Er zählt zu den erfolgreichsten deutschen Turnern der vergangenen Jahre, sammelte Olympische Medaillen sowie Podestplätze bei Welt- und Europameisterschaften. Nach 18 Jahren im Profisport mit vielen Glanzmomenten, aber auch herben Rückschlägen, macht Marcel Nguyen nun Schluss.
"Nach langen Überlegungen habe ich mich dazu entschieden, meine Karriere zu beenden. Ich habe alles versucht, aber mein Körper macht einfach nicht mehr mit", sagte Nguyen auf einer Pressekonferenz in Stuttgart am Mitwoch (15.03.2023).
Marcel Nguyen feiert früh nationale und internationale Erfolge
Mit vier Jahren begann der gebürtige Münchner beim TSV Unterhaching mit dem Turnen. Früh erkannten die Trainer sein Talent und förderten den späteren Weltklasse-Turner. Über das Bayrische Turnleistungszentrum in München zog es Nguyen als Teenager dann nach Stuttgart zum Bundesstützpunkt. Er startete später auch für den MTV Stuttgart und den Ligakonkurrenten KTV Straubenhardt.
Nach nationalen Wettkämpfen im Jugendbereich machte Nguyen 2005 dann erstmals auf internationaler Ebene auf sich aufmerksam: Mit 18 Jahren feierte er sein WM-Debüt. Nur zwei Jahre später gewann der für seine Eleganz bekannte Turner bei der Heim-WM in Stuttgart die Bronze-Medaille im Team. Es folgen zahlreiche Titel auf nationaler Ebene sowie Podestplatzierungen bei Welt- und Europameisterschaften.
Nguyen gewinnt zwei Silbermedaillen bei Olympischen Spielen in London
Bei den Olympischen Spielen in London 2012 erlebte der 1,62 Meter große Turner dann seinen absoluten Karrierehöhepunkt: Sowohl an seinem Paradegerät, dem Barren, als auch in der Königsdisziplin, dem Mehrkampf, gewann der damals 25-Jährige Silber. Im Mehrkampf war es die erste deutsche Medaille bei Olympischen Spielen seit 76 Jahren. "Der Moment, an dem ich am Boden gelandet bin und wusste, es reicht für eine Medaille, wird mir für immer im Gedächtnis bleiben", sagte Nguyen im Zuge seines Rücktritts, "das war unglaublich, weil mein Coach und ich so lange daran gearbeitet hatten und dann am Ziel angekommen sind".
Mit dieser Wahnsinnsleistung trat Nguyen, der sonst meist im Schatten von Fabian Hambüchen stand, erstmals so richtig in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung und räumte eine Ehrung nach der anderen ab. Besonders in Asien avancierte der sonst eher zurückhaltende Sohn einer Deutschen und eines Vietnamesen zum Shootingstar, trat in Fernsehshows auf und bekam lukrative Werbeverträge.
Verletzungen bremsen Nguyen immer wieder aus
Kritiker warfen ihm vor, dadurch den Fokus auf das Wesentliche, den Sport, zu verlieren. Aber Publikumsliebling Nguyen ging seinen Weg und etablierte sich in der Weltspitze. Schwere Verletzungen bremsten ihn allerdings immer wieder aus: Bei der Heim-WM 2019 in Stuttgart fehlte er wegen Schulterproblemen. Seine vierte Olympia-Teilnahme 2021 in Tokio verpasste Nguyen wegen seines zweiten Kreuzbandrisses im rechten Knie. "Alles, was man investiert hatte, war umsonst", sagte Nguyen, "das hat mich am Anfang schon runtergezogen, aber ich kann so was schon relativ schnell abhaken."
Das tat Nguyen auch und kämpfte sich zurück. Als er dann auch noch bei der "EM dahoam" in seiner Geburtsstadt München verletzungsbedingt passen musste, reifte in ihm der Entschluss, doch nicht bis Olympia 2024 weiterzumachen. Neben der Enttäuschung trieben ihn vor allem die täglichen Schmerzen beim Training zu dieser Entscheidung.
Nguyen: "Bin super zufrieden, wie meine Karriere gelaufen ist"
Sein Wunsch, sieben Jahre nach seiner letzten internationalen Medaille noch einmal ein Podium zu besteigen, bleibt Nguyen dadurch verwehrt. "Natürlich wünscht man sich, mit einem Erflogserlebnis aufzuhören", sagte Nguyen, das sei aber leider nicht jedem Sportler vergönnt. "Ich bin trotzdem super zufrieden, wie meine Karriere gelaufen ist."
Mit seiner sympathischen Art, den vielen Glanzmomenten und nicht zuletzt SEINEM Barren-Element, dem "Nguyen", bleibt der Stuttgarter trotz des unglücklichen Abgangs einer der Erfolgreichsten seiner Sportart. Ein Eintrag im Turngeschichtsbuch ist ihm sicher.