Künstliche Intelligenz kommt im Fußball immer öfter zum Einsatz. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, picture alliancedpa / XinHua Yue Yuewei)

KI im Profisport

Künstliche Intelligenz im Sport: Chance oder Risiko?

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AUTOR/IN
Marcel Fehr

Künstliche Intelligenz (KI) wird im Sport immer wichtiger: Sie sagt Leistungen voraus, entdeckt Talente und kann Verletzungen vermeiden. Wird sie bald schon Trainer ersetzen?

Dort, wo es viele Daten gibt, fühlt sich die Künstliche Intelligenz (KI) wohl. Je mehr, desto besser. Wenn sie genügend Futter bekommt, kann sie Erstaunliches leisten: Leistungen vorhersagen, Fehler in der Körperhaltung erkennen oder Bewegungen haargenau analysieren. Im Sport bieten sich durch den Einsatz von KI ungeahnte Möglichkeiten.

Doch nicht alle in der Szene teilen ihren Wissensstand mit. Deshalb ist die Frage, wie KI im Sport bereits eingesetzt wird, nicht so leicht zu beantworten. "Künstliche Intelligenz kann helfen, Daten zu strukturieren, Auffälligkeiten zu zeigen und die Datenmenge so zu reduzieren, dass Menschen besser damit umgehen können", erklärt Carlo Dindorf, Sportwissenschaftler an der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau. Doch was bedeutet das konkret?

Wo wird KI schon eingesetzt?

Künstliche Intelligenz ist bereits in der Lage, die Fitness von Athleten vorherzusagen. In der Leistungsdiagnostik werden Unmengen an Daten gesammelt, mit der man die KI füttern kann: Trainingsdaten, Puls, Sauerstoff und Blutwerte. Das hat man sich an der TU Kaiserslautern zu Nutze gemacht: Mit der Zeit lernt die KI, die Ergebnisse der Leistungsdiagnostik vorherzusagen. Ziemlich praktisch, denn die Sportuntersuchungen sind aufwendig und teuer. Dank der KI müssen sich die Sportler dann nicht mehr im Labor quälen und wissen jederzeit, wie es um ihre Leistung bestellt ist.

In der Leistungsdiagnostik kann eine KI die Ergebnisse anhand von Trainingsdaten vorhersagen. (Foto: SWR)
In der Leistungsdiagnostik kann eine KI die Ergebnisse anhand von Trainingsdaten vorhersagen.

In kleinerer Form ist so etwas längst Sportalltag. Fitnesstracker mit Informationen zu Belastungs- und Ermüdungsreaktionen sind Standard. Beim deutschen Radrennteam Bora-Hansgrohe arbeiten bereits sechs Menschen an der täglichen Verarbeitung der Unmengen an Daten zu Wattzahl, Puls und vielem mehr. In der Formel-1 beeinflusst die Datenauswertung schon viele Jahre die Rennstrategie, der Einsatz von KI über Softwarefirmen wird auch hier intensiviert.

Bei der Analyse von Fehlstellungen kann KI Ergebnisse liefern, bei denen ein Arzt kaum mithalten kann. Mit einem Scanner wird ein 3-D-Avatar der Athleten erstellt, der dann digital untersucht wird. Die Ergebnisse und Muster, die von der Künstlichen Intelligenz erkannt werden, können Trainer und Therapeuten nutzen, um Verletzungen zu vermeiden und die Leistung zu steigern.

KI wertet Körerhaltung aus. (Foto: SWR)
Ein 3D-Scanner wertet mithilfe von KI den Körper eines Sportlers aus.

Scouting im Profifußball

Durch das digitale Scouting ist Werder Bremen auf Torwart Jiri Pavlenka aufmerksam geworden. Auch der FC Bayern München nutzt die Möglichkeiten der KI bei der Transferplanung.

Im Profifußball gibt es trotz erster Erfolge bei vielen Vereinen noch Berührungsängste mit künstlicher Intelligenz. Trotz der Nähe zur Technischen Universität, hat sich der 1. FC Kaiserslautern, laut Geschäftsführer Thomas Hengen damit noch nicht beschäftigt. Auch Mainz-Coach Bo Svensson hat vom Einsatz Künstlicher Intelligenz im Fußballgeschäft noch nichts gehört. Freiburgs Trainer Christian Streich macht das Thema Angst: "Wenn man es nur für die positiven Dinge einsetzen würde, wäre es ein Fortschritt für die Menschheit. Aber die negativen Faktoren sind nicht absehbar, es könnte die Menschen aushöhlen."

Was ist in Zukunft möglich?

Ein aktuelles Forschungsfeld der Technischen Universität Kaiserslautern-Landau: Die Bewegungsanalyse. In einer Virtual-Reality-Umgebung werden die Sportler bei ihren Übungen beobachtet: Die Künstliche Intelligenz findet heraus, wo sich Fehler einschleichen und was man besser machen könnte.

Künstliche Intelligenz (KI) wird im Sport immer wichtiger. (Foto: SWR)
Künstliche Intelligenz (KI) wird im Sport immer wichtiger.

