VfB-Trainer Michael Wimmer jubelt (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Fußball | Bundesliga

VfB Stuttgart feiert ersten Saisonsieg - Wimmer dankt Matarazzo

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Johannes Holbein

Am Ende einer chaotischen Woche hat der VfB Stuttgart mit Interimstrainer Michael Wimmer bewiesen: Er kann doch noch gewinnen. Der Sieg gegen Bochum war ein "Brust- und Kopflöser".

Es war ein unwirkliches Bild, als die Stuttgarter Spieler, allen voran Torschütze Naouirou Ahamada, um 15:52 Uhr in die Kurve stürmten, um sich von jubelnden Fans feiern zu lassen. 22 Minuten waren da gespielt und der VfB hatte soeben das 2:0 erzielt. Derselbe VfB, der bis dahin eher durch frühe Gegentore als eigene Treffer auf sich aufmerksam gemacht, der kein Saisonspiel in der Bundesliga gewonnen hatte, der im Jahr 2022 überhaupt erst drei Mal siegreich war. Ungläubig schauten also einige in der Mercedes-Benz Arena drein: Sollte der VfB tatsächlich noch gewinnen können?

Um 17:25 Uhr war dann auch der letzte Zweifler überzeugt: Ja, der VfB Stuttgart kann noch gewinnen. 4:1 (2:1) schlugen die Schwaben den Tabellenletzten VfL Bochum und verließen dadurch die Abstiegsränge. "Es fällt ein Stein vom Herzen, es ist ein richtiger Brust- und Kopflöser", sagte VfB-Sportdirektor Sven Mislintat nach dem Spiel. Interimstrainer Michael Wimmer, 42, bedankte sich auch bei dem am Montag freigestellten Cheftrainer Pellegrino Matarazzo: "Wir haben nicht krampfhaft etwas verändert. Es ging darum, Köpfe freizukriegen. Da gehört ein ganz großer Anteil, 70 Prozent, dem Rino (Pellegrino Matarazzo, Anm. d. Red.). Von daher in die Richtung: Danke!" Wimmer hatte unter Matarazzo als Co-Trainer gearbeitet.

Chaotische Woche beim VfB Stuttgart

Für alle, die es mit dem VfB halten, war der Sieg gegen Bochum die beste Nachricht in einer turbulenten Woche. Eine Woche, die Fans an frühere Zeiten erinnerte, in denen die Abkürzung 'VfB' quasi als Synonym galt für Unruhe und Chaos. Eine Woche, von der sie nicht geglaubt hätten, dass sie sie in der Amtszeit von Sven Mislintat erleben müssten.

Zu Beginn dieser Woche, am Montag, verkündete der VfB, dass Matarazzo nicht länger Trainer ist. Mehr als 1.000 Tage war er im Amt, 100 Spiele hat er das Team gecoacht. In der Stuttgarter Medienlandschaft folgten wilde Spekulationen um einen Nachfolger: Domenico Tedesco, Zsolt Löw, Dino Toppmöller, Sebastian Hoeneß - sie alle sollen dem VfB abgesagt haben. Auch, so war berichtet worden, weil sich Vorstandsvorsitzender Alexander Wehrle und Sven Mislintat nicht einig darüber gewesen seien, wie das Anforderungsprofil für einen neuen Trainer auszusehen habe. Unmittelbar vor dem Duell mit Bochum sagte Wehrle bei Sky Sport, dass es zwei Kandidaten gebe, mit denen jetzt Gespräche geführt würden. Er und Mislintat seien von beiden überzeugt.

Mislintat lobt Wimmer: "Effekt hat geholfen"

Michael Wimmer, der die Mannschaft so lange trainieren wird, bis ein neuer Trainer gefunden ist, musste gegen Bochum Serhou Guirassy (Gelb-Rot-Sperre) und Atakan Karazor (Gelb-Sperre) ersetzen. Er gab Luca Pfeiffer und Enzo Millot die Chance und setzte außerdem auf Borna Sosa für Hiroki Ito. Wimmer entschied sich also für einen offensiveren Ansatz und wurde belohnt: Das Team trat frisch, wach und selbstbewusst auf, zumindest am Anfang und Ende der Partie. "Es ist auch die Handschrift von Rino in dieser Mannschaft gewesen, die gewonnen hat. Aber es gibt auch einen Effekt, wenn man einen Wechsel macht auf kleineren Stellschrauben. Eine etwas andere Ansprache, Köpfe freikriegen, auch ein, zwei, drei Konkurrenzkämpfe neu ausschreiben", sagte Mislintat. Kurz nach Abpfiff hatte er Wimmer innig umarmt und sich bei ihm bedankt. "Er hat eine top Emotionalisierung vor dem Spiel und auch in der Halbzeitpause gehabt, hat die Jungs wachgerüttelt, hat ihnen Selbstbewusstsein gegeben."

