Alt & Weltklasse: CR7, Zlatan Ibrahimovic & Sascha Mölders - Altstars auf ihrem Zenit.  (Foto: SWR, Grafik SWR/finally)

Sport erklärt | Fußball

Alte Weltstars: Warum sind Zlatan, Ronaldo & Co. immer noch so gut?

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Michael Bollenbacher
Max Wöhr

Bonucci und Chiellini haben es mit Italien bei der EM bewiesen: Zusammen sind sie zwar schon 70 Jahre alt, nun aber dennoch um einen Titel reicher. Auch CR7, Ibrahimovic & Co. spielen immer noch auf Weltklasse-Niveau. Wie geht das?

Cristiano Ronaldo ist auch im Alter von 36 Jahren ein Rekordbrecher: Der Portugiese wurde Torschützenkönig in Italien, ist nun EM-Rekordtorschütze und hat auch noch den Weltrekord von Ali Daei eingestellt: 109 Länderspieltore. Sein "Altersgenosse" in der italienischen Serie A: Zlatan Ibrahimovic. Auch mit fast 40 Jahren traf der Schwede für den AC Mailand vergangene Saison fast in jedem Spiel (15 Tore in 19 Partien). Nach sieben Jahren Abwesenheit führte Zlatan den AC wieder in die Champions League. In seiner 22. Profi-Saison netzt er einfach weiter. Spielt das Alter im Fußball eigentlich keine Rolle?

Youngster-Pool vs. Ü30-Party

Obwohl der Profifußball immer jünger, athletischer und professioneller daherkommt und durch Youssoufa Moukoko, Florian Wirtz, Jude Bellingham & Co. auch in Deutschland regelmäßig die Altersgrenzen nach unten durchbrochen werden, ist es europaweit eine wahre Ü30-Party: Ob Luis Suarez in Spanien (34 Jahre, Meister mit Atlético Madrid), Burak Yilmaz in Frankreich (35, Meister mit dem OSC Lille), Leonardo Bonucci & Giorgio Chiellini (34 bzw. 36, Europameister mit Italien) oder eben CR7 & Zlatan (36 bzw. 39) - die Oldies scheinen nicht müde zu werden. Das spricht eigentlich gegen die Gesetzmäßigkeiten der muskulären Trainierbarkeit.

Mannschaftsärzte können heute alles messen und alles (vorher-) sehen

Denn Frauen und Männer haben zwischen dem 25. und 27. Lebensjahr ihren körperlichen "peak", danach nimmt die muskuläre Trainierbarkeit ab. Das soll bei Profifußballern durch individuelles und effektives Training möglichst verhindert werden. Nicht wegzudenken dabei: die Team-Ärzte. Früher eher Beiwerk, mittlerweile sind sie sozusagen Hellseher. Die großen Veränderungen im medizinischen Bereich beschreibt der Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart, Dr. Raymond Best:

"Heutzutage können Sie leistungsphysiologisch alles messen und alles sehen. Sie können am Bewegungsapparat durch die Kernspintomographie alles messen und alles sehen. Und damit beugen Sie auch gewissen Dinge vor, um das Altern eines Profis zu verlangsamen."

Faktoren Verletzungsprävention und Spielwahrnehmung

Ein weiterer Faktor, der das Altern verlangsamt: Die Verletzungsprävention, vor allem an den im Fußball so wichtigen Gelenken wie Sprung- oder Kniegelenk. Auch Ronaldo oder Ibrahimovic waren natürlich schon verletzt, aber nie Karriere-gefährdend. Das Alter kann im Laufe der Jahre auch von Vorteil sein: So kann ein älterer Spieler ein Spiel tendenziell besser lesen als ein Youngster und dadurch wichtige Meter im Spiel sparen.

