Blaubeurer Bergführer zu Gletscherabbruch in den Dolomiten

"Das ist Klimawandel live, den wir hier beobachten"

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Patrick Neelmeier
Guten Morgen Baden-Württemberg Moderator Patrick Neelmeier aus dem SWR1 Team  (Foto: SWR)

Gletscherabbruch am höchsten Berg der Dolomiten, der Marmolata. Ein riesige Lawine aus Eis und Geröll raste mit 300 km/h ins Tal und hat dabei eine beliebte Bergwanderer-Route gekreuzt.

Mehrere Menschen sind bei diesem Unglück gestorben, zahlreiche werden noch vermisst. Wir haben mit Hans Honold aus Blaubeuren gesprochen. Er ist einer der erfahrensten Bergführer in Baden-Württemberg und kennt sich aus mit Gletschern in Grönland, der Arktis, den Alpen - und auch in Südtirol, in den Dolomiten. Seine erste Reaktion:

»Ist es eine Gruppe von uns - nein - dann atmest Du erst einmal tief durch. Wir haben auch eine Gruppe, die auf die Marmolata hoch geht, und man berücksichtigt das dann bei seiner Tourenplanung.«

Gletscherabbruch hat den Bergführer nicht wirklich überrascht

Als Bergführer erlebe man, sagt Honold im SWR1 Interview, einen Gletscherabbruch in dieser Dimension sicherlich nicht jeden Tag - dennoch sei er nicht wirklich überrascht darüber. Man sehe aber oft kleinere Eis- und Gletscherabbrüche und weiß dann, "da muss ich jetzt außen 'rum gehen".

»Auch ein Bergführer ist kein Gott, auch einem Bergführer kann so etwas passieren. Wenn ich auf einer Route 100 Mal unterwegs bin und es ist nichts passiert, heißt das nicht, dass es beim 101sten Mal genauso ist. Das ist ein Gelände, das objektive Gefahren birgt und damit muss ich mich beschäftigen.«

Dass der Gletscherabbruch in der Marmolata dann aber solch dramatische Konsequenzen gehabt hat, war für Honold die Kombination vieler Umstände: eine beliebte Route, ein Sonntag-Nachmittag, allerbestes Wetter - und deshalb auch sehr viele Bergwanderer, die in diesem Gebiet unterwegs waren.

Frost ist der Kitt der Alpen, Gletscher stabilisieren sie. In dieser Folge des Podcasts "Weltwunderkugel" erklärt Klimaforscher Markus Rex, was Gletscher aus der Balance bringt. Außerdem mit dabei: Bergführer Hans Honold und das Lawinenforschungsinstitut Davos:

Welche Rolle spielt der Klimawandel bei diesem Unglück?

»Das ist Klimawandel live, den wir hier beobachten - wir haben einen unglaublich schlechten Winter gehabt, der für zu wenig Schnee auf dem Gletscher gesorgt hat. Dieser Schnee schützt bis Ende Juli den Gletscher eigentlich vor der Sonneneinstrahlung und bietet eine Tragfläche, dass die Leute dort laufen können.«

Zudem seien die Temperaturen auch in der Höhe sehr hoch und der Permafrost (vereinfacht: der Dauerfrost im Boden) gehe stärker zurück als in den vergangenen Jahren. Die Folge: deutlich mehr Wasser im Gletscher, das dessen Fortbewegungs-Geschwindigkeit erhöhe und damit auch einen solch großen Abriss ermögliche.

Schwierige Rettungsarbeiten auf dem Gletscher

Gefährlich werden die Rettungsarbeiten, so Bergführer Hans Honold, weil der Gletscher jetzt nicht nur weiter Richtung Tal schiebt, sondern auch, weil durch die Erwärmung Wasser in die Risse dringt. Das macht den Gletscher noch instabiler.

»Man muss sich das vorstellen wie einen Eiswürfel, den ich bei 30° auf den Küchentisch stelle - irgendwann fängt der an, zu schwimmen. Und genau das gleiche passiert bei dem Gletscher auch.«