Die moralische Debatte über die Sonderrolle des Profifußballs ist in vollem Gange. Es muss um jeden Preis weitergehen, so das Motto, auch im Europapokal. Für Helen Breit, Vorsitzende des Fan-Bündnisses "Unsere Kurve", ist dies nicht mehr vermittelbar. "Es mutet einfach absurd an in dieser aktuellen gesellschaftlichen Situation. Es ist ja ganz offensichtlich, dass versucht wird, diesen Wettbewerb irgendwie durchzubringen. Und da setzt unsere Kritik an. Es geht darum, welche Botschaft vermittelt man damit den Menschen in der Gesellschaft, den Fußball-Fans", sagte sie.
Weniger Blase, mehr Bodenhaftung
Breit geht es vor allem um Bodenhaftung. Der Fußball müsse schauen, nicht nur "in einer eigenen Blase zu sein, sondern sich auch hier zu verorten, wo viele Menschen seit langer Zeit mit sehr, sehr unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert sind".
Ausnahmen für den Profisport
Während Fußballmannschaften kreuz und quer durch Europa reisen, liegt der Amateursport hierzulande brach. Sporttreiben im Verein ist seit Monaten nicht erlaubt, die Fitnessstudios müssen geschlossen bleiben und von Auslandsreisen wird abgeraten. Für Profisportler dagegen gelten allerlei Ausnahmen.
Die Vorsitzende des Sportauschusses im Bundestag, Dagmar Freitag (SPD), kritisiert diese Sonderrolle. "Wir haben unendlich viele Organisationen. Welche Sonderrechte kann man dann bestimmten Gruppen noch einräumen, wenn andere, die auch überzeugende Hygienekonzepte vorgelegt haben, weiterhin nur am Spielfeldrand zuschauen dürfen? Ich tue mich schwer damit zu sagen, die einen können das problemlos weiter tun und beanspruchen das auch wie selbstverständlich, und andere können es eben so nicht."
Hoeneß: "Wissen über unsere privilegierte Situation"
Der Trainer der TSG Hoffenheim, Sebastian Hoeneß, kann die moralische Debatte über die reisenden Profifußballer nachvollziehen. "Ich möchte diese aber jetzt nicht befeuern, weil es nichts ändert, ob ich da jetzt noch meine Meinung reingebe oder nicht. Wir sind froh, dass wir unserem Beruf nachgehen können. Wir werden so demütig wie möglich damit umgehen und wissen einfach über unsere privilegierte Situation" so Hoeneß vor dem Spiel gegen den norwegischen Klub Molde FK (Donnerstag, 21 Uhr), das in Villarreal an der spanischen Ostküste ausgetragen wird. Außerdem fügt Hoeneß hinzu: "Im Endeffekt unterliegen wir da den Regularien der UEFA. Das ist vorgegeben."
Der europäische Fußballverband ist die treibende Kraft hinter den außergewöhnlichen Reisetätigkeiten der Vereine. Die UEFA überlässt es den Klubs, Lösungen zu finden, sollte ein Duell im Europapokal aufgrund von Einreisebeschränkungen nicht wie geplant stattfinden können. Bei einem Ausfall des Spiels droht dem Heimteam ansonsten eine 0:3-Niederlage am grünen Tisch. Dementsprechend suchen die Vereine im Ausland nach Ersatzspielorten. Der Verein Molde FK aus Norwegen hat in Spanien einen Ort gefunden, an dem er sein Europa-League-Spiel gegen die TSG Hoffenheim austragen kann, denn nach Norwegen dürfen die Hoffenheimer aufgrund von verschärften Einreisebestimmungen derzeit nicht fahren.
"Das Ergebnis im Moment ist wirklich unfassbar"
"Da muss man ganz klar die UEFA in die Kritik nehmen. Aber nicht nur von außen, sondern auch von innen", sagt Helen Breit: " Es wir immer wieder so getan, dass die Verbände auf der einen Seite sind und die Vereine auf der anderen Seite. Aber das gehört ja zusammen. Die Verbände sind immer die Summe ihrer Vereine. Das Ergebnis im Moment ist wirklich unfassbar."
Der Profifußball zieht sein Ding bisher mit aller Macht durch. Dank ausgeklügelter Hygienekonzepte und regelmäßiger Coronatests funktioniert das System. In der Blase ist es aktuell sogar möglich kreuz und quer durch Europa zu reisen. Kritik an den Privilegien des Profifußballs und an der Botschaft, die damit ausgesendet wird, prallt weitestgehend ab. Die Debatte über die Sonderrolle des Fußballs ist noch lange nicht zu Ende.