Er wird noch ein Pflichtspiel im gelben Trikot der Rhein-Neckar Löwen machen, dann kehrt Juri Knorr, Spielmacher bei den Mannheimern und in der deutschen Nationalmannschaft, der Handball-Bundesliga den Rücken. Ab der kommenden Spielzeit wird der 25-Jährige im Ausland spielen und für den dänischen Topclub Aalborg Handbold auflaufen. Vor seinem Abschied - am 8. Juni steht noch ein Heimspiel für die Löwen an - hat Juri Knorr im Gespräch mit SWR Sport auf seinen bisherigen Karriereverlauf, die besondere Zeit bei den Rhein-Neckar Löwen und das Abenteuer Ausland gesprochen.
SWR Sport: Die wichtigste Frage zuerst, wie geht es Ihnen?
Juri Knorr: Mir geht es gut soweit. Viele Themen, ich will es nicht nur Stress nennen, aber natürlich ist so ein Umzug immer Stress, gerade ins Ausland. Es fallen noch mal mehr Dinge an, die man vorher gar nicht so auf dem Schirm hat. Deshalb ist viel im Kopf, viel, was zu erledigen ist. Auf der anderen Seite will ich auch noch ein bisschen meine Heimat der letzten vier Jahre genießen. Es ist mir bis jetzt gar nicht so gut gelungen, weil einfach viel zu erledigen war. Das ist ein bisschen der Status quo.
Gehen wir zurück zu Ihrem Start bei den Löwen. Mit welcher Erwartung sind Sie hergekommen und warum überhaupt?
Ich bin hierher gekommen, weil ich davon überzeugt war, dass der Verein, die Situation, das Umfeld der beste Ort insgesamt für mich sind, für meine Entwicklung der beste und nächste Schritt. Ich hatte ein gutes Gefühl bei den Gesprächen, insbesondere mit Andy Schmid. Es war so, dass er auch mit mir gesprochen hat und gesagt hat: 'Hey, es wird mein letztes Jahr und ich habe Lust, noch ein paar Dinge weiterzugeben und würde es gerne mit dir machen.' Das war für mich natürlich eine Traumkonstellation, mit einem meiner größten Idole noch eine Saison zu teilen, von ihm viel zu lernen.
Dann hatte ich meine Entscheidung auch relativ schnell getroffen und hatte auch mit der Perspektive, dass er dann auch geht, für mich natürlich auch die Möglichkeit, Spielzeit zu bekommen. Darum war ich überzeugt, wenn ich meine Hausaufgaben mache, weiter an mir arbeite, lernwillig bin, dass meine Chance kommt. Und so ist es gekommen. Ich bin sehr glücklich über die Entscheidung damals und wie alles gelaufen ist und hätte mir keinen besseren Verein oder keine schönere Station vorstellen können in den letzten vier Jahren.
Was hat sich erfüllt in den vier Jahren und was hat sich nicht erfüllt?
Zu sagen, dass ich irgendwie unzufrieden wäre, das wäre ziemlich vermessen. Grundsätzlich bin ich unfassbar dankbar für alles, wie es gelaufen ist. Dass ich größtenteils gesund geblieben bin, keine so großen Verletzungen hatte und dass ich hier einfach meinen Weg gehen konnte. Bezogen auf das große Ganze hätte man sich natürlich mehr Konstanz manchmal gewünscht, dass wir noch bessere Platzierungen erreichen in der Bundesliga. Auf der anderen Seite hatten wir echt richtig coole Erlebnisse in den Pokalwettbewerben, haben da gute Ergebnisse erzielt. Wir waren drei Mal im Final Four des DHB-Pokals, haben einmal wirklich was gewinnen können, was für mich immer noch einer der schönsten Momente in meiner Karriere ist. Ich bin einfach glücklich, wie es gelaufen ist und sehr dankbar. Hätte mir das jemand vorher gesagt, ich hätte es hundertmal genommen und hätte viele Erwartungen übertroffen.
Wie schwer ist es, den Druck von außen auszublenden? Welche Mechanismen haben Sie sich da erarbeitet in der Zeit?
Man sieht ja an manchen Spielen, dass einem das nicht immer gelingt. Auf der anderen Seite bin ich echt zufrieden, wie mir das jetzt über die Jahre immer besser gelungen ist. Einfach bei mir zu bleiben, immer wieder an jedem Spieltag in meinen Fokus zu kommen. Das ist bei jedem unterschiedlich. Mir ist in den letzten Jahren klar geworden, dass ich nicht komplett locker sein kann. Ich brauche eine gewisse Nervosität, ich brauche eine Anspannung. Ich muss den Tag über schon so eine Anspannung fühlen, dass das ein Spieltag ist, sonst kriege ich mich nicht richtig hochgefahren.
Es darf mich auch nicht überkommen, dass ich zu nervös werde und den Moment größer mache, als er eigentlich ist. Ich muss da so ein bisschen eine Balance finden. Das ist mir immer besser gelungen. Natürlich gelingt einem das auch nicht immer, das gehört auch zum Sportlerleben dazu. Aber das Bewusstsein, dass das so ist, ist bei mir mit jedem Jahr mehr Erfahrung besser geworden.
Wenn man nach Mannheim kommt als das damals größte deutsche Handballtalent, das dann in den vier Jahren zum Superstar wird: Wie kann man das greifen als Person? Wie arbeitet man damit?
