Stirn an Stirn stehen sie an der Seitenlinie voreinander. Wie zwei Boxer, die ihrem Gegenüber Respekt und Angst einflößen wollen. Doch in Wirklichkeit sind es Nationalstürmer Niclas Füllkrug und der (nun) ehemalige Sportdirektor des SC Paderborn, Fabian Wohlgemuth. Da kochten im Oktober im DFB-Pokalspiel zwischen Zweitligist SC Paderborn und Bundesligist SV Werder Bremen kurzfristig die Emotionen mächtig hoch.
Füllkrug war sauer auf das Schiedsrichtergespann, da ein Treffer der Bremer annulliert worden war. Es kam zum Wortgefecht mit der Paderborner Bank – auch mit Fabian Wohlgemuth. Nach dem überraschenden Erfolg der Paderborner (5:4 im Elfmeterschießen) hatten sich die beiden Streithähne aber schon wieder beruhigt.
VfB Stuttgart: Die nächste Station für Fabian Wohlgemuth
Nun heuert der 43-Jährige Wohlgemuth beim VfB Stuttgart an. Zweieinhalb Jahre war er für die sportlichen Belange in Paderborn zuständig – und das erfolgreich. Der Verein steht in der 2. Bundesliga aktuell auf Rang sechs. Die Aufstiegsplätze sind allerdings durch vier Niederlagen in Serie etwas in die Ferne gerückt. Das Spiel der Ostwestfalen unter Trainer Lukas Kwasniok (ehemals Karlsruher SC) steht für Offensivfußball. Das hatte Wohlgemuth schon bei seinem Amtsantritt im Mai 2020 versprochen. Mit 35 Toren stellt Paderborn momentan die beste Offensive der Liga.
Vor seiner Zeit in Paderborn war Wohlgemuth von Juni 2018 bis Oktober 2019 sportlicher Geschäftsführer bei Holstein Kiel. Dort arbeitete er unter anderem mit dem Ex-VfB-Trainer Tim Walter zusammen. Wohlgemuth, der früher als Spieler Innenverteidiger war, erzählte im Sommer 2018 auf dem vereinseigenen Youtube-Kanal von seiner aktiven Zeit: "Meine Idole waren immer die Innenverteidiger. An denen habe ich mich orientiert. Und am meisten an denen, die dazwischen gehauen haben, die immer auch mit viel Ehrgeiz vorangegangen sind und eben auch dafür standen, gewinnen zu wollen."
Vom Scout zum Sportdirektor
Gewinnen – das muss auch das Ziel des VfB Stuttgart sein. Nach der Entlassung von Sven Mislintat als Sportdirektor und der anstehenden Neubesetzung des Trainerpostens, herrscht beim VfB mächtig Unruhe. Der Verein überwintert, mit bisher nur drei Siegen in dieser Saison, auf Relegationsplatz 16. Fabian Wohlgemuths vorrangige Aufgabe wird sein, die sportliche Ausgangslage zu verbessern. Hierzu wird er in der Winter-Transferperiode vermutlich aktiv werden müssen.
Was Wohlgemuth und seinen Vorgänger Sven Mislintat eint: Beide arbeiteten vor ihrer Zeit als Sportdirektoren lange als Scouts. Der von vielen als "Diamantenauge" bezeichnete Mislintat war vor seiner Zeit beim VfB Stuttgart Chefscout bei Borussia Dortmund und Arsenal London. Bevor Wohlgemuth in Kiel Sportdirektor wurde, arbeitete er Chefscout beim Hamburger SV und beim VfL Wolfsburg, ehe er von 2011 bis 2018 die Nachwuchsabteilung der Niedersachsen leitete.
Markus Miller: "Fabian ist ein ehrlicher Typ"
Markus Miller, Torwarttrainer des Karlsruher SC, kennt Wohlgemuth aus gemeinsamen Zeiten in Wolfsburg. Seinerzeit war Wohlgemuth Leiter des Nachwuchsleistungszentrums (NLZ), Miller kümmerte sich um die Ausbildung der Junioren-Torhüter. Sie begegneten sich täglich, und Miller erinnert sich im SWR-Gespräch gern an seinen ehemaligen Chef: "Fabian ist ein guter, ehrlicher Typ. Wenn er dir mündlich etwas zusagt, kannst du dich darauf verlassen, dass er es einhält."

Was Miller damals positiv auffiel: Für Wohlgemuth waren die Nachwuchssspieler nicht nur irgendeine Nummer. "Fabian kannte jeden Spieler mit Vornamen - von der U15 bis zur U19." Miller beschreibt Wohlgemuth als ruhigen, souveränen und klaren Menschen. Eine weitere Facette Wohlgemuths: sein Ehrgeiz.
"Wenn Fabian ein Ziel vor Augen hat, kann er dies seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch mit dem entsprechenden Nachdruck vermitteln."

Wohlbehütete Kindheit für Wohlgemuth
In einem Interview mit "SC Paderborn TV" (November 2020) sprach Fabian Wohlgemuth von seiner Kindheit und seinen Fußballanfängen. "Ich hatte eine unspektakuläre, wohlbehütete Kindheit. Fußball war von Anfang an der wichtigste Baustein."
Geboren in Ost-Berlin, machte Wohlgemuth sein Abitur auf der Sportschule des BFC Dynamo. Danach kickte er unter anderem für Union Berlin, den FC Berlin, Croatia Berlin, Tennis Borussia Berlin, Hansa Rostock und den Chemnitzer FC. Bei Tennis Borussia lernte er den späteren Bundesliga-Trainer Mirko Slomka kennen: "Er hat damals schon Viererkette spielen lassen, obwohl ich zur damaligen Zeit noch Libero gespielt habe. Aber meist war ich in der zentralen Abwehr."
Diplom-Kaufmann Wohlgemuth
Nach einer schweren Knieverletzung und mehreren Operationen platzte aber der Traum von der Spielerkarriere. Wohlgemuth studierte anschließend vier Jahre an der TU Berlin und darf sich nach erfolgreichem Abschluss als Diplom-Kaufmann bezeichnen. Das schadet dem Job als Sportdirektor auf keinen Fall. In Corona-Zeiten versuchte sich der Berliner auch als Nachhilfe-Lehrer bei seinen zwei Kindern. Wohlgemuth, ein Mann mit vielen Facetten.
Besonders wichtig: Wohlgemuth lässst sich nicht so schnell einschüchtern. Frag nach bei Niclas Füllkrug. Keine schlechte Voraussetzung für die neue Herausforderung beim VfB Stuttgart.