Es war im Sommer 1991. Gerade mit dem 1. FC Kaiserslautern Deutscher Meister geworden, machte sich ein junger Torjäger auf den Weg in die große, glitzernde Fußballwelt. Bruno Labbadia wechselte von der idyllischen Pfalz ins mondäne München. Zum ruhmreichen FC Bayern.
Labbadia: "Gewaltige Dimensionen in München"
Für den damals 25-Jährigen, der mit seinem tiefen Schwerpunkt und seinen kurzen, schnellen Bewegungen an den unvergessenen Gerd Müller erinnerte, ein traumhafter Karriere-Sprung: "Ich kam ja immerhin vom Deutschen Meister Kaiserslautern. Aber ich habe schnell gemerkt, dass da eine andere Qualität ist, was den Verein und die Einzelspieler angeht", erinnert sich Bruno Labbadia gegenüber SWR Sport an seine ersten Tage an der Isar, "die Dimensionen waren damals schon gewaltig, jetzt sind sie noch gewaltiger geworden. Das ist etwas Besonderes, bei so einem Klub zu spielen".
Für den FC Bayern allerdings wurde Labbadias erste Saison in München zu einem echten Alptraum-Jahr. Inclusive Abstiegsgefahr, Pokal-Blamage und Europapokal-Peinlichkeit. Gleich drei Trainer schafften es nicht, den Karren einigermaßen flott zu machen.
Labbadia als Fan-Liebling in schwierigen Bayern-Zeiten
Aber der Reihe nach: Mit Klaus Augenthaler (Karriere-Ende), Jürgen Kohler und Stefan Reuter (nach Italien) hatten gleich drei Säulen das Münchner Team verlassen, das Vakuum war nicht zu füllen. Dem jungen Stefan Effenberg fehlte (noch) die Reife zum Führungsspieler, Weltmeister Thomas Berthold entpuppte sich als Fehleinkauf. Nationalkeeper Raimond Aumann verletzte sich schwer und musste vom bereits 37 Jahre alten Torhüter-Comebacker Toni Schumacher ersetzt werden. Die Münchner waren auf der Suche nach sich selbst, taumelten in der Bundesliga-Tabelle wochenlang zwischen Platz 14 und 15. Höchste Abstiegsgefahr! Der große FC Bayern in der 2. Liga? Unvorstellbar.
"Mister Hollywood" vor den TV-Kameras
Und mittendrin im Münchner Tohuwabohu: Bruno Labbadia, der sich aber als solider Toremacher bewährte. In seiner ersten Saison markierte der Stürmer mit der langen dunklen Mähne in 30 Bundesligaspielen zehn Treffer, bereitete sieben weitere Tore vor. Mit seinem freundlich-kommunikativen Wesen und seiner Fan-Nähe wurde der Italo-Hesse schnell zum neuen Publikums- und Presse-Liebling im Olympiastadion, machte auch vor den Fernsehkameras eine prima Figur. "Den Bruno geben wir nicht mehr her", wurde Keeper Aumann zitiert. Im Team des FC Bayern, so DER SPIEGEL, nannten sie Labbadia wegen seiner telegenen Art sogar "Mister Hollywood".
Das seriöse Nachrichtenmagazin widmete dem neuen Bayern-Stürmer und "Emotionsbomber" im Oktober 1991 sogar einen eigenen Artikel und schrieb: Mit schlichtem, kämpferischem Spiel und simplen Parolen ("Man muß sich immer wieder behaupten") repräsentiert Labbadia eine neue Einfachheit. Er liebt seine Familie und den Fußball, er ist »geil aufs Gewinnen«, gibt als Hobby Fernsehen an und fährt am liebsten Cabrio....In einer Branche, in der sich vieles um Prämienpoker und Ablösezockereien dreht, scheint Labbadia nicht die Angestelltenmentalität des Profitfußballers entwickelt zu haben, sondern befriedigt eine tiefempfundene Sehnsucht der Fans nach ehrlicher Arbeit.

Heynckes, Lerby, Ribbeck - drei Trainer im ersten Bayern-Jahr
Den erdrutschartigen Leistungsabfall des FC Bayern in allen Wettbewerben aber konnte auch der Ex-Lauterer Strafraumstürmer nicht aufhalten. Die Münchner blamierten sich in der Bundesliga (1:4-Heimpleite gegen die Stuttgarter Kickers), im DFB-Pokal (2:4 gegen den FC Homburg) und im UEFA-Cup (2:6 in Kopenhagen). Bayern-Manager Uli Hoeneß sah sich in der größten Not sogar gezwungen, tränenreich seinen Freund Jupp Heynckes Anfang Oktober 1991 als Trainer zu entlassen (Hoeneß später: "Der größte Fehler meiner Manager-Laufbahn").
"Leider", bedauert auch Bruno Labbadia noch heute die Freistellung von Heynckes, "aber das war eine Situation, die die Bayern auch nicht so oft hatten. Es gab damals einen personellen Umbruch in der jungen Mannschaft und ein Gerangel um die Führungspositionen", so der VfB-Coach im Gespräch mit SWR Sport. "Und plötzlich hattest du selbst mit so einer Mannschaft mit dieser Qualität das Gefühl, du gewinnst kein Spiel mehr. Das ist krass". Für Labbadia die Erkenntnis, "dass im Kopf viel passiert. Es war eine krasse Saison. Kein guter Einstieg für mich, aber eine gute Erfahrung".
Ex-FCK-Trainer Ribbeck rettete die Bayern
Jupp Heynckes' Nachfolger hieß überraschend Sören Lerby. Der Ex-Spieler der Münchner aber war ein kompletter Fehlgriff und musste nach nur 17 Pflichtspielen und in höchster Abstiegsgefahr schon wieder die Koffer nach Dänemark packen. Erst Erich Ribbeck als dritter Coach der Saison schaffte es mit Ach und Krach, die Münchner aus dem tiefen Tabellen-Keller noch auf Platz zehn zu hieven. Gerade noch mal gutgegangen in der sportlich wohl schlechtesten Bundesliga-Saison der Bayern, in der sich der VfB Stuttgart 1992 den Titel krallte.
Als Bayern-Spieler Debüt im Nationalteam
Trotz der turbulenten Anfangszeit: Die Münchner Jahre liefen gut für Bruno Labbadia. Schon in der nächsten Runde wurde Bayern Vizemeister. Selbst Bundestrainer Berti Vogts zeigte sich angetan von der "Schlitzohrigkeit" und Torgefährlichkeit des früheren Darmstädters. Und so durfte er bei der Südamerika-Reise der Nationalmannschaft am 20. Dezember 1992 gegen Uruguay für elf Minuten sein Debüt im Deutschland-Trikot feiern. Titellos blieb Bruno auch bei den Bayern nicht: Im Mai 1994 stemmte Labbadia mit Lothar Matthäus die Meisterschale in den weiß-blauen Münchner Himmel. Sein Trainer: 'Kaiser' Franz Beckenbauer, der während der Saison Erich Ribbeck abgelöst hatte.

28 Tore in 82 Spielen für den FC Bayern
Im Sommer 1994 aber war trotz der Meisterschaft vorzeitig Schluß beim FC Bayern. Der neue Trainer Giovanni Trapattoni plante nicht mit Labbadia. Der 'Mister' setzte auf die frisch verpflichteten Stürmerstars Jean-Pierre Papin und Alain Sutter. Bruno sagte nach 28 Toren in 82 Bundesligaspielen und vielen Erlebnissen 'Ciao München' und wechselte zum 1. FC Köln. Die aufregenden drei Jahre beim FC Bayern wird er nie vergessen.
