Enttäuschte Spieler des VfB Stuttgart nach dem 1:2 gegen Schalke 04.  (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)

Fußball | Meinung

Der VfB Stuttgart lernt einfach nicht dazu

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Johannes Holbein

Mal wieder hat der VfB Stuttgart nach einem Erfolgserlebnis einen enttäuschenden Auftritt gezeigt. Erklärungen haben die Verantwortlichen dafür keine. Das Team lernt nicht dazu, meint Sportredakteur Johannes Holbein.

Fabian Wohlgemuth, der Sportdirektor des VfB Stuttgart, hat nach der 1:2-Niederlage gegen Schalke einen beunruhigenden Satz geäußert: "Wir haben offensichtlich nicht mit der Entschlossenheit der Schalker gerechnet." Ein Satz, der die Frage aufwirft, mit was der VfB Stuttgart stattdessen gerechnet hat. Mit einem Tabellenletzten, der sich willenlos ergibt?

"Willenlosigkeit" und "fehlende Bereitschaft"

Nun ist fairerweise zu ergänzen, dass Wohlgemuth seine Aussage am Sonntagmorgen relativiert hat: "Die Aussagen nach dem Spiel mit den Emotionen sind interpretierfähig. Wir waren gut vorbereitet, haben uns gut vorbereitet gefühlt."

Trainer Bruno Labbadia hatte auf der Pressekonferenz direkt widersprochen. Er habe gewusst, was auf die Mannschaft zukomme. Unabhängig davon, ob Wohlgemuth falsch interpretiert wurde oder er nicht den Eindruck von Uneinigkeit mit Labbadia aufkommen lassen wollte: Wer den VfB Stuttgart in den ersten 45 Minuten auf Schalke gesehen hat, der musste zu der Erkenntnis gelangen, dass ihm neben vielen anderen Dingen auch der Einsatz fehlte, dass die Spieler vielleicht nicht überrascht, aber zumindest überfordert waren mit der Entschlossenheit der Schalker.

Labbadia beispielsweise kritisierte die "Willenlosigkeit" seines Teams beim Anlaufverhalten. Wohlgemuth sprach von "fehlender Bereitschaft" und einer "Totmann-Stellung" der Spieler.

Der VfB ist in Erklärungsnot

Ohne Haltung aufzutreten in einer Partie, deren Bedeutung jedem bekannt gewesen sein musste, das ist unprofessionell, fahrlässig und ein Schlag für die Fans, die den Klub seit Jahren aufopferungsvoll unterstützen und auch auf Schalke anzutreiben versucht hatten.

Eine Erklärung hatten die Verantwortlichen des VfB dafür bisher nicht. "Wenn es dafür eine so simple Erklärung geben würde, wäre es ja fast zu einfach", sagte Wohlgemuth. "Das war nicht zu erwarten", sagte Labbadia. Schließlich hätten die Spieler mit dem 3:0 gegen Köln ein Erfolgserlebnis gehabt, hätten "sehr, sehr gut" trainiert.

Jetzt, wie Wohlgemuth und Labbadia das getan haben, darauf zu verweisen, dass die Mannschaft "jung" und deshalb "beeindruckt" vom Spiel auf Schalke gewesen sei, wirkt vorgeschoben. Schließlich hat sie mit Endo, Haraguchi, Sosa, Mavropanos, Karazor, Anton genug Erfahrung. Auch über die spielerische Qualität muss nicht diskutiert werden. Schalke 04 ist dem VfB in dieser Hinsicht nicht überlegen.

Der VfB ist nicht konstant

Definitiv aber hat die Mannschaft ein Problem dazuzulernen. Dass sie nach Siegen, die Mut geben müssten, erschreckende "Leistungen" zeigt, ist ein Muster, das sich durch die Saison zieht - und auch durch vergangene Spielzeiten. Nach dem 4:1 gegen Bochum schenkte der VfB in Dortmund ab und verlor 0:5. Ähnlich enttäuschend waren die Auftritte gegen Leverkusen (0:2) und Gladbach (1:3), denen Siege vorausgegangen waren (2:1 gegen Augsburg und 2:1 gegen Hertha).

Damals war Michael Wimmer Trainer. Auch damals hieß es, dass die Trainingswochen gut gewesen seien. Auch damals war davon während der 90 Minuten wenig zu sehen. Das letzte Mal, dass der VfB zwei Mal in Folge gewonnen hat, war am 15. Mai 2021 (2:1 gegen Gladbach, zuvor 2:1 gegen Augsburg).

Am Ende, das weiß nicht nur der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle, zählen die Ergebnisse. Sieben Bundesliga-Spiele hat der VfB Stuttgart unter Bruno Labbadia gemacht. Fünf Punkte hat er geholt, drei gegen Köln, jeweils einen gegen Mainz und Hoffenheim. Gegen Leipzig, Bremen, Freiburg und Schalke hat der VfB verloren. Im Schnitt macht das 0,714 Punkte pro Spiel. Hochgerechnet auf die übrigen zwölf Spiele wären das 8,6 Punkte. Der VfB stünde am Ende also mit 28 Punkten da. Zum direkten Klassenerhalt hat das zuletzt 2013/2014 gereicht – damals wurde der HSV mit 27 Punkten 16.

Was macht Mut?

Nun darf jeder, der es mit dem VfB hält, die Floskel bemühen, dass im Fußball alles passieren könne und eine derart simple Rechnung noch lange keine hinreichende Bedingung dafür ist, dass die Stuttgarter absteigen. Nur werden so langsam die Argumente, die für den Klassenerhalt sprechen, weniger.

Mut machen könnte den Fans, dass die zweite Hälfte gegen Schalke besser war als die erste und der VfB zumindest phasenweise gezeigt hat, dass er die Fähigkeit besitzt, einen Gegner unter Druck zu setzen. Mut machen könnte, dass mit Fabian Bredlow nun ein Torhüter spielt, der mehr Sicherheit ausstrahlt. Mut machen könnte, dass der VfB im vergangenen Jahr bewiesen hat, sich nicht aufzugeben. Mut machen würde, wenn der VfB dazulernte und auch gegen angeschlagene Gegner mit der nötigen Professionalität spielte.

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