Kommentar

Der Streit mit dem Hause Hohenzollern geht in eine neue Runde

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AUTOR/IN
Rainer Volk

Seit Jahren streitet sich das Haus Hohenzollern mit den Ländern Berlin, Brandenburg und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz um die Rückgabe von Immobilien und Kunstschätzen in Millionenhöhe. Prinz Georg Friedrich von Preußen trat nun in Berlin vor die Presse, um auf einige seiner Ansprüche zu verzichten. Die Hohenzollern spekulieren nach Ansicht von Rainer Volk auf mehr Erfolg, wenn sie „die Sache anders anpacken.“

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Ein gewiefter Stratege zieht die Notbremse

Endlich – werden viele denken, die die Hohenzollern-Debatte seit Jahren verfolgen. Endlich hat Prinz Georg Friedrich eingestanden: Der Uropa, Kronprinz Wilhelm, hat zeitweise mit den Nazis sympathisiert. Klingt nach Ende von Beratungsresistenz und nobler Einsicht.  – Ach, was! 

Wer das devote Interview in der „Welt“ richtig gelesen und die Pressekonferenz in Berlin mit wachen Augen und Ohren verfolgt hat, schlussfolgert vielmehr: Da hat ein gewiefter Stratege seine Verluste gezählt – und die Notbremse gezogen.

Publicity-Debakel

In der Öffentlichkeit fanden die Hohenzollern praktisch null Sympathie für ihre Sicht auf die Vorfahren und deren Gedankengut. Die Prozesse, die das Haus gegen weltweit respektierte Historiker führte, verstanden die Menschen als Paragrafenhuberei gepaart mit Geldgier.

Denn die Frage, ob der Sohn des letzten Kaisers den Nazis „erheblichen Vorschub“ geleistet hat, ist juristische Feinschmeckerei – und kaum zu beantworten. Historisch dagegen ist klar: Der Sohn des letzten Kaisers war politisch so naiv wie unbelehrbar. Und publicity-mäßig gesehen alles ein Debakel.

Ansprüche aufgeben? Keinesfalls!

Deshalb der Abbruch und der Aufbruch ins nächste Gefecht unter neuer Flagge. Hoheit verkündeten dazu, er wolle eine „unbelastete Debatte“ führen. Gegenfrage: Debatte um was? Nicht jedenfalls, ob der Urahn dem NS-Regime erheblichen Vorschub geleistet hat. Das ist für Georg Friedrich „nicht nachweisbar“. 

Da liegt der Gedanke nahe: Die Hohenzollern spekulieren auf mehr Erfolg, wenn sie die Sache anders anpacken. Die Ansprüche aufgeben will man keinesfalls.

Um etwa 6000 Kunstobjekte streitet man sich noch mit den Ländern Berlin, Brandenburg und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Vieles ist in Museen, etwa im Schloss Monbijou, unverdächtig als Dauerleihgabe etikettiert. Der Wert geht in die Millionen. Bei einer Auszahlung wäre das Steuerzahlergeld, natürlich.

Bizarrer Streit

Die Kulturpolitik, allen voran Claudia Roth als zuständige Ministerin, hat das erkannt. Bisher wollte sie sich nicht mit Prozessen erpressen lassen. Jetzt stehen die Zeichen auf Gespräch, Kompromiss – und die Lösung Geld gegen Kunst, die weiter in Museen gezeigt werden darf.

Daran haben die Länder als deren Betreiber ein Interesse. Nach diesem bizarren Streit wäre das als Resultat bitter – aber sie wäre politisch verständlich, vertretbar und wohl auch zu finanzieren. 

Buchkritik Lothar Machtan – Der Kronprinz und die Nazis | Stephan Malinowski – Die Hohenzollern und die Nazis

Wie weit gehen die Verstrickungen der Hohenzollern mit Nazi-Deutschland? Leisteten Mitglieder des preußisch-deutschen Herrscherhauses dem Nationalsozialismus gar erheblich Vorschub? Zwei neue Bücher von renommierten Historikern gehen dieser Frage jetzt nach.
Rezension von Konstantin Sakkas.
Lothar Machtan - Der Kronprinz und die Nazis. Hohenzollerns blinder Fleck
Duncker & Humblot Verlag, 300 Seiten, 29,90 Euro
ISBN 978-3-428-18394-4
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Stephan Malinowski - Die Hohenzollern und die Nazis. Geschichte einer Kollaboration
Propyläen Verlag, 784 Seiten, 35 Euro
ISBN 9783843725750

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