Erst einmal sehe ich mich persönlich natürlich nicht so. Aber auf der anderen Seite nehme ich natürlich wahr, was passiert ist um meine Person. In Minden war ich ein Talent, teilweise noch roh, mit guten Ansätzen, aber habe in vielen Momenten auch gezeigt, dass noch was fehlt. Das habe ich auch auf die harte Tour erfahren müssen hier, gerade im ersten halben Jahr, als vieles nicht so lief. Was dann im zweiten Jahr entstanden ist um meine Person, war in manchen Momenten krass für Handballverhältnisse. Da musste ich auch lernen, damit umzugehen.
Auf der anderen Seite bin ich auch da dankbar für. Das sind Dinge, die erträumt man sich auch irgendwie als Kind. Und da gehören die positiven wie die negativen Dinge dazu. Da entsteht auch viel Druck, eine hohe Erwartungshaltung. Mittlerweile komme ich in sehr viele Hallen und schaue in sehr viele strahlende Kinderaugen. Das macht mich stolz und ist mit das Größte, was man als Sportler erreichen kann. Das, was man früher selbst als Kind gespürt hat, selber bei den Kindern heute zu sehen, ist schon cool.
Knorr: Aalborg ist einer der größten Verein der Welt
Sie gehen zur neuen Saison nach Aalborg. Was sind die Gründe?
Der erste Grund ist, dass das für mich eine riesige Sache war. Das ist einer der größten Vereine der Welt aktuell. Er war in den letzten Jahren sehr weit vorne in der Champions League, in der dänischen Meisterschaft. Es ist eine Mannschaft gespickt mit Weltklassespielern, mit Idolen von mir. Das ist einfach sportlich eine riesige Herausforderung, auf die ich richtig Bock hatte. Dazu kam dann auch die Möglichkeit, wieder diese neuen Erfahrungen in einem neuen Land zu sammeln, eine neue Sprache zu lernen. Und das gepaart mit wieder in den Norden, ein bisschen näher an meine Familie. Das sind die Hauptpunkte, die da zusammen kamen. Die aktuelle Phase tut natürlich auch ein bisschen weh. Es ist Wehmut dabei und auch eine gewisse Traurigkeit, dass jetzt die vier Jahre vorbei sind bei den Löwen, in Heidelberg - eine wunderschöne Stadt, wo wir eine gute Zeit hatten, die wir sehr genossen haben. Deshalb ist das jetzt alles intensiv, aber trotzdem glaube ich, dass es jetzt richtig ist und auch der richtige Moment.
Ich bin weit weg davon, perfekt zu sein. Es gibt so viele Dinge, die ich noch lernen möchte.
Wie haben Sie sich in den vier Jahren sportlich und menschlich entwickelt?
Für mich läuft es immer darauf hinaus, dass man einfach älter wird. Dementsprechend sammelt man auch mehr Erfahrungen und lernt Dinge. Man lernt mehr über das Leben. Manche Sachen begegnen einem häufiger und man lernt damit umzugehen. So geht es mir im sportlichen Bereich. Ich bin vielleicht nicht mehr ganz so verkrampft und verbissen. Ich kann die Dinge ein bisschen lockerer sehen mittlerweile. Diesen Hunger werde ich aber auch nie verlieren. Da ist einfach eine bessere Balance entstanden.
Das Gleiche gilt auch für mich als Mensch ohne den Handballsport. Wobei das alles eng verflochten ist. Ich bin weit weg davon, perfekt zu sein. Es gibt so viele Dinge, die ich noch lernen möchte. Ob es auf der Platte ist, der Umgang mit den Schiedsrichtern, der Umgang mit meinen Mitspielern teilweise. Da sind viele Dinge, gerade wenn es emotional wird, auf die ich in ruhigen Momenten rückblickend nicht stolz bin. Ich frage mich, warum ich das noch nicht kanalisiert kriege, warum ich da nicht entspannter bleibe. Jeder Mensch muss wahrscheinlich akzeptieren, wie er ist und was für einen Charakter er hat. Ich probiere weiterzulernen, zu reifen und peu à peu noch ein besserer Mensch zu werden.
Wie wird der Abschied von den Löwen im Heimspiel gegen die Füchse (8. Juni) sein?
Das kann ich mir noch nicht so wirklich vorstellen. Es ist schwierig, damit richtig umzugehen. Für mich ist es aktuell noch so ein Prozess des Abschiednehmens. Aus der Wohnung ausziehen, alle Sachen regeln für den Umzug, sich verabschieden von den Menschen. Aber so richtig realisieren tut man das nicht, bis es dann wirklich soweit ist und man wahrscheinlich im Auto sitzt und Richtung Norden fährt. Man ist noch so drin in der Saison. Man möchte möglichst gut spielen. Wir wollen die Spiele gewinnen, ich möchte alles dafür geben. Deshalb ist dafür wenig Zeit.

Man ist in diesem Prozess, dass man sich um alles kümmert und ist auch froh, wenn man Dinge erledigt. Aber mit jedem Erledigen ist man einen Schritt näher am Tschüss sagen. Ich bin generell ein Mensch, der manchmal zu sehr in der Vergangenheit hängt. Ich bin auch froh, dass ich diese Eigenschaft habe, weil ich dadurch manche Dinge sehr wertschätzen kann und mir Zeit nehme dafür, die Dinge auch zu reflektieren. Da ist dann immer auch ein bisschen Melancholie dabei, deshalb tut es mehr weh.
Aber genau weiß ich nicht, wie es dann sein wird. Ich habe aktuell das Gefühl, dass ich alles reinhauen möchte an diesem letzten Spieltag gegen Berlin. Ich möchte hier nochmal das erleben, was ich sehr häufig hier erlebt habe vor einer vollen Halle, und das genießen. Und dann werde ich vielleicht in den Tagen oder Wochen danach im Urlaub so ein bisschen realisieren, dass es jetzt wirklich vorbei ist und was Neues beginnt.