Umso erstaunlicher ist, dass er einer der stimmgewaltigsten Sänger unserer Zeit wird. Denn er entdeckt seine Liebe zur Musik und tritt zunächst neben seinen Jobs abends als Tiger Tom in den verrauchten Arbeiterkneipen in Wales auf. Für ein Trinkgeld und ein paar Drinks.
Tom Jones wird 80 – seit 74 Jahren singt er
Geübt und seine Stimme trainiert hat er im Schul-, im Kinder- und im Kirchenchor, aber die Kirche ist kein Umfeld für den Tiger. Zu wild, zu viel Rhythm, zuviel Blues.Er beendet die Schule mit 16 und heiratet, übernimmt er Verantwortung für seine Frau und bald auch für den Sohnemann.
Er nimmt jeden Job an, den er kriegen kann. Schneidet Handschuhe zu, hilft auf Baustellen und reist als Staubsaugervertreter durchs Land.
Abends singt er dann eben in den Kneipen. Eines Abends hört ihn der Musikmanager und Songschreiber Gordon Mills und weiß sofort: diese Stimme gehört einem Weltstar. Die Tochter von Gordon Mills heißt Claire. Sie ist DIE Claire, über die Gilbert O'Sullivan einen Song geschrieben hat. Das ist das Umfeld in dem Tiger Tom sich jetzt bewegt. Er geht zu einer Gesangslehrerin. Sie attestiert ihm, dass er eine Stimme für Operngesang hat und sie ihn ausbilden will. Er aber möchte Pop und Rock singen. Sein Stimmlehrerin kann das nicht verstehen, sie findet, das ist Musik für Leute, die nicht singen können.
Tom Jones könnte Oper, will er aber nicht
Gordon Mills erfindet für Thomas John Woodward den Künstlernamen "Tom Jones". Jedoch will ihn keiner unter Vertrag nehmen. Die Plattenbosse finden ihn zu rau, zu kräftig und zu sexy. Als er endlich einen Vertrag hat, floppt die erste Single. Mills schreibt einen Song für Sandy Shaw. Und weil Tom Jones gerade da ist, singt er die Demo-Version. Sie spielen ihn Sandy Shaw vor und sie erkennt sehr richtig: Der Demo Sänger, dem gehört dieser Song und den kann keiner besser singen.
Und sie hat Recht. Es ist: "It´s not unusual".
Tom Jones hat bald bekannte Fans wie Jerry Lee Lewis und Elvis Presley. Der King of Rock n’Roll ruft höchstpersönlich bei Radiostationen an und wünscht sich „Green green Grass of Home“.
In Las Vegas brechen alle Dämme – bei den Frauen
Tom Jones tritt in Las Vegas auf, in den berühmten Hotels: Flamingo und Cesars Palace, und er liefert eine heiße Show. Mit hautengen Hosen und dem Hemd bis zur Hose aufgeknöpft steht er auf der Bühne, ein Bild von einem Mann. Die weiblichen Fans werfen unter Schnappatmung manchmal Blumen, meistens aber Dessous und auch ihre Hotelzimmerschlüssel auf die Bühne.
Bei seinen Shows hört man ihn manchmal gar nicht, weil die Frauen im Publikum so laut kreischen.
Einmal zeigt er sich 1967 ein bisschen züchtiger bei einem Konzert, läßt seine Hüften ausnahmsweise nicht kreisen: die königliche Familie mitsamt Königin Elisabeth II sitzt Publikum und schaut sich den Tiger an.
Ende der 70er wird es ruhiger um Tom Jones. Die Platten verkaufen sich schleppend. Er tritt in Clubs auf und weiter auch in Las Vegas. Er kauft sich eine Traumvilla: das ehemalige Anwesen von Dean Martin in Bel Air.
Legendäre Parties hat das Ratpack mit Frank Sinatra und Sammy Davies Jr hier gefeiert. Zu Verfügung stehen 1.100 m² Wohnfläche, ein Pool mit olympischen Maßen und ein eigener Park. Er zahlt 700.000 Euro, und er verkauft es später an den Schauspieler Nicolas Cage 5 Millionen Euro.
Jones lebt gut von seinen Auftritten in Vegas. Und eigentlich hat ihn niemand mehr auf der Rechnung. Aber in den 90er Jahren feiert er ein fulminantes Comeback.
Der Tiger ist grau – aber er kann noch immer brüllen
Mittlerweile sind seine Haare grau, genauer gesagt renaturiert er sie nicht mehr. Das steht ihm gut, gibt ihm Souveränität, damit kommt er bei seinem Publikum an. Bei seinen Konzerten, meistens ausverkauft, ist das Publikum durch alle Altersklassen gemischt, und noch immer wird er mit lautem Kreischen empfangen wenn er die Bühne betritt. Warum er zeitlos ist? Tom Jones selbst sagt, dass er aus den 50er Jahren kommt, aus dem Rock 'n' Roll. Seine Haltung ist Rhythm & Blues. Rock n Roll. Das ist zeitlos. Und selbst als er „Fly Me To The moon“ von Sinatra gecovert hat, hat er dem Song seinen Stempel aufgedrückt.
Das Geheimrezept für seine Stimme kommt aus Deutschland
Tom Jones kann ein ziemlich kompliziertes deutsches Wort: Luftbefeuchter. Eigentlich „german Luftbefeuchter“, das ist sein Geheimrezept für seine Stimme, er hat immer einen im Gepäck. Es ist im Winter 1966 oder 1967, da soll er in Berlin auftreten und plötzlich ist seine Stimme weg. Der Arzt stellt fest, dass die Luft in Berlin zu trocken für Tom Jones ist. In England ist es immer eher feucht, da hat er keine Probleme mit den Stimmbändern, in Berlin dagegen schon. Er rät ihm wenig zu sprechen und die Luft in seinem Hotelzimmer zu befeuchten, mit einem „german Luftbefeuchter“. Nach 2 Tagen ist die Stimme wieder da, und Tom Jones ist ein Fan des Luftbefeuchters
Das Publikum einer Casting Shoe flippt aus – schuld ist der Tiger
Im März mischt Tom Jones die britische Casting Show "The Voice" auf. Der nette ältere Herr mit dem spitzbübischen Grinsen kann aus dem Stegreif seine Hits anstimmen oder sich mit jüngeren Stars Battles liefern. Viele Jüngere im Publikum kennen ein paar seiner Hits, aber ihn selbst kennen sie noch nicht. Sie lernen ihn kennen und erleben mit, wie die Älteren im Publikum ausflippen, keinen hält es auf dem Stuhl, stehende Ovationen reihenweise. Mit fast 80 kennt er seine Stärken und singt sie voll aus.
Auch Tom Jones muss bei seinen Konzerten eine Coronapause machen, für 2020 waren einige Konzerte angesetzt. Aber ich bin sicher – Tom Jones wird auch jenseits der 80 auf die Konzertbühne zurückkommen.