Peter Gabriel am 13. Oktober 2013 in Stuttgart (Foto: SWR, SWR1 - Foto: Willi Kuper)

Peter Gabriel wird 70 Jahre alt

Ein visionärer Aktivist

Stand
AUTOR/IN
Janina Heinle

Peter Gabriel – ein Ausnahmekünstler, der mit seinem Gesang und seiner Leidenschaft für Klangexperimente die Rockmusik maßgeblich prägte. Aber wer ist der Mann, der immer wieder musikalische Grenzen austestet, bahnbrechende Videoclips produziert, dabei Rock- und Weltmusik in einen Topf warf und sich bis heute für Menschenrechte einsetzt? Ein Portrait zu Peter Gabriels 70. Geburtstag.

Weg vom Elitären der Privatschule

Geboren am 13. Februar 1950, wächst Peter Gabriel auf einem viktorianischen Anwesen einer Farm im englischen Chobham auf. Wohl geprägt von den Interessen seiner Eltern – der Vater ist Elektroingenieur, die Mutter musikalisch sehr begabt – entwickelt er schnell ein Gespür für das Basteln an Sound und Musik. Bereits zu Schulzeiten bemerken Lehrer sein außergewöhnliches Gesangstalent. Peter lässt sich davon nicht wirklich beeindrucken und kauft sich vom Geld einer Tante, das für Gesangsstunden vorgesehen ist, das erste Album der Beatles.

Auf der Charterhouse School, einer englischen Privatschule, lernt er mit Tony Banks und Chris Stewart seine ersten Bandkollegen kennen. 1965 gründet er die Band „Garden Wall“ und sorgt früh für Aufmerksamkeit: Bei einem Konzert tritt er im Kaftan auf und bewirft das Publikum mit Blütenblättern.

Genesis (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Peter Gabriel und Tony Banks besuchten die sehr elitäre Charterhouse School in Godalming. Die Regeln waren streng, die Jungs frustriert. Musik war das bisschen Flucht aus dieser Realität.

Die Ära Genesis

Mit Anthony Philips und Mike Rutherford schließen sich die Musiker zu einem Fünfergespann zusammen. Und wieder mal ist es Peter Gabriels Stimme, die alle in ihren Bann zieht. Die Geburtsstunde von Genesis steht allerdings erstmal unter keinem guten Stern. Das erste Album „From Genesis to Revelation“ floppt. Grund dafür: Der irreführende Bandname. Plattenläden kategorisieren das Album fälschlicherweise zu Religiöser Musik, gerade mal 600 Alben werden verkauft. Auch ein weiterer Tiefschlag folgt: Nach nur einem Jahr verlässt der bereits dritte Drummer John Mayhew die Gruppe. Das Ende der Band soll per Anzeige im „Melody Maker“ gerettet werden. Daraufhin meldet sich Phil Collins – und wird neues Mitglied. Die Band wird erfolgreich, skurrile Bühnenshows und Kostüme sollen die surrealistischen Texte der Band visuell unterstreichen.

Solsbury Hill

Peter Gabriel erfährt mit Genesis enorme Erfolge. Doch gerade die führen zu internen Spannungen: Alles drehe sich nur um Peter, der sich zusätzlich auch noch mehr Zeit für Frau und Kind nehmen will. Die kinderlosen Bandkollegen zeigen dafür kein Verständnis. Zudem driften die musikalischen Interessen auseinander. Während Peter exzessive Experimente lebt, rudert Phil Collins Richtung Mainstream. Später sagt Peter, dass Phil Collins die Lieder besser als er selbst sänge, jedoch nie wie er.

Seinen Ausstieg im Jahr 1975 beschreibt Peter als Ich-Phase. Zeit, um Ruhe zu finden und Kraft zu tanken. Er baut Gemüse an und nimmt Yoga-Stunden. Dann der Solodurchbruch. Mit „Solsbury Hill“ gelingt Peter ein autobiografisches Meisterwerk, eine Allegorie seines Austritts bei Genesis. Durchgehende Beats, die beinahe an einen Herzschlag erinnern, sollen sagen: Es geht weiter. Und immer weiter.

Peter Gabriel bleibt ein Eigenbrötler: Vier darauffolgende Studioalben, die lediglich seinen Namen als Titel tragen. Experimentelle Musikvideos, die mit Stop Motion arbeiten – wie das Video zu „Sledgehammer“, das sage und schreibe neun MTV Music Video Awards abräumt. Der Mix aus Funk, ungewöhnlichen Samples und sogar einem Gospelchor katapultiert ihn auf Platz 1 der US-Charts.

Peter Gabriel am 30. September 2010 in Mannheim (Foto: SWR, SWR - Foto: Willi Kuper)
Foto: Willi Kuper

Weltoffener Humanist

Seine Bodenständigkeit hat Peter Gabriel bei all dem Ruhm nie verloren. Sein großes Interesse für Weltmusik lässt ihn das Projekt „WOMAD“ (World Music, Art and Dance) gründen. Kulturen aus aller Welt kommen seit knapp 40 Jahren dafür zusammen – bis heute fanden mehr als 145 Veranstaltungen in 22 Ländern statt.

Außerdem gründet er das Label „Real World Studios“. Das zugehörige Tonstudio befindet sich in einer alten englischen Mühle, hölzern ausgebaut und umrahmt von idyllischer Landschaft. Ein Ort purer Inspiration – so soll Weltmusik im Westen salonfähig gemacht werden.

2010 startet er das Projekt „Scratch My Back“, bei dem Songs anderer Künstler von ihm gecovert werden.  Das Motto: No drums, no guitars – lediglich ein klassisches Orchester. Eine Hand wäscht die andere – die Musiker haben im Folgeprojekt „And I Will Scratch Yours“ Peter Gabriels Songs interpretiert.

Peter Gabriel am 13. Oktober 2013 in Stuttgart (Foto: SWR, SWR1 - Foto: Willi Kuper)
Foto: Willi Kuper

Peter Gabriel ist Menschenrechtsaktivist, unterstützt dabei Amnesty International und gründet die Organisation „Witness“ mit. Dabei werden Aktivisten mit Kameras ausgestattet, um Menschenrechtsverletzungen zu dokumentieren.

Ein Visionär, ein Kämpfer, ein Ausnahmekünstler. Peter Gabriel – wir gratulieren zum 70. Geburtstag!

Stand
AUTOR/IN
Janina Heinle