Studien mit mehr als 2.000 Profis, die zwischen 1970 und 2017 beobachtet wurden, zeigen: Großartige Spieler bleiben häufig länger am Ball. Dabei ist es nicht so, dass es heutzutage mehr Profis gibt, die ihre Karriere später beenden als noch vor einigen Jahren. Es sind schlichtweg eher die außergewöhnlich guten Profis, die ihre Karriere außergewöhnlich spät beenden. Die Statistik beweist: nicht zu Unrecht, schließlich waren CR7 (0,88 Tore pro Spiel) und Zlatan (0,79 Tore pro Spiel), was die Torquote anbelangt, trotz ihres Alters auf den Plätzen eins und zwei in der vergangenen Serie-A-Saison.

Studie: Spitzensportler überwinden schwere Kindheitstraumata durch Erfolge

Neben medizinisch-biologischen Gründen gibt es noch einen ganz anderen wichtigen Faktor, um eine außergewöhnlich erfolgreiche Sportkarriere noch weiter zu verlängern: die eigene Psyche. Genau das zeigt eine erst kürzlich veröffentlichte Studie von "UK Sport". Untersucht wurden 16 Athleten, die mehrfach Gold bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften gewannen. Keiner aber hörte auf dem vermeintlich sportlichen Zenit auf. Das Psychologen-Team der Studie fand heraus, dass alle 16 nachweislich schwere Kindheitstraumata durchmachten. Doch die Athleten konnten alle ihre Traumata überwinden.

Arne Güllich, Professor für Sportwissenschaft an der TU Kaiserslautern, hat an der Studie mitgewirkt und erklärt, wieso: "In die zeitliche Nähe fielen positive Erfahrungen im Sport. Entweder, dass sie mit dem Sport angefangen haben, oder dass sie einen Leistungssprung im Sport gemacht haben oder einen tollen Erfolg hatten. Trainerwechsel, solche Dinge. Und das hat ihnen sehr geholfen, ihre Kindheitstraumata zu kompensieren."

Die Begründung, dass CR7 oder auch Zlatan Ibrahimovic ihre Kindheitstraumata mit ihren ständigen Rekord-Brüchen seelisch ausgleichen, ist rein spekulativ, liegt aber nahe. Auch die Kindheit von Zlatan Ibrahimovic hatte es in sich: Der Vater war lange Alkoholiker, die Mutter psychisch labil; dazu wuchs er im sozialen Brennpunkt Rosengård, einem Viertel der schwedischen Stadt Malmö auf.

Die ganz großen Spitzensportler sind ausgeprägte Narzissten

Ein zweiter Aspekt aus der Psychologie, der lange Karrieren erfolgreich werden lässt: Liebe. Besser gesagt: Die Liebe zu sich selbst. Die ganz großen Spitzensportler sind Narzissten - das zeigt auch die Studie von "UK Sport". Doch Arne Güllich betont: "Narzisst klingt krankhaft. Wir alle sind ein bisschen Narzisst und andere sind es eben sehr stark. Bei diesen Sportlern war es sehr stark ausgeprägt. Das heißt, sie brauchen den Sport als Kompensation für ihr früheres Leiden und zum anderen, um ihren Narzissmus auch Genüge zu tun."

Der Anspruch auf Autorität, der Leader-Gedanke, gepaart mit einer exzentrischen Selbstdarstellung - alles narzisstische Merkmale, die Ronaldo und Ibrahimovic erfolgreich verkörpern. Dazu entsteht ihre Selbstwahrnehmung aus ihrem Profi-Dasein. Alles dreht sich um sie. Ibrahimovic und CR7 sind die Häuptlinge, Leitwölfe ihrer Teams. Wenn sich die anderen unterordnen, steigt die Aussicht auf den Team-Erfolg.

Nicht falsch verstehen: Auch Ronaldo, Ibrahimovic, Chiellini & Co. altern - aber sie schaffen es eben durch ihr Gesamtpaket, den Alterungsprozess extrem gut zu kompensieren. Das ist - egal wie lange sie noch weiter kicken - allemal beeindruckend.

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