»Zwei Männer asphaltieren eine Straße – und wir lesen darüber auf knapp 200 Seiten. Klingt das sexy? Nein. Sollten wir das lesen? Aber ja.«
Der Roman „Die Parade“ spielt in einem Entwicklungsland, wo genau – das wissen wir nicht. Gerade ist ein Bürgerkrieg zu Ende gegangen und zwei Arbeiter werden eingeflogen, um innerhalb von zwei Wochen eine 230 km lange Straße zu ebnen, die den Süden des Landes mit der Hauptstadt im Norden verbinden soll. Zur Einweihung will sich der neue Staatschef mit einer großen Parade feiern lassen.
Spannende Lektüre über zwei Menschen
Die zwei Bauarbeiter haben keinen Namen, denn sonst ließen sich für potenzielle Kidnapper, die Lösegeld fordern, Rückschlüsse ziehen auf die Firma und das Land, aus dem sie kommen. Stattdessen tragen die beiden Männer Zahlen: Vier heißt der eine, Neun der andere. Vier sitzt den ganzen Tag auf einer gigantischen Asphaltier-Maschine, während Neun als Geleitschutz mit seinem Motorrad vorausfährt, denn: Die Lage ist nicht ungefährlich, die Firma hat gewarnt: Nicht mit den Einheimischen sprechen, niemanden anlächeln, keine Geschenke annehmen, nie anhalten. Damit man in nix reinkommt.
Same same, but different
Vier befolgt das alles stoisch. Er sitzt in der Enge seiner Maschine, führt den Firmen-Auftrag pflichtbewusst und ohne Nachfragen aus. Schnurgerade wie die Straße selbst. Neun dagegen mit seinen langen Haaren und T-Shirt ist ganz anders: Er vernachlässigt die Arbeit, feiert mit den Einheimischen, interessiert sich für ihre Geschichten, schläft mit einer jungen Frau aus einem Dorf, und quatscht Vier am Abend die Ohren voll über seine Erlebnisse. Vier reißt die Hutschnur, er will den naiven und genuss-süchtigen Neun bei seinem Chef verpfeifen und ihn rauswerfen lassen. Doch dann kommt alles anders: Neun wird lebensbedrohlich krank. Er braucht mitten in der Einöde des Entwicklungslandes dringend medizinische Hilfe – und Vier muss all seine Pläne und Anweisungen über Bord werfen.
Ob das geht – ob Neun überlebt – und ob die Straße fertig gebaut wird, damit auf ihr die große Parade stattfinden kann – das möchte ich nicht verraten. Nur so viel: Der Roman von Dave Eggers zeigt beispielhaft zwei völlig unterschiedliche Charaktere auf engstem Raum, wo sich Berufliches und Privates auf komplizierte Weise vermischt.
»Der Roman ist ein Lehrstück über die Frage, ob wir richtig handeln, wenn wir gut handeln wollen. Über die Frage, wie weit wir andere einfach sein lassen sollten wie sie sind – und es geht auch um unsere Skepsis Unbekanntem und Fremdländischem gegenüber.«
Der Buchtipp zum Reinhören von SWR1 Moderator Rainer Hartmann: