Heimspiel des VfB Stuttgart. "Mit der Nummer 24 Borna…", schallt die Stimme von Stadionsprecher Holger Laser durch die Arena. "Sosa", rufen die Fans, ebenso laut. Gänsehaut. Auch bei Iris Rommel, die auf die Videowand unter dem Stadiondach schaut. Dort gebärden Borna Sosa und die anderen VfB Spieler ihre Namen. "Als ich die Videos zum ersten Mal im Stadion gesehen habe, war ich richtig stolz", erinnert sich Iris Rommel. Die 37-Jährige ist VfB-Mitglied, gehörlos und hat den VfB-Spielern ihren Gebärdennamen gegeben.
"In der Bundesliga habe ich noch nie gesehen, dass Spieler selbst ihren Namen gebärden", erzählt Iris Rommel. Bei einem Treffen mit dem VfB Stuttgart schlug sie die Aktion vor. In der Sommerpause setzten die Schwaben Rommels Idee um. "Bei uns Gehörlosen ist es normal, dass man sich mit seiner Namensgebärde vorstellt", erklärt Rommel. "Deshalb finde ich es so toll, dass die Namen nicht von einer*einem Dolmetscher*in gezeigt werden, sondern die Spieler ihren Namen selbst gebärden."

Gebärdentaufe für VfB-Spieler
Die circa 30 gehörlosen VfB-Mitglieder um Iris Rommel haben alle Hände voll zu tun: Für jeden Neuzugang müssen sie eine Gebärde finden. "In der Gebärdensprachgemeinschaft sucht man sich seinen Gebärdennamen nicht selbst aus. Eigentlich ist es wie bei einem Baby: Das gibt sich auch nicht selbst den Namen, sondern bekommt ihn." Auf der Suche nach einer passenden Gebärde achtet Iris Rommel auf besondere Merkmale im Aussehen und Charakter der Spieler, die in Gebärde einfließen.
"Es ist das erste Mal, dass in der Bundesliga Spieler ihren Namen selbst gebärden."
Am diesjährigen Medientag des VfB brachte Iris Rommel jedem Spieler seinen Gebärdennamen bei. "Ein paar Spieler waren zunächst irritiert. Ich habe dann erklärt, warum und wie man das macht", erinnert sie sich. "Viele waren sehr interessiert und haben nachgefragt, ob sie alles richtig machen."
Inklusion beim VfB schon länger ein Thema
In den letzten Jahren ging der VfB einige Schritte in Richtung Barrierefreiheit für gehörlose Menschen: In einem Fanblock für taube Menschen, können sich Gehörlose in Gebärden über das Spielgeschehen ausgetauschen. Bei Mitgliederversammlungen werden die Wortbeiträge in die deutsche Gebärdensprache übersetzt. Mit den neuen Videos baut der VfB weitere Barrieren ab und schafft Sichtbarkeit. "Das ist ein absolutes Vorbild für andere Vereine", findet Iris Rommel. "Auch meine hörenden Arbeitskolleg*innen finden es super, dass sich der VfB so für Inklusion einsetzt."
Beim FC Bayern München können gehörlose Fans per App Untertitel zu Stadiondurchsagen abrufen, der SV Darmstadt zeigt eine Verdolmetschung der Vereinshymne und im Millerntor-Stadion flimmern Videos über die Leinwand, die die Spieler beim gebärden ihres Namen zeigen.
Verbesserungspotential habe der VfB noch auf Social Media, dort würden Untertitel Videos und Interviews barrierefrei machen. Auch das Stadion habe noch Barrieren, bemängelt Iris Rommel. Dort müsse das Notsignal angepasst werden, damit es für Gehörlose wahrnehmbar ist.
Durch die begrenzte Zuschauerzahl veränderte sich das Stadionerlebnis für gehörlose Menschen. "Es fehlt die Vibration der Bässe, die wir wahrnehmen. Wenn das Stadion ausverkauft ist, dann ist das ein ganz anderes Feeling", meint Iris Rommel. Beim nächsten Heimspiel kann die Cannstatter Kurve wieder voll besetzt sein. Der Anblick ein paar Meter darüber wird Iris Rommel ebenfalls gefallen. Denn auf der dort befestigten Videoleinwand werden Sosa, Marmoush und Co wieder ihren Namen gebärden.