Die eine - Carolina Kuhl - ballt euphorisch die Faust. Die andere – Angelina Wirges - schmettert wutentbrannt ihren Schläger gegen die Wand: zwei Emotionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten, und doch gnadenlos die Bandbreite der Gefühle von Tennis-Talenten spiegeln.
Carolina Kuhl, gerade mal 17 Jahre alt, hat soeben nämlich ihr zweites Match in der Qualifikationsrunde gewonnen und steht im Hauptfeld der Ladies-Open in Altenkirchen. Das eröffnet ihr die Chance, wichtige Weltranglistenpunkte zu gewinnen. Ihr Traum-Ziel als Tennisspielerin formuliert sie so selbstbewusst wie klar: "Auf jeden Fall ein Grand-Slam-Titel und in der Weltrangliste so weit wie möglich nach oben kommen!" Angelina Wirges dagegen, 20 Jahre alt, ist am gleichen Tag nur noch ein Häufchen Elend: Sie verliert nach über dreistündigem Fight ihr zweites Qualifikations-Spiel und muss nach Hause fahren. Aus der Traum von einem Coup im Westerwald und damit von einem weiteren Schritt Richtung Profi-Karriere.
Andrea Petkovic will helfen
Was Erfolg bedeutet, weiß Andrea Petkovic nur allzu gut. Die 35-Jährige spielte viele Jahre für das deutsche Fed-Cup-Team und zählte zeitweise zu den Top-Ten der Weltrangliste. In Altenkirchen ist sie "das erste Mal bei einem Turnier als Nicht-Spielerin", wie sie lachend im SWR-Interview formuliert. Ihr Anliegen: die Erfahrung aus 16 Jahren Profitennis weitergeben. "Eine Sache ist mir total wichtig: Talentförderung", bekräftigt Petkovic und beobachtet an der Seite von DTB-Cheftrainerin Barbara Rittner die deutschen Talente. Andrea Petkovic: "Es ist wichtig, gegen die Besten der Welt zu spielen. Dahin gibt es Schritte, die man abarbeiten muss. Und so ein 60 000-Euro-Turnier hier in Altenkirchen ist der perfekte Schritt zwischen ganz unten und ganz oben."
Für die Karriere nach Mannheim umgesiedelt
Der Weg zur Top-Spielerin im Tennis ist steinig. Carlina Kuhl hat extra ihre fränkische Heimat verlassen, um ein Privat-Gymnasium in Mannheim besuchen zu können. „Dort kann ich online am Unterricht teilnehmen“, erzählt die 17-Jährige. „Und so kann ich auf Turnier-Reisen gehen und intensiv trainieren." Mittlerweile hat sich die hochtalentierte Linkshänderin bis ins Porsche-Junior-Team des Deutschen Tennis-Bundes gespielt. Und dass sie ehrgeizig ist, belegen allein diese Worte während der Qualifikation in Altenkirchen: "Natürlich ist mein Ziel, immer zu gewinnen – und dass ich mein Spiel weiter verbessere!"
Tennis als Zuschuss-Geschäft
Angelina Wirges dagegen erlebt im Westerwald das brutale Gefühls-Karussell dieser Sportart: Sieg in der ersten Quali-Runde, Niederlage in der zweiten. Heißt: ausgeschieden. Und: wieder mal Geld draufgelegt. "Ich gebe momentan mehr aus, als ich verdiene, weil ich oft in der zweiten Runde verloren hab", erzählt die 20-Jährige offen. "Und da kommt nicht so viel rein. Und durch die ganzen Flüge und Hotels gibt man schon viel aus." Sie lacht zwar bei diesem Satz, weiß aber nur zu gut, dass der Traum vom Tennis-Profi erstmal ein gnadenloses Zuschuss-Geschäft ist. Ohne die familiäre Unterstützung geht deshalb nichts. Ihre Mutter Catherine Wirges fiebert auf der Tribüne in Altenkirchen mit: "Ich unterstütze Angelina wirklich in allem, was sie macht. Also ich lebe quasi auch mein Leben dafür mit. Ich versuche mitzukommen zu den Turnieren, ich ermögliche ihr das Training, die Fahrten und so weiter. Ich steh da komplett dahinter!"
Auch bei den Ladies-Open müssen die Spielerinnen Anreise, Hotel und Verpflegung selbst finanzieren. Da ist eine frühe Niederlage doppelt schmerzhaft. Angelina Wirges kann ihren Frust nach dem Quali-Aus schon auf dem Platz nicht mehr verbergen – und weint hemmungslos an der Schulter ihrer Mutter.
Rittner: "Hart arbeiten!"
Barbara Rittner kennt das Auf und Ab einer jungen Karriere nur allzu gut. Als ehemalige Berufsspielerin und jetzige Cheftrainerin des DTB sagt sie: "Die jetzige Generation muss zielstrebig werden, Durchhaltevermögen beweisen. Sie werden ihren Weg gehen, wenn sie hart arbeiten." Rittner nutzt das Turnier im Westerwald zur intensiven Talent-Förderung: "Wir haben hier perfekte Bedingungen. Razvan Mihai bietet uns immer an, schon ein paar Tage früher hierher zu kommen."
Gemeint ist der Turnierdirektor, der vor zehn Jahren noch belächelt wurde, als er ein Profi-Tennisturnier in den Westerwald holte. Mittlerweile sind die Ladies-Open schon mal als bestes Event Deutschlands ausgezeichnet worden und ziehen regelmäßig Topspielerinnen und Nachwuchskräfte an. "Die Siegerin bekommt 80 Weltranglistenpunkte, das Gesamt-Preisgeld beträgt 60 000 Dollar", erzählt Mihai voller Stolz. "Und für den Nachwuchs ist das Turnier besonders wichtig: als Sprungbrett zur Weltklasse!"
Und ob es die geballte Faust oder die Tränen an Mamas Schulter sind: Wer weiß, ob die Erfahrung bei den Ladies-Open nicht doch irgendwann dabei hilft, vom Westerwald nach Wimbledon zu kommen.