Seit dem letzten Spieltag ist der VfB Stuttgart erstmals in dieser Saison Tabellenschlusslicht. Nach dem 0:1 gegen den VfL Wolfsburg wandten sich selbst die treuesten Anhänger in der Cannstatter Kurve in Teilen gegen die Mannschaft. Der erhoffte "Labbadia-Effekt", wie es ihn schon in der Saison 2010/11 im Schwabenland gegeben hatte, ist bisher ausgeblieben. Sechs Punkte aus zehn Spielen bislang sind deutlich zu wenig für den Klassenerhalt. Nicht nur in den sozialen Medien stellt sich immer häufiger die Frage: Ist Bruno Labbadia noch der Richtige?
"Bevor er kam, habe ich ganz klar nein gesagt. Meine Meinung hat sich auch nicht geändert", sagt VfB-Fan Günther Schelchshorn. Beim öffentlichen Training vor dem Gastspiel am Samstag bei Union Berlin ist der Tenor bei den Anhängern gegenüber dem Übungsleiter überwiegend kritisch.
Falsche Aufstellung von Labbadia?
Vor allem die momentane Aufstellung sorgt bei vielen Fans für Unverständnis. Klar ist, Toptorjäger Serhou Guirassy fehlt nach seiner Adduktorenverletzung im Sturm an allen Ecken und Enden. Immerhin war der Nationalspieler Guineas am Dienstag wieder im Training dabei, absolvierte neben dem obligatorischen Warm-Up auch Spielformen mit dem Team. Dies allerdings ohne viel Körperkontakt. Labbadia sagte unlängst nach dem Testspiel gegen Heidenheim, dass sein Stürmer noch etwas von der Verletzung merke.
Dementsprechend musste der Cheftrainer im Sturm experimentieren, tat dies vor allem mit Silas. Eine Entscheidung, die viele Anhänger nicht nachvollziehen können. Der Kongolese agierte oft unglücklich, seiner Stärken auf der Außenbahn als Stürmer im Zentrum weitgehend beraubt. "Ich habe nicht nur die Mannschaftsteile falsch belegt, sondern auch die Stärken von den Spielern genommen. Der Silas ist, wenn er über den rechten Flügel kommt, sehr effektiv, aber als Mittelstürmer verschenkt", meint Fan Günther Schelchshorn.
Aussagen, die klar die Formation Labbadias kritisieren und mit den Meinungen auf Social Media häufig decken. Beispiel gefällig? "Und bitte im Chor, damit Bruno das mal realisiert: Silas ist kein Mittelstürmer und Anton ist kein Rechtsverteidiger", schreibt User swoy851 auf Instagram nach der Niederlage gegen Wolfsburg.
Vagnoman: Von der VfB-Bank zur Nationalmannschaft
Auch die Rechtsverteidiger-Position ist an der Mercedesstraße momentan ein heiß diskutiertes Thema. Josha Vagnoman wurde von Bundestrainer Hansi Flick erstmals in die Nationalmannschaft berufen - spielt aber unter Labbadia beim VfB keine Rolle. Die Nominierung überraschte selbst den 22-jährigen. "Natürlich war es etwas unerwartet", sagte der Neu-Nationalspieler nach dem Spiel gegen Wolfsburg, durch seine wenige Spielzeit sei damit nicht zu rechnen gewesen.
Stichwort Spielzeit: Die bekommt Waldemar Anton unter Labbadia schon, aber auf der "falschen" Position. Der Ersatzkapitän läuft seit Wochen auf der Rechtsverteidigerposition auf, obwohl der 26-jährige eigentlich gelernter Innenverteidiger ist - und dort zu Beginn der Saison durchaus überzeugte. "Die Aufstellung wird der Mannschaft nicht gerecht. Zum Beispiel spielt Anton nicht da, wo er könnte", beobachtet Anhänger Wigand Begemann. "Ich habe auch das Gefühl, dass einige Talente einfach ein bisschen verkümmern."
Junge Wilde sind hinten dran beim VfB
Die angesprochenen Talente geben sich auf dem Trainingsplatz zwar sichtbar Mühe, aber durchsetzen konnte sich unter Bruno Labbadia bisher keiner der Jungen so richtig. Thomas Kastanaras machte zwar gegen Leipzig mit seinem Startelf-Einsatz auf sich aufmerksam, doch zum Zug kommt der Angreifer genauso wie Lilian Egloff nicht. Beide holten sich beim Training auch einen Rüffel ab. Egloff bekam eine Ansage von Torwarttrainer Steffen Krebs, Kastanaras durfte sich ein deutliches "Thomas, was ist denn los heute?" von Waldemar Anton anhören. Anton selbst geriet dann noch in einen kleinen Disput mit Enzo Millot. Der Ton wird also rauer beim VfB.
Bruno Labbadia hingegen nahm die Trainingseinheit mit verschränkten Armen stoisch zur Kenntnis, die Kommandos übernahm vornehmlich Co-Trainer Bernhard Trares. "Vor allem erwarte ich vom Trainer ein bisschen mehr Leidenschaft", kritisiert dahingehend VfB-Fan Bernhard Munding.
Quo vadis, VfB?
Viel Anlass zur Hoffnung liefert die aktuelle Situation nicht. Letztmals stand der VfB in der Saison 2018/19 auf dem letzten Tabellenplatz, damals nach dem zwölften Spieltag. In der gleichen Spielzeit stieg der Klub in die zweite Liga ab. "Die Tabellensituation ist nicht schön, das ist keine Frage", sagte Labbadia schon nach dem Spiel gegen Wolfsburg. Ob des bevorstehenden Abstiegskampfs gab er sich aber optimistisch. "Wenn es einer kann, dann bin ich das."
Fakt ist: Bei noch neun ausstehenden Saisonspielen muss der VfB dringend anfangen zu punkten. Ansonsten könnte der fünfte Abstiegskampf Bruno Labbadia zum ersten Mal in die Zweitklassigkeit führen. VfB-Fan Josip Matic sieht die Sache pragmatisch: "Ob man den Trainer hätte wechseln sollen, diese Frage hätte man sich stellen können. Aber jetzt ist Bruno da und jetzt müssen wir mit ihm gewinnen."