Ihr lauter Frust-Schrei hallte durch die Zieleinfahrt am Xiaohaituo Mountain. Die deutsche Alpin-Hoffnung Kira Weidle versteckte ihre Enttäuschung über die verpasste Abfahrts-Medaille bei den Olympischen Winterspielen am Dienstag nicht. Statt der erhofften grünen Eins leuchtete auf der Anzeigetafel im Zielraum die rote Vier auf. "Es ist so bitter. Die Enttäuschung ist erstmal groß", sagte die 25-Jährige nach ihrem geplatzten Traum und kämpfte mit den Tränen.
Gerade mal 14 Hundertstelsekunden fehlten beim Sieg der Schweizerin Corinne Suter zur Medaille. Ihr Mittel, um Frust abzubauen? "Der Berg muss heute einfach mal einen Schrei aushalten." Den Olympiasieg in der Königsdisziplin holte sich Weltmeisterin Suter mit 0,16 Sekunden Vorsprung vor der angeschlagenen Speed-Dominatorin Sofia Goggia.
Dabei schienen die Chancen auf einen Podest-Platz für Weidle selten so groß zu sein. Goggia war angeschlagen, Mitfavortin Breezy Johnson aus den USA fehlte verletzungsbedingt. Auch die Form der Deutschen sprach durchaus für sie: erst der zweite Platz zuletzt beim Weltcup in Zauchensee, dann die starken Trainingsleistungen auf der Olympia-Piste. "Aber Training ist Training. Rennen ist Rennen", hatte Weidle noch am Vortag gesagt. Sie sollte Recht behalten.
Schwäbische Wurzeln - bayerisches Zuhause
Die Eltern von Kira Weidle kommen aus dem Raum Stuttgart, sie selbst ist dort geboren. Mit vier Jahren zog die Familie kurz nach Nordrhein-Westfalen, bevor sie sich in Starnberg in Bayern niederließ. Ihr Skilehrer in der dortigen Skischule, Matthias Pohlus, erinnerte sich im Gespräch mit SWR Sport an eine sehr zielstrebige junge Skifahrerin: "Was sie auch auszeichnet war einfach, dass sie sehr früh wusste, wohin sie will und was sie dafür tun muss." Sie habe außerdem schon früh Wichtiges von Unwichtigem trennen können, so der damalige Trainer vom SC Starnberg.
Ihre Weggefährten aus Starnberg beschreiben sie als sehr mutig: Beispielsweise als sie mit elf Jahren und etwa 100 km/h den Hang einer Skisprungschanze auf Skiern runterraste: "Natürlich hatten alle Respekt. Aber Kira ging voran, ist runtergekommen und stand unten und das erste, was sie sagte: 'Wow, das war so krass, das will ich sofort nochmal machen'", so der ehemalige Trainer.
Mentaltraining hat Weidle geholfen
Nach ihrer sensationelle Silbermedaille bei der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr waren die Erwartungen an den Olympia-Winter sehr hoch. Als die Ergebnisse sich dann nicht sofort einstellten, verkrampfte sie - der Kopf. Sie habe "zu knabbern" gehabt, sagte Alpin-Chef Maier. Zudem hatte Weidle Probleme mit der Rolle als deutsche Einzelkämpferin im Speed. Jedes schwächere Ergebnis wiege nun schwerer, sagte sie damals. Damit habe sie lernen müssen, umzugehen. Geholfen habe weiteres Mentaltraining in der Weihnachtspause. In Zauchensee hatte sie endlich wieder "richtig Spaß" am Skifahren. Und der Spaß ist für die 25-Jährige der Schlüssel zum Erfolg - auch ohne Olympia-Medaille.