Sie kann wieder lächeln, Freunde treffen, Tochter, Schwester, Freundin und Studentin sein. Sie muss nicht mehr täglich einem eng getakteten 18-Stunden-Zeitplan folgen, der ihr die Luft zum Atmen abschnürte. Die erfolgreiche Leichtathletin Louisa Grauvogel konnte und wollte am Ende nicht mehr überall perfekt sein.
Ärzte diagnostizierten bei Louisa Grauvogel Burnout
Das Leben zwischen zwei Welten, ihrem Leistungssport und Studium (Biochemie), brachte sie an ihre Grenzen und auf gefährliche Weise darüber hinaus. Bis ihr Körper streikte. Die 27-Jährige wurde krank. Ein Hörsturz folgte. Bis heute sind nur 80 Prozent ihrer Hörfähigkeit zurück. Ärzte diagnostizierten Burnout.
"Irgendwann glaubst du selbst, dass du nur die Zahl bist"
Burnout aber ist im Spitzensport immer noch eines der großen Tabuthemen. Der Zwang, immer zu funktionieren, gehört in der sich rasant drehenden Spitzensportwelt unerbittlich dazu. "Als Sportler wird man eins mit dem Sport, weil wirklich alle Leute in deinem Umfeld sehen, was du für Werte bringst, wie gut oder wie schlecht du bist und irgendwann glaubst du auch selbst, dass du wirklich nur die Zahl bist. Du wirst eins mit dieser Zahl", sagt Grauvogel.
Autounfall nimmt ihr die Chance auf Olympia
Im Oktober 2022 hat sich Louisa Grauvogel für das "normale" Leben entschieden. Sie beendete die Karriere von einem auf den anderen Tag, um eine Chance in der Zukunft zu haben. Grauvogel stand kurz davor, es zu den Olympischen Spielen in Tokio zu schaffen. Aber ein Autounfall bei den Europameisterschaften in Berlin nahm ihr auch diese Chance. Sie machte weiter, versuchte alles und noch mehr.

Louisa Grauvogel: "Ich muss aussteigen"
Sie brach zusammen. Eine Woche lang verbrachte sie weinend auf dem Sofa. Die junge Sportlerin konnte nicht mehr, der Kopf und der Körper sendeten mehr als nur Warnsignale. "Ich muss aussteigen", sagt Louisa Grauvogel und wirkt dabei wie versteinert. Ihr Leben lang hat sie dafür gekämpft, hat diesen Traum gelebt. Der Traum, der am Ende eher ein Alptraum war.
Sie hat sich professionelle Hilfe gesucht
Burnout ist eine Erkrankung, die schleichend kommt, Stück für Stück, bis es kein Zurück mehr zu geben scheint. Louisa Grauvogel hat sich professionelle Hilfe gesucht, spricht offen über das, was ihr passiert ist, hofft, damit auch anderen zu helfen. Sie hat den Mut bewiesen, sich auf ein normales Leben einzulassen, fernab vom Leistungssport, indem andere für sie Entscheidungen trafen.
"Wer bin ich?"
In ihrem "neuen" Leben stellt sie sich jetzt den Fragen "Wer bin ich?" und "Wie überhaupt geht normales Leben?" Jetzt lebt sie einen neuen Traum: den einer Wissenschaftlerin. Ihren Bachelor in Biochemie hat sie in der Tasche, im Mai geht es für die gebürtige Saarländerin (Ottweiler) nach Harvard, um dort ihren Master-Abschluss zu machen. Sie gibt jetzt den Ton an und setzt sich ihre eigenen Ziele.

Sport ist "nur" noch ein Hobby
"Ich bin eine unbeschwerte Person geworden, die sich nicht mehr nur durch Leistung definiert", sagt Grauvogel. Sport ist heute "nur" noch ein Hobby, begleitet von der Notwendigkeit abzutrainieren, um nicht noch mehr gesundheitliche Folgen zu haben. Und um auch dem Körper den Eintritt in die neue Welt zu ermöglichen.