Baden-Württemberg hat bundesweit den größten Migrantenanteil mit gut einem Viertel: rund 2,8 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben hier und wir stellen zwei von ihnen vor...
So erlebt Canan Balaban, Sozialpädagogin und seit 2019 Stadträtin in Kornwestheim, Vielfalt bei uns. Sie ist in Deutschland geboren, ihre Eltern sind Türken. Seit sie zehn ist, trägt Canan Kopftuch und ist damit eine sichtbare Muslima.
Ein Gefühl der Gemeinschaft
"Die Corona-Krise zeigt uns: wir sitzen alle im selben Boot. Wir kämpfen hier um die Gesundheit, wir sehen die zentralen Probleme und diskutieren nicht über das Kopftuch der Pflegekraft, sie ist einfach eine deutsche Pflegekraft. Andererseits sieht man aber auch, dass sehr viele Menschen mit unterschiedlichen Herkünften gerade in den systemrelevanten Berufen arbeiten, über die wir aber gemotzt haben, die anscheinend nicht zu Deutschland gehören. Jetzt ist das alles im Hintergrund. Ich hoffe, dass das ein Wendepunkt sein wird, dass wir über diese Menschen nicht weiter sprechen, als wären sie irgendwelche Gegenstände."
Problemfeld Schule
"Wir sehen jetzt, welche Schüler*innen am meisten betroffen sind. Das sind die, die sowieso schon nicht gleichgestellt waren, was die Bildungschancen betrifft. Bildungsexpansion bringt nicht mehr Bildungsgleichheit, sondern Bildungsungleichheit. Wir sprechen über Digitalisierung, über individuelles Lernen…
Die, die an der untersten Kette waren, werden noch mehr abgehängt und unter denen sind einfach sehr viele mit Migrationshintergrund. Jetzt ist es wirklich an der Zeit, zu schauen, wie wir es schaffen können, diese Menschen auch mit zu nehmen."
Ungleichheit
Der 24-jährige Nosa kennt das "anders" sein fast schon immer:
"Ab meinem neunten Lebensjahr war es mir bewusst, dass ich einer Minderheit angehöre, einen Migrationshintergrund habe. Die Kinder haben mich das spüren lassen - mit Ausdrücken. Und leider auch Polizisten: zum Beispiel wurde ich als kleiner Junge kontrolliert, als ich nach der Schule mit einem ebenso dunkelhäutigen Freund unterwegs war, ob man nicht irgendwo eingebrochen sei, weil sie gerade Verdächtige suchen, die uns ähneln von der Hautfarbe."
Nosa Andy Fritz Moses ist 24, in Köln geboren und in Stuttgart aufgewachsen. Sein Vater stammt aus Nigeria, seine Mutter aus Österreich. Er studierte Architektur und ist seit 2020 selbständiger Innenarchitekt, außerdem hat er ein eigenes Modelabel.