Silas wirbelt wieder und der VfB ist auf einmal effizient

Selbstbewusstsein, das sich insbesondere im Torabschluss zeigte. Der VfB, der zuletzt viele Chancen vergeben hatte, nutzte gegen Bochum seine Gelegenheiten. Silas traf in der 3. Minute per Foulelfmeter, den er sich mit einem sehenswerten Dribbling selbst erarbeitet hatte. Ahamada (Vorlage Silas) erhöhte mit einem Schuss ins lange Eck (22.). Und gerade in der zweiten Hälfte, in der der VfB unter Druck geriet, blieb die Mannschaft vor dem Tor ruhig. Silas (64.), der anders als zuletzt frisch und mutig aufspielte und so zum Matchwinner wurde, und Kapitän Wataru Endo (71.) entschieden mit ihren Toren das Spiel. "Das war sehr wichtig für die ganze Mannschaft, für den Klub und für mich", sagte Silas. Ob es das schönste Saisonspiel für ihn gewesen sei? "Oui, oui."

Defensive des VfB nicht immer stabil

Und dennoch war nicht alles gut. "Nach dem 2:0 hatte ich das Gefühl, die Mannschaft wurde passiver", kritisierte Wimmer. Beim Bochumer Anschlusstreffer von Simon Zoller (29. Minute) agierte Torhüter Florian Müller unglücklich. Er hatte versucht, eine Flanke mit dem Fuß zu klären, konnte die Richtung des Balles aber nicht entscheidend verändern, sodass Zoller nur einschieben musste. Der VfB musste zum 27. Mal in Folge in einem Heimspiel einen Gegentreffer hinnehmen. Das ist Bundesliga-Rekord. Nach einer guten Stunde waren sich Verteidiger Waldemar Anton und Müller nicht einig, wer den Ball klären sollte, und so hatten die Bochumer durch Holtmann die große Möglichkeit zum Ausgleich, die Müller allerdings vereitelte.

Zudem mussten Ahamada und Konstantinos Mavropanos verletzt ausgewechselt werden. Mavropanos war mit einem Bochumer zusammengeprallt. "Es war eine sehr große Beule, aber er wirkte sehr, sehr klar. Von daher hoffen wir, dass es beim Schock bleibt", sagte Mislintat.

Bekommt Wimmer noch das Pokalspiel gegen Bielefeld?

Was bleibt, ist der erste Saisonsieg und die Frage, ob Wimmer beim Pokalspiel gegen Bielefeld (Mittwoch, 20:45 Uhr) noch Cheftrainer ist. "Michi ist da mit Herz und Seele. Und wenn er ein weiteres Spiel machen darf, macht er das. Und wenn er noch eins macht, macht er das", sagte Mislintat. Jetzt gehe es ihm, Wehrle, Sami Khedira (Berater von Wehrle) und Markus Rüdt (Sport­organisationsdirektor) darum, in aller Ruhe einen neuen Trainer auszusuchen. Zu den Berichten, dass sein Verhältnis mit Wehrle gestört sei, sagte er: "So heiß, wie das da draußen alles gekocht wird gerade, was es hier gibt, Fronten zwischen Alex und mir, alles mal vergessen."

Von all den Kandidaten, die medial gehandelt wurden, sei nur einer auf der "Shortlist" des VfB gewesen. Jetzt habe man zwei "richtig, richtig gute Jungs" im Kopf. Beide hätten "richtig Bock" auf einen "Power-Klub" wie den VfB und eine junge Mannschaft, die "richtig Potenzial" habe. Und beide würden auch dann zum VfB kommen, wenn nicht klar sei, wie es mit Mislintat weitergehe. "Völlig unabhängig davon, ob ich meinen Vertrag relativ schnell verlängere oder spät verlängere oder vielleicht auch niemals verlängere, was nicht mein Ziel ist und auch Alex (Alexander Wehrle, Anm. d. Red.) ganz klar gesagt hat, dass es nicht sein Ziel ist."

Und unabhängig davon wird auch Michael Wimmer Teil des Trainerteams bleiben. Und womöglich geht er in die Geschichte des VfB sogar als einer der Cheftrainer mit der besten Bilanz ein: ein Spiel, ein Sieg. Das ist davor nur Olaf Janßen gelungen. Wimmer sagte dazu nur lachend: "Besser geht's nicht."

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Johannes Holbein

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