Johannes Vetter bei einem Speerwurfturnier in Zweibrücken (Foto: IMAGO, Beautiful Sports)

Leichtathletik | Speerwerfen

Wie Top-Speerwerfer Johannes Vetter mentale Krisen meistert

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M. Fehr/K. Bakier/dpa

Es läuft nicht rund bei Top-Speerwerfer Johannes Vetter. Im Jahr nach dem großen Olympia-Frust läuft der Spitzenathlet (LG Offenburg) seiner Form hinterher. Wieder einmal muss Vetter durch eine Krise. Wie 2017 rund um seinen großen WM-Triumph.

Johannes Vetter hat zuletzt seine Starts bei zwei internationalen Meetings gestrichen und arbeitet drei Wochen vor den deutschen Meisterschaften in Berlin im Training an seiner Form. "Es ist körperlich und mental anstrengend, denn in der Art und Weise hatten wir das noch nicht", bekannte der 29-Jährige. "Ich hätte gedacht, dass ich es über die ersten Saison-Wettkämpfe besser hinbekomme."

Doch mit seinen 85,64 Metern vom Auftakt beim Heim-Meeting in Offenburg vor zwei Wochen ist Vetter hinter Andreas Hofmann und Julian Weber lediglich auf Rang drei der deutschen Jahresbestenliste. Gewöhnlich führt er diese mit Weiten von weit über 90 Metern an.

Vetter kennt solche Zeiten, in denen er mental an seine Belastungsgrenze gehen muss. 1993 in Dresden geboren, bezeichnet er sich selbst als "Nachwendeprodukt". Seine ganze Familie war sportlich: Die Eltern begeisterten sich für Volleyball, die jüngere Schwester Alexandra ist mittlerweile zum Handball gewechselt. Familie bedeutet für Vetter Geborgenheit. Umso schmerzhafter traf den Spitzensportler die Krebserkrankung seiner Mutter. Vor den Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2017 in London erkrankte sie an einem Gehirntumor. "Sie war immer mein Bezugspunkt", erzählt Vetter im SWR-Interview. "Wir waren kopfmäßig und emotional auf der gleichen Wellenlänge."

Hirn-OP bei der Mutter kurz vor der WM

Umso schwerer für Vetter, dass die Mutter, die ihn während seines Sportlerlebens immer begleitet hatte, ausgerechnet bei seinem großen WM-Triumph in London nicht dabei sein konnte. "Die Karten waren für Mama und Papa schon gekauft. Durch die Krebsdiagnose stand dann direkt die Hirn-OP an. Eine Woche vor meinem Finale wurde Mama bereits operiert. Papa war im Stadion und Mama daheim auf der Couch. Es war ein tolles Gefühl, ihr diesen Titel zu schenken." Tränen liefen dem Weltmeister im Stadion nach seinem Sieg über die Wangen. "Ich denke, dieser Titel hat ihr in dieser schwierigen Zeit etwas Kraft gegeben." 2018 verstarb Vetters Mutter. Ein Porträtfoto hängt heute im Flur seiner Wohnung.

"Will mich nicht hineinsteigern"

Auch der Sommer 2021 wurde zu einer mentalen Herausforderung für den bärenstarken Athleten. Als Weltjahresbester mit 96,29 Metern war Vetter im August auch Favorit auf die olympische Goldmedaille in Tokio, doch mit seinem kraftvollen Wurfstil kam er auf dem zu weichen Boden der Anlaufbahn nicht zurecht. Neunter mit 82,52 Metern statt Olympiasieger lautete am Ende das enttäuschende Resultat. "Ich kann mich da sicherlich hineinsteigern", sagte er dem SWR, "aber das will ich gar nicht. Das würde mir zu viel positive Lebensenergie nehmen."

Aktuell hat der Weltklasse-Athlet der LG Offenburg andere Probleme zu lösen. "Ich habe ein paar technische Probleme und daraus folgen körperliche. Durch kleinere Ausweichbewegungen werden Muskelgruppen, Bänder und Sehnen übermäßig strapaziert. Die Power geht gerade leider nicht in die richtige Richtung - und dann tut es mal hier und da weh." Top-Weiten sind so nicht drin für den deutschen Rekordhalter, der mit seinen 97,76 Metern aus dem Jahr 2020 nur 72 Zentimeter hinter dem Weltrekord des Tschechen Jan Zelezny blieb.

Auf den Körper hören

"In den nächsten zwei Wochen werde ich keine weiteren Wettkämpfe absolvieren. Ich schaue von Tag zu Tag." Wenn es vier Wochen Pause würden, müsse er auch dies in Kauf nehmen, sagte Vetter kürzlich der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Noch bleibt ihm etwas Zeit. Nach den Deutschen Meisterschaften am 25. Juni in Berlin stehen die nächsten sportlichen Höhepunkte an: WM in den USA (15. bis 24. Juli) und die Heim-EM in München (15. bis 21. August). Vetter ist zuversichtlich, dass er seine alte Form wieder erreichen kann. Wie man mit Rückschlägen klar kommt, hat er längst gelernt.

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