Damit wäre es möglich, die eigenen Bewegungen nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit denen anderer Athleten zu vergleichen. Das bietet ungeahntes Potenzial: Man könnte ihm Training von den Besten der Welt lernen, sich ihre Bewegungen aneignen und herausfinden, wo und warum man im Vergleich zur Weltspitze noch hinterherhinkt. Außerdem könnte die KI in der Bewegung erkennen, dass sich eine Verletzung anbahnt, die man frühzeitig abwenden kann. All das wird mittelfristig möglich sein, erklärt der Sportwissenschaftler Carlo Dindorf.

Ähnlich sieht es das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) in Leipzig, wo KI inzwischen vor allem in der Biomechanik eingesetzt wird. "KI ist in unserem Bereich kein Risiko, sondern die Chance, in kürzerer Zeit mehr Daten zu generieren", erklärt Björn Mäurer, wissenschaftlicher IAT-Mitarbeiter Sportinformatik. Im IAT wird der Bewegungsablauf des Athleten an der Skisprungschanze oder im Diskusring gefilmt, die Aufnahmen anschließend mit einer Software ausgewertet und der Sportler mit KI-gestützten Erfassungssystemen begleitet. Im internationalen Vergleich stehe man diesbezüglich "gut da", meinte Mäurer, "aber China dürfte weiter sein".

Im Profifußball will die Firma Plaier das Spielerscouting mittels eigens entwickelter KI auf eine neue Stufe heben. Dabei kommt eine Echtzeitanalyse des Spielsystems und Kaders zum Einsatz. Die Ergebnisse werden mit Daten zu über 100.000 Spielern verknüpft, die im System erfasst sind und gemäß ihren Fähigkeiten in Relation zum suchenden Verein gewichtet werden. Bei diesem systematischen Vorgehen lernt die KI aus historischen Daten und Prognosen. Mitgründer Jan Wendt stellt den Kunden eine 90-prozentige Treffer-Wahrscheinlichkeit bei Transfers in Aussicht: "Wir sagen nicht: Das könnte sein. Sondern wir sagen: Das ist so und wird in den nächsten sechs Jahren so aussehen."

Ex-Schalke Trainer Manuel Baum hingegen arbeitet an einem KI-Assistenz-Coach, der die Trainer während eines Fußballspiels unterstützen soll. Durch die Live-Analyse von Spieldaten soll die KI Hinweise auf mögliche Einwechslungen und taktische Anpassungen geben. Auch die Ansprache in der Halbzeitpause könnte von der KI mitbestimmt werden.

KI-Support im Trampolinturnen

Am Bundesstützpunkt Trampolinspringen in Bad Kreuznach werden seit zwei Jahren fleißig Daten gesammelt und in eine KI eingespeist. Die könnte schon bald die Kampfrichter und Trainer unterstützen. Denn Trampolinsprünge sind hochkomplex, die schnellen Abfolgen von Salti und Schrauben sind mit dem bloßen Auge oft nicht erkennbar. Die KI lernt dort mithilfe eines Sensors, den die Athleten am Körper tragen, Sprünge zu erkennen und zu analysieren.

Die KI könnte die Kampfrichter bei Wettkämpfen unterstützen, den Schwierigkeitsgrad einer Übung festzulegen. Auch die Coaches würden profitieren: Durch detailgenaue Analysen könnzten sie im Training gezielt an Schwachstellen arbeiten. Noch ist die KI im Trampolinspringen nicht im Einsatz. Das Forschungsteam schätzt aber, dass es in ein bis zwei Jahren so weit sein könnte.

Kann KI den Menschen ersetzen?

Die Wissenschaftler sind sich weitgehend einig. Die KI ist weit davon entfernt, den Menschen ersetzen zu können. Obwohl sie in Teilen schneller, besser und verlässlicher arbeitet, sei es kaum möglich, so viele Daten zu erfassen, dass sie an die Einschätzungen eines Sportbetreuers herankommen. Sollte dies irgendwann der Fall sein, stellt sich für den Sport eine ganz neue Frage: Wer trägt überhaupt die Verantwortung für Entscheidungen, die von einer KI getroffen wurden?

Auch die meisten betroffenen Sportler können sich einen reinen KI-Trainer nicht vorstellen. Die Junioren-Weltmeisterin im Trampolinturnen Aileen Rösler möchte im Training eine persönliche Ansprache: " Die KI kann hilfreich sein, um Sprünge auszuwerten aber die persönliche Komponente, die Ansprache von einem Trainer, kann keine KI ersetzen." Auch die Bahnradfahrerin Jule Märkl, die in Kaiserslautern auf die KI-gestützt Leistungsdiagnostik setzt weiß: "Wenn ich mich nicht gut fühle, kann mir die die Künstliche Intelligenz sagen, was sie will, dann fühle ich mich trotzdem nicht gut."

Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz im Sport ist riesig. Die Art und Weise, wie sie zum Einsatz kommt, scheint in vielen Bereichen noch offen zu sein. Fakt ist: Der Sport wird mit der KI in die Zukunft gehen.

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Marcel Fehr