Wechselgerüchte und -Spekulationen schießen im Fußball bekanntermaßen gerne mal ins Kraut. Vor allem dann, wenn es sich um begehrte Könner wie Angelo Stiller vom VfB Stuttgart handelt: "Real Madrid mit Stiller einig", schrieb der italienische Transferexperte Nicolo Schira in diesen Tagen ebenso schlagzeilenträchtig wie vermutlich voreilig. Auch diverse spanische Tageszeitungen berichten - im Vergleich dazu eher noch zurückhaltend - vom Madrider Zielobjekt Angelo Stiller auf dem internationalen Transfermarkt.
Im Stuttgart Team wiederum frotzelte Teamkollege Deniz Undav letzten Sonntag beim Autokorso der VfB-Pokalsieger durch die Stuttgarter City den Mitfahrer Stiller wohl auch deshalb augenzwinkernd mit "Hala Madrid", als Fans konkrete Fragen zur Zukunft stellten...
Hansi Müller: "Stiller ist der Administrator des VfB-Spiels"
So oder so ist die Suche nach der Wahrheit auch in diesem (Transfer-) Fall eine schwierige Angelegenheit. Dass der "Administrator des VfB-Spiels", wie ihn Stuttgarts Legende Hansi Müller vor einigen Tagen gegenüber SWR Sport begeistert bezeichnete ("Er ist mein Lieblingsspieler"), auf der Wunschliste des Weltklubs Real Madrid ziemlich weit oben steht, wäre rein fußballerisch gesehen jedenfalls bestens nachvollziehbar.
Angelo Stiller hat sich in seinen zwei Jahren beim VfB Stuttgart prächtig weiterentwickelt, holte mit dem runderneuerten Team unter Sebastian Hoeneß die Vize-Meisterschaft und letzten Samstag den DFB-Pokal. Er besitzt inzwischen Champions-League-Erfahrung und wurde unter Julian Nagelsmann auch zum festen Bestandteil der A-Nationalmannschaft. Einer mit großer internationaler Perspektive.
Ohne Kroos nix los bei Real Madrid
Und: Seit dem Karriereende von Toni Kroos im letzten Sommer und jetzt auch dem Ausscheiden von Luca Modric plagen sich die "Königlichen" mit einem massiven Problem in der Schaltzentrale ihres Spielaufbaus herum. Kroos? Bislang nicht zu ersetzen. Und vom Spielertyp her würde "Passkönig" und "Ballmaschine" Angelo Stiller perfekt ins Raster der verspäteten Kroos-Nachfolge auf der Sechserposition passen. Zumal ihm mit seinen erst 24 Jahren auch perspektivisch die Zukunft gehört.
Direkten Anschauungsunterricht für beide Seiten gab`s bereits im September, als der VfB mit Dirigent Stiller in der Startelf in der Champions League bei Real in Madrid (1:3) gastierte.
Antonio Rüdiger: "Er kann alles"
"Angelo Stiller, der Kroos-Klon, der Rüdiger in den Wahnsinn treibt", schrieb zuletzt die spanische Sportzeitung "Marca". Mit Rüdiger ist natürlich Antonio Rüdiger gemeint, der Abwehrchef der Madrilen und Nationalmannschaftskollege des Stuttgarter Mittelfeldmannes: „Ich bin ein Fan von ihm, er kann alles“, wird Rüdiger, einst selbst im Trikot des VfB, von "Marca" zitiert. Der Führungsspieler der Real-Verteidigung wäre in jedem Fall schon mal ein gewichtiger Fürsprecher eines Stiller-Transfers.
Der neue Real-Trainer Alonso kennt Stiller bestens
Der andere, noch wichtigere, weil entscheidende Fürsprecher, wäre Xabi Alonso. Der Leverkusener Meistermacher wechselt bekanntlich zur neuen Saison als Ancelotti-Nachfolger auf die Trainerbank von Real Madrid. Alonso, während seiner Spielerkarriere selbst ein begnadeter Aufbauspieler, kennt Stiller und seine Vorzüge aus seiner Zeit bei Bayer natürlich bestens.
Und noch einer, so heißt es, soll den Stuttgarter Strategen Real wärmstens empfohlen haben: Eben Ex-Spielmacher Toni Kroos, der übrigens Teilhaber von derselben Berateragentur ist, die Angelo Stiller vertritt: Volker Struths "Sports360" in Köln. Man kennt sich also bestens.
Spanische Zeitung Diario AS: Stiller steht auf der Real-Liste
SWR Sport setzte sich am Freitag mit dem ARD-Hauptstadtstudio in Madrid in Verbindung mit der Bitte um Recherche. Von dort hieß es: Im Moment gebe es von Real Madrid nichts Offizielles zu Angelo Stiller zu hören. Stattdessen gab der spanische Rekordmeister am Freitagnachmittag die Verpflichtung des englischen Nationalspielers Trent Alexander-Arnold bekannt. Der Rechtsverteidiger wechselt vom FC Liverpool nach Madrid.
