Im Herbst ist Holger Gremmers 200 Kilometer durch die Vogesen gelaufen, den "L'Infernal Trail des Vosges", bergauf und bergab, 10.000 Höhenmeter, kaum Pausen, zwischendurch hat er halluziniert, Dinge gesehen, die gar nicht da waren, er hatte Schmerzen. Ins Ziel kam er nach 43 Stunden. Doch das war nicht sein schwierigster Weg.
Der dauerte mehr als ein Vierteljahrhundert. Er begann mit einem Joint, führte über LSD, Amphetamine, Speed und Koks zu Heroin und endete mit einer Klospülung. Auf diesem Weg fand er Freunde, die keine waren und musste ins Gefängnis, zwei Mal.
Gremmers: "Ich bin immer auf der Suche"
Wenn Gremmers, heute 53 Jahre alt, über seine Geschichte spricht, fällt immer wieder ein Satz: "In Sucht steckt ja schon das Wort Suche. Ich bin immer auf der Suche." Das war früher so, als er immer härtere Drogen nahm, das ist heute so, wenn er immer weitere Strecken läuft. Inzwischen hat er aber gelernt, auf seinen Körper zu achten. "Ich weiß, dass ich im Jahr nicht zehn Zweihundert-Kilometer-Läufe machen kann. Ich höre auch in meinen Körper rein."

Früher war Gremmers nicht besonders sportlich. Wenn überhaupt schaute er Sport im Fernsehen, wenn er auf Drogen war und nachts wieder lange wach blieb. "Ich habe mich hängenlassen durch die Drogen." Um seine Sucht zu finanzieren, hat er auch gedealt, deshalb die Gefängnisstrafen.
Die Drogen einfach heruntergespült
Gremmers altes Leben endete, als er 2010 in die forensische Psychiatrie kam und dort eine Therapie begann. Zwar besorgte er sich auch dort Drogen, doch dann befreite er sich. "Ich habe die Drogen in mein Zimmer genommen, habe sie versteckt in einer Klorolle und dann habe ich es aber irgendwann nicht mehr ausgehalten, habe sie runter gespült und da war es dann klar, es ist beendet."
In dieser Zeit begann er mit dem Laufen. Ein Freizeitpädagoge brachte ihn auf die Idee. Erst fünf Kilometer, später immer weitere Strecken. "Ich habe ein tolles Gefühl, wenn ich laufe. Mein Kopf ist frei, es bläst alles durch. Das ist vielleicht das neue Leben."
Gremmers hatte Unterstützung
Auf seinem Weg hatte der Mannheimer Hilfe. Sein Arbeitgeber, die Druckerei Schwörer in Mannheim, hat zu ihm gehalten, trotz Sucht und Haftstrafe. Begleitet hat ihn auch der Drogenverein Mannheim e.V., eine anerkannte Beratungsstelle mit Schwerpunkt für Konsumenten illegaler Drogen und deren Angehörige. Sozialarbeiter Philip Gerber, mittlerweile Geschäftsführer Inhalte und Innovation, hat sich damals um ihn gekümmert. "Das Wichtige ist, dass Vertrauen entstanden ist", sagt Gerber. "Davor konnte ich mit niemandem darüber reden", sagt Gremmers. Noch heute tauschen sich die beiden einmal im Jahr aus.
Er gibt seine Leidenschaft weiter
Holger Gremmers ist dankbar und möchte etwas zurückgeben. Die Druckerei und den Drogenverein trägt er auf seinem Trikot. Er ist in mehreren Laufgruppen, führt als Guide Touren, um seine Leidenschaft für Trail Running zu teilen und auch Einsteigern Tipps zu geben. Die Menschen, die mit ihm laufen, kennen seine Geschichte. Sie sagen: "Ich war da schon überrascht, aber auch vollkommen begeistert, dass das möglich ist, nach 25 Jahren auszusteigen. Und dann so zu laufen." Und: "Was ich bei ihm ganz besonders finde, ist auch, wie er sich jetzt für andere einsetzt und engagiert."

Bald möchte Holger Gremmers einen Spendenlauf organisieren und das Geld dem Drogenverein zugutekommen lassen. Außerdem möchte er in Schulen gehen, Kinder und Jugendliche über Drogen aufklären und Spaß am Sport vermitteln. Gremmers sagt: "Auf jeden Fall bin ich ein anderer Mensch geworden. Auf jeden Fall."
Er ist immer noch unterwegs auf extremen Wegen. Aber heute kann er sie auch genießen.