Die Alben im Überblick:
- AnnenMayKantereit - "12"
- Taylor Swift - "Folklore"
- Yusuf / Cat Stevens - "Tea For The Tillerman"
- Somi - "Holy Room: Live at Alte Oper With Frankfurt Radio Big Band"
- Die Ärzte - "Hell"
- Elton John - "Jewel Box"
- Gary Barlow - "Music played by Humans"
- AC/DC - "Power Up"
- Roxette - "Bag Of Trix – Music From The Roxette Vaults"
- Metallica - "S&M2"
AnnenMayKantereit - "12"

Mitte März 2020: Wie viele andere Bands müssen auch AnnenMayKantereit ihre Tour abbrechen. Jeder der drei sitzt allein zu Hause, denkt nach, macht für sich Musik.
Aus den ersten Skizzen wurde ein Album, das das ganze Jahr reflektiert - nicht nur, aber auch Corona. Genauso kommen aber auch der rassistische Terror in Hanau oder das Flüchtlingslager Moria vor. Die Lieder heißen "Vergangenheit", "Zukunft" oder "Gegenwartsbewältigung". Vieles bleibt skizzenhaft, Lieder sind nur 1-2 Minuten lang und man hört, dass sie nicht im Studio aufgenommen wurden.
»Die Räume, die uns umgeben haben auf diesem Album, sind natürlich vor allen Dingen unsere Zimmer. Also jeder war einfach unglaublich viel zu Hause. Und dann waren wir in der Eifel, in einem Haus einer befreundeten Familie. Da waren wir dann zusammen in Quarantäne und haben Musik gemacht.«
Das Album "12" ist der Soundtrack des Corona-Jahres. AnnenMayKantereit nehmen uns mit in ihr Leben, das komplett vom Virus bestimmt wird: Nichts geht mehr, keine Konzerte, kein Ausgehen, keine Freunde sehen. Trotz der ganzen Schwere dieses Jahres gibt es aber auch immer wieder Hoffnung, wie in dem Song "Ganz egal", in dem es um die ersten Treffen nach dem Lockdown geht.
»12 ist ein Konzeptalbum, AnnenMayKantereit haben keine Single ausgekoppelt. Das ist wichtig, gerade heutzutage, wo das Album ansich in Frage steht und nur noch einzelne Songs auf Streamingplatformen gestellt werden. Auch deshalb ist 12 mein persönliches Album des Jahres 2020.«
Taylor Swift - "Folklore"

Dieses mal hat Taylor Swift alles anders und sehr richtig gemacht: Kein Bombast, kein Plastikpop, keine fiesen Abrechnungen mit Ex-Freunden, sondern einfach nur ganz wundervolle, zarte, spärlich instrumentierte Balladen. Geschichten von der Liebe , dem dazugehörigen Kummer, Erinnerungen an vergangene Gefühle und den Sommer.
Das Folklore Album von Taylor Swift entstand, so sagt sie, in ihrer ganz persönlichen Isolation und sie hätte verrückt werden können, aber die Musik sei ihre "Rettungsweste" gewesen.
Für dieses Album hat sich Taylor Swift keine Star-Produzenten geholt, sondern mit Aaron Dessner von The National und Bon Iver zwei ausgewiesene Indie-Folk Spezialisten, die es schaffen, die Essenz von Taylor Swift zum klingen zu bringen.
»Am liebsten möchte man Taylor Swift in den Arm nehmen und Danke sagen, für diese wundervolle Musik in widrigen Zeiten.«
Yusuf / Cat Stevens - Tea For The Tillerman
Vor 50 Jahren ist Cat Stevens Meisterwerk "Tea For The Tillerman" erschienen und längst ein Meilenstein der Popgeschichte. Unter anderem stammen die Songs "Wild World" und "Father and Son" von dieser Platte.
Passend zu letzterem Song haben Vater Yusuf Cat Stevens und sein ältester Sohn überlegt, wie man den 50. Geburtstag vom Tillerman Album feiern könnte. Herausgekommen ist eine komplett Neuaufnahme von "Tea For The Tillerman". Ein 72-jähriger Mann interpretiert die Songs, die er mit 22 Jahren selbst geschrieben hat.
»Das Ergebnis ist ein zutiefst anrührendes Stück Musikgeschichte.«
Somi - "Holy Room: Live at Alte Oper With Frankfurt Radio Big Band"
Sie kennen das vielleicht: das Fernsehprogramm ist so langweilig, dass sie vor der Glotze einschlafen und irgendwann nachts von der lärmenden Kiste geweckt werden. So ging es SWR1 Redakteur René Hagdorn im Frühherbst: "Mitten in der Nacht schrecke ich vollkommen zerknautscht auf dem Sofa auf und höre und sehe (laut Videotext): Somi und die Bigband des Hessischen Rundfunks".
Somi? Noch nie gehört. Ich stöbere im Netz: Somi – eigentlich Laura Kabasomi Kakoma – afroamerikanische Jazzsängerin, Geheimtipp unter Jazzfans, erfahre ich. Das Konzert: eine Aufzeichnung aus Vor-Corona-Zeiten in der Frankfurter Oper. Ich versinke mit dieser butterweichen Stimme immer tiefer in meiner Couch, sauge jeden Ton gierig auf.
»Somis Stimme berührt mich wirklich tief. Trotz ihrer Melancholie strahlt sie unendlich viel Wärme aus. Sie wickelt mich wie eine flauschige Kuscheldecke ein und lässt mich gedankenlos ins Kaminfeuer starren.«
Das ist meine Lieblingskünstlerin 2020 und das für mich herausragende Album des Jahres - mein musikalisches Wellnessprogramm im Coronawinter!
Somi schickt mich dabei auch auf eine Reise zu ihren Wurzeln: Als Tochter afrikanischer Einwanderer aus Ruanda und Uganda wächst sie zuerst in den USA in Illinois, dann in Sambia auf. Viele Songs drehen sich um ihre afrikanische Identität – sie covert den Englishman in New York von Sting und textet: "I‘m an African in New York".
Dass Somi mit der HR Bigband ein Konzert spielt, klingt bizarr – eine stocksteife deutsche öffentlich-rechtliche Kombo und eine afroamerikanische Jazz-Sängerin - auf dem Papier passt das so gar nicht. Was aber aus den Lautsprechern kommt ist wie warmer Honig – als ob es schon immer zusammengehört hat! Wohl auch deshalb wurde dieses Album für den Grammy nominiert und ist meine Empfehlung für den entspannten Abend auf der Couch.
Die Ärzte - Hell
Ein neues Album von Die Ärzte! SWR1 Moderator Jens Wolters konnte es kaum erwarten, bis er die Platte endlich in den Händen hatte: Musik, die voll auf die Zwölf geht und in erster Linie inhaltsleicht daherkommt.
»Ganz ehrlich: "Hell" von Die Ärzte ist Urlaub für meine Ohren.«
Wieder einmal haben Farin, Bela und Rod es geschafft, ihre Fans schwer zu begeistern, ganz einfach, weil sie gute "Hau-drauf-Mucke“ machen und in gesunder Dosis in ihren Texten auch schwere Themen aufgreifen ("Ich denke, dass eine Mutter in Aleppo sich auch ganz gern mal langweilen würde").
Das alles sind Die Ärzte im Jahr 2020 und für Jens Wolters das Musik-Highlight des Jahres.