Pastoralreferent Dominik Weiß aus Baiersbronn

"Stairway to Heaven" - die Predigt zum Nachlesen

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AUTOR/IN
Dominik Weiß

Welcher Weg führt zu Gott - gibt es sie, diese Treppe in den Himmel, die der Led Zeppelin-Song "Stairway to Heaven" beschreibt? Dominik Weiß, Pastoralreferent der Katholischen Kirchengemeinde Baiersbronn, sucht in seiner Predigt Antworten mit Hilfe des Songs, der seit Jahrzehnten einer der Top-Hits in der SWR1 Hitparade ist. Auf Wunsch vieler Hörer*innen stellen wir hier den Text zum Nachlesen zur Verfügung.

Werde am Sonntag wieder über einen Song aus der #SWR1HP20 predigen. Letztes Jahr war Bohemian Rhapsody dran. Dieses Jahr dann der höchste Song, der nicht Bohemian Rhapsody ist. Habe schon einen Verdacht ;-)

Die SWR1 Hitparaden-Predigt im Wortlaut

Fast jedes Jahr seit Beginn der SWR1 Hitparade haben die Hörerinnen und Hörer den Song „Stairway to Heaven“ der englischen Rock-Band Led Zeppelin auf den ersten Platz gewählt. Dieses Jahr hat es nur zu Platz zwei gereicht. „Stairway to Heaven“ ist einer der legendären Songs der Rock-Geschichte von einer der legendärsten Bands.

Led Zeppelin wurde 1968 gegründet. Die Band bestand aus dem Sänger Robert Plant, dem Gitarristen Jimmy Page, John Paul Jones am Bass – und mit John Bonham saß ein Mann am Schlagzeug, der vielen als der beste Rock-Drummer überhaupt gilt.

Nachdem John Bonham 1980 auf tragische Weise unter Alkoholeinfluss ums Leben gekommen war, lösten sich Led Zeppelin auf. 2007 gab es noch einmal ein Comeback-Konzert in der Londoner O2-Arena mit John Bonhams Sohn am Schlagzeug. Für 20.000 Plätze gab es damals 2 Millionen Kartenanfragen von Leuten, die noch ein allerletztes Mal Led Zeppelin Live sehen wollten.

Der berühmteste Song der Band, „Stairway to Heaven“ wurde nicht als Single veröffentlicht und erschien auf einem Album, das keinen Namen hatte, später aber als „Led Zeppelin IV“ bekannt wurde.

Der Songtext ist sehr verwirrend.

Auch der Textdichter Robert Plant hat gesagt, dass der Song für ihnen jeden Tag eine andere Bedeutung hat. Statt einer klaren Botschaft oder einer Geschichte gestaltet der Text eher eine geheimnisvolle, mystische Atmosphäre.

Am ehesten ist noch der Anfang des Songs einfach zu verstehen. Es geht da um eine reiche, vornehme Dame, die davon ausgeht, dass sie sich mit ihrem Geld eine Treppe zum Himmel kaufen kann.

"Wenn sie dort ankommt weiß sie, dass, auch wenn alle Geschäfte geschlossen sind, sie mit einem Wort das bekommen kann, weswegen sie gekommen ist."

Eine Brücke in den Himmel mit Geld kaufen zu wollen, das erscheint als ein ziemlich plumpes, dummes Unterfangen. Einen privilegierten Zugang in die Welt Gottes für Reiche, die es sich leisten können – ich glaube, da sind wir uns schnell einig, dass das nicht gehen kann. Und gleichzeitig stellt sich doch die Frage, ob es nicht subtilere Versuche gibt, sich eine solche Treppe in den Himmel zu erkaufen.

Wie kommen Menschen in den Himmel? Himmel meint ja nicht nur etwas, das nach dem Tod einmal kommt. Himmel ist ein Wort für die Gegenwart Gottes. Wie erhalten Menschen Zutritt in die Wirklichkeit, in die Nähe Gottes?

Zwei Währungen, mit denen sich Menschen eine Treppe in den Himmel zu erkaufen versuchen, sind durchaus verbreitet. Die erste Währung ist das Vertrauen auf die eigene Anständigkeit und die eigenen moralischen Leistungen.

"Ich habe ein Recht, in den Himmel zu kommen, weil ich so ein guter Mensch bin."

Aber da stellen sich viele Probleme. Was ist denn der Maßstab für ein „gut genug“, auf das ich mich gegenüber einem Gott berufen könnte, der unendlich gut ist und der mir alles geschenkt hat, was ich bin und habe? Wie gut muss ich denn sein, damit die selbst erbaute Brücke in den Himmel auch lang genug ist?

Genügt es, ein besserer Mensch zu sein als die größten Verbrecher der Geschichte, besser als Hitler oder Stalin? Bin ich ein guter Mensch, wenn ich niemanden umgebracht habe? Muss ich immerhin so gut sein wie der Durchschnitt? Oder zumindest besser als mein Nachbar? Genügt es, hin und wieder etwas zu spenden und ab und zu mal freundlich und hilfsbereit zu sein? Muss ich am Ende gar so gut sein wie Mutter Teresa und mein ganzes Leben der Pflege todkranker Menschen in Elendsvierteln widmen?

Wie gut ist gut genug?

Wie gut ist gut genug, um zu Gott sagen zu können: Schau her, ich habe deine Liebe verdient? Ich habe es verdient, in deiner Gegenwart zu leben?