In Sachen Angelo Stiller wiederum schrieb die Zeitung "Diario AS" am Donnerstag (29.05.): "Real Madrid durchkämmt weiterhin den Markt auf der Suche nach einem Mittelfeldspieler, der das Spielsystem, das Xabi Alonso bei Real umsetzen möchte, sinnvoll ergänzt". Es fehle "ein Spieler, der eine Verbindung zwischen Abwehr und Angriff herstellt, was in dieser Saison deutlich zu spüren war". Dafür seien diverse Namen aufgetaucht, so Diario AS: "Tijjani Reijnders, Enzo Fernández, in Argentinien wurde über Exequiel Palacios gesprochen...und Angelo Stiller, ein 24-jähriger deutscher Mittelfeldspieler von Stuttgart. Stiller steht auf der Liste, sein Name steht zwar nicht ganz oben, aber er gehört zu den potenziellen Kandidaten."
Laut Infos aus Spanien: Noch keine Kontaktaufnahme zu Stiller
Marco Ruiz, Journalist bei "Diario AS", ergänzte im persönlichen Telefonat mit dem ARD Studio Madrid, dass Stiller aus seiner Sicht "momentan am besten passen würde", da er jung sei, eine Zukunft als Nationalspieler vor sich habe, dem gesuchten Profil entspräche ("Mittelfeldspieler, der die Mannschaft bewegt und gleichzeitig für ein defensives Gleichgewicht sorgt") und darüber hinaus auch noch eine der günstigeren Optionen sei.
Nach Informationen von Sportjournalist Ruiz habe es bisher aber noch keine Kontaktaufnahme zu Stiller gegeben. Real wolle langsam und besonnen vorgehen und auch andere Optionen abwägen.
Wie reagiert der VfB Stuttgart bei einem unmoralischen Angebot?
Tatsache ist, dass Angelo Stillers Vertrag beim VfB Stuttgart erst im Januar bis 2028 verlängert wurde. Nach Medienberichten greift eine Ausstiegsklausel, genannt werden 36 Millionen Euro, erst 2026. Und die Schwaben dürften nicht unbedingt darauf aus sein, einen ihrer wichtigsten Spieler Richtung Spanien ziehen zu lassen.
Am Rande des Pokal-Empfangs letzten Sonntag verpasste VfB-Boss Alexander Wehrle im Gespräch mit SWR Sport seinem Tafelsilber, zu dem zuvorderst auch Angelo Stiller zählt, zwar den Stempel "unverkäuflich", allerdings mit der logischen Einschränkung: Es sei denn, die Angebote würden - sinngemäß - unmoralische Dimensionen annehmen. Heißt das 50 Millionen? 60 Millionen? 70 Millionen Euro? Es wäre, sollte es so kommen, ein Luxusproblem für den VfB. Schließlich wäre die Ablösesumme in diesem Sommer frei verhandelbar.
Sportzeitung Marca: "Stuttgart zählt zu den verkaufswilligen Teams"
Interessant ist in diesem Zusammenhang, was die spanische Sportzeitung "Marca" zuletzt in Sachen VfB und Angelo Stiller schrieb: "Für einen möglichen Transfer spricht, dass Stuttgart zu den verkaufswilligen Teams der Bundesliga zählt. Jeden Sommer öffnet der Verein seine Türen und kassiert, wie vor einem Jahr bei den Transfers von Guirassy, Anton oder Hiroki Ito, die vom VfB zu Bayern München oder Borussia Dortmund wechselten, viel Geld", so "Marca". Es sei Strategie, so die Zeitung, Spieler zu kaufen, zu fördern und dann in Transfers einzubeziehen. Ob sich so gesehen bald auch die Tür zu Stiller öffnen könnte?
Der VfB als bessere Startrampe für die WM 2026?
Vielleicht aber ist ein möglicher Wechsel bereits in diesem Sommer, bei allem Reiz des Namens Real Madrid und der entsprechenden Verdienstmöglichkeiten, für Stiller selbst kein Thema. Und zwar aus sportlichen Gründen: Schließlich will der gebürtige Münchner im nächsten Jahr unbedingt bei der WM 2026 im deutschen Team eine bedeutende Rolle spielen. Und da wäre der "Sechser" in der kommenden Saison als etablierter Stammspieler beim VfB Stuttgart weiterhin bestens aufgehoben, während ein Transfer ins Ausland und dazu noch zu einem Spitzenklub wie Real Madrid immer die Gefahr eines Stolperstarts im ersten Jahr mit sich bringt.
Absage für die Nations League wegen Fußverletzung
Momentan jedenfalls hat Angelo Stiller genügend Zeit zum Nachdenken, was seine Zukunft betrifft. Nach seiner verletzungsbedingten Absage fürs Nationalteam und die Nations League befindet sich der VfB-Spielmacher im vorzeitigen Urlaub. Die Spekulationen um ihn aber werden bleiben.