mit Covid-19-Patienten.

»Außer Mundschutz gibt es keinen Schutz für uns. Positive Kollegen arbeiten weiter. Selbst die, die sich impfen lassen wollen, bekommen keinen Impftermin. Wir haben den Eindruck, dass wir Kanonenfutter sind, aber keine Menschen, die es sich lohnt zu schützen.«

Eine Impfpflicht könnte den Mangel an Pflegekräften noch verschlimmern, befürchtet SWR1 Hörerin Yvonne Pfänder aus Schwäbisch Hall:

»Ich bin selber Krankenschwester auf einer Intensivstation und werde mich nicht impfen lassen und ich kenne noch ein paar, die das auch nicht machen werden. Eine Impfplicht wäre der sogenannte 'Tropfen auf den heißen Stein', die berufliche Laufbahn doch noch zu ändern.«

Spätfolgen durch Corona-Impfung?

SWR1 Hörer Stefan aus Schiltach sagt, vor allem junge Kolleg*innen hätten Angst vor etwaigen Spätfolgen, die durch eine Imfpung gegen das Coronavirus ausgelöst werden könnten.

»Ich bin Altenpfleger, arbeite im Pflegeheim und habe mich nach langem Hin und Her impfen lassen. 70 Prozent der Pflegekräfte haben sich bei uns impfen lassen. Sollte die Impfpflicht kommen, habe ich die Sorge, dass viele Kollegen ihren Job an den Nagel hängen. Was machen wir dann?«

Auch andere Berufe haben Corona-Risiko

SWR1 Hörerin Judith Hertell stößt sich außerdem daran, dass es in der Diskussion um eine Impfpflicht nur um Pflegekräfte geht. Auch Ärzt*innen, das Reinigungspersonal oder Röntgenassistent*innen könnten das Virus im Krankenhaus oder in den Pflegeheimen weitertragen. Aber:

»Die Pflege hat leider die schlechteste Lobby, deswegen ist sie der Sündenbock und soll herhalten. Würde Söder eine Impfpflicht für Ärzte vorschlagen, wäre der Gegenwind sicherlich stärker.«

Deshalb sind SWR1 Hörer für eine Impfpflicht

Ungeimpfte Pflegekräfte gefährden Andere

SWR1 Hörer Heinrich Hellweg aus Hockenheim ist Anästhesist und Notfallmediziner. Seiner Meinung nach nehmen Kolleg*innen im Pflege- oder Rettungsdienst bewusst in Kauf, ihre Kolleg*innen zu schädigen, wenn sie sich gegen eine Impfung entscheiden.

Einen Mitarbeiter, mit dem ich als Nofallmediziner sehr eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten muss, der mich (als Mensch über 60) wegen persönlichen Egoismen gefährdet, möchte ich nicht in meinem Team haben!

SWR1 Hörer Klaus Dungs sieht außerdem die Gefahr, dass ungeimpfte Pflegekräfte die Bewohner*innen von Pflegeheimen oder Krankenhäusern mit dem Coronavirus anstecken könnten.

»Es ist doch selbstverständlich, dass man sich impfen lässt. Und wer sich nicht impfen lassen will, ist nicht mehr befugt, im Krankenhaus oder Pflegeheim zu arbeiten.«

Impfen bei Urlaubsreisen völlig normal

SWR1 Hörer Frank Bruhne aus Karlsbad ist für eine generelle Pflicht zur Imfpung, wie es beispielsweise bei der Impfung gegen Windpocken, bei der Schluckimpfung oder den Reihenröntgenuntersuchungen der Fall war.

»Da musste sich niemand überlegen, ob es ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte ist. Nur so konnte man die Krankheiten eindämmen. Und sicherlich war die Erforschung der etwaigen Nebenwirkungen bei weitem nicht so voran geschritten wie in der heutigen Zeit.«

Auch bei vielen Flugreisen ins Ausland sind bestimmte Impfungen vorgeschrieben - dagegen werde nicht protestiert.

Spritze wird in Oberarm injiziert (Foto: SWR)
Eine Spritze wird in den Oberarm injiziert. (Archivbild)

Auch SWR1 Hörer Jörg Spitler findet, es sei nötig, das Pflege- und Krankenhauspersonal zu einer Impfung zu verpflichten, um den Krankenhaus- und Pflegebetrieb aufrecht zu erhalten. Eine solche Impfpflicht gebe es bereits für andere Berufsgruppen.

»Als Mitarbeiter bei den Abwasser und Kanalbetrieben der Städte muss man sich auch diverse Impfungen verpassen lassen um sich nicht bei der Ausübung des Berufs zu infizieren oder zu erkranken.«

Funktionsweise der Corona-Impfstoffe bekannt

Thomas Botthof aus Elmshorn kann die Rufe nach mehr Aufklärung nicht nachvollziehen. Seiner Ansicht nach sollten sich gerade medizinisch vorgebildete Menschen mit den zahlreichen und fundierten Beiträgen zum Thema Impfen im Internet informieren können.

»Ich bin nur Laie und scheine im gesamten vergangenen Jahr mehr gelesen zu haben, als zumindest ein Teil derer, die tägliche mit Covid umgehen müssen. Dafür fehlt mir das Verständnis!«

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Dorothee Zeißig
Uwe Gradwohl