Ein solches Denken hat Martin Luther in der Reformationszeit zu Recht massiv kritisiert – und eigentlich gab es da auch nie einen wirklichen Unterschied zum Glauben der katholischen Kirche. Auch wenn sie es zur Zeit Luthers vielleicht nicht klar genug betont hat, auch die katholische Kirche hat immer gesagt: Wir alle sind auf Gottes Vergebung angewiesen, keiner von uns kann vor Gott Ansprüche geltend machen. Wie könnte unsere immer unvollkommene Liebe jemals gut genug sein angesichts der unendlichen Liebe Gottes? Nein, keiner ist „gut genug“, dass er sich eine Treppe in den Himmel verdienen könnte.

Die zweite Währung, mit der Menschen manchmal versuchen, sich eine eigene Treppe in den Himmel zu bauen, führt uns in die schwerer verständlichen Teile von "Stairway to Heaven".

Besonders Robert Plant, der Textdichter des Songs, war fasziniert vom Thema Spiritualität. Besonders vorchristliche, heidnische Religiosität hatte es ihm angetan. Zeitweilig hat er auch mit Okkultismus und Satanismus geflirtet. Wie auch manche andere Led Zeppelin Songs entführt uns auch Stairway to Heaven in die mystische Atmosphäre dunkler Wälder, in denen wir geheimnisvollen Gestalten begegnen.

Mystische Atmosphäre im Song

Im Wald wird Frühjahrsputz für die Maikönigin gehalten – eine Gestalt aus der britischen Volkstradition, die noch in mittelalterlichen Prozessionen eine Rolle gespielt hat. Vielleicht dieselbe Frauengestalt, von der es später heißt, dass sie weißes Licht abstrahlt und zeigt, dass sich alles in Gold verwandeln lässt.

Maikönigin - Fotografie von Julia Margaret Cameron (Foto: dpa Bildfunk, Julia Margaret Cameron)

Ein Flötenspieler spielt eine Melodie – vielleicht der alte Waldgott Pan. Man flüstert, dass er uns, wenn alle in seine Melodie einstimmen, zu einer neuen Art von Vernunft führen wird, und dass dann ein neuer Tag anbrechen wird. Es ist die Atmosphäre der Esoterik-Ecken in vielen Buchhandlungen – sicher poetischer und interessanter als vieles, was man dort findet, aber doch mit einer ähnlichen Grundtendenz.

Eine neue und zugleich alte Spiritualität zu entdecken und zu praktizieren, ist das die Treppe in den Himmel? Eins zu werden mit der Natur, den Archetyp der Erd-Göttin zu verehren, auf die Melodie im eigenen Inneren und in den Welt-Sphären zu hören, das Bewusstsein zu erweitern, ein neues Zeitalter einläuten –können wir so dem Göttlichen näherkommen?

Bei näherer Betrachtung stellt sich immer wieder heraus, dass uns solche Spiritualität doch oft vielmehr in die Welt unserer eigenen Vorstellungswelt führt, zu unseren eigenen Projektionen und zu unserem Wunschdenken. Die Treppe führt nicht zum Himmel, sondern in einer eigenartigen Krümmung doch immer wieder zurück zu uns selbst und zu unserer eigenen Beschränktheit, zu einem Himmel und zu einem Gott nach unserem Bilde, nicht zum alles Verstehen übersteigenden Schöpfer des Himmels und der Erde.

Aber ist das nicht unglaublich deprimierend? Gibt es dann etwa gar keine Treppe zum Himmel? Keinen Weg, der in die Nähe Gottes führt?

Es gibt keinen Weg von uns Menschen zu Gott - nur von Gott zu uns

Hören wir an dieser Stelle auf eine der biblischen Lesungen für den heutigen Sonntag. Ich möchte aus dem, was Paulus an die Gemeinde in Thessalonich schreibt, nur einen Gedanken herausgreifen. Paulus schreibt, dass wir den Sohn des lebendigen und wahren Gottes "vom Himmel her" erwarten. Hier liegt die christliche Antwort auf die Frage nach einer Treppe zum Himmel. Der Theologe Karl Barth hat einmal gesagt:

"Es gibt keinen Weg von uns Menschen zu Gott. Der Gott, der am Ende irgendeines menschlichen Weges zu Gott stünde, wäre nicht Gott."

Es gibt keinen Weg von uns Menschen zu Gott. Es gibt nur einen Weg von Gott zu uns Menschen. Es gibt für uns Menschen keine Möglichkeit, den Abstand zwischen uns und dem unendlichen Geheimnis Gottes zu überbrücken - mit unseren eigenen Kräften, mit unserem Geld, mit unseren guten Taten, mit unserer Spiritualität eine Treppe hinüber zu Gott zu bauen. Das ist eine ernüchternde Einsicht.

Die frohe Botschaft ist aber, dass Gott sozusagen von seiner Seite her eine Treppe zu uns baut. Nach dem christlichen Glauben ist diese Treppe eine Person: der Mensch Jesus von Nazareth, der Messias Israels, der Sohn Gottes. Wir brauchen nicht mit aller Gewalt versuchen, einen Weg zu Gott zu finden. Gott kommt uns entgegen. Es kommt nicht so sehr darauf an, Gott zu suchen, es kommt darauf an, dass wir uns von ihm finden lassen.

"Und wenn du ganz genau zuhörst", heißt es am Ende von Stairway to Heaven, "dann erschließt sich dir letztendlich die Melodie. Wenn alle eins sind und eines alles ist."

Die Melodie, die uns der christliche Glaube vorsummt, ist die Melodie eines Gottes, der den Weg zu uns geht, der einer von uns wird, damit wir zur Einheit mit ihm und untereinander finden können.

Dominik Weiß, Pastoralreferent,
Katholische Kirchengemeinde Baiersbronn

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Dominik Weiß