Der Nachwuchsfußball soll sich ändern. Kinder und Jugendliche sollen im Training früher und häufiger zum Einsatz kommen, mehr Ball-Aktionen haben und dadurch besser gefördert werden. Um die Idee bundesweit zu verankern, tourt DFB-Sportdirektor Hannes Wolf, der frühere Trainer des VfB Stuttgart, mit seinen Co-Trainern seit Monaten quer durch Deutschland.
Kritiker der neuen Spielformen möchte Wolf durch Austausch auf Augenhöhe überzeugen, beispielsweise bei öffentlichen Fortbildungen wie zuletzt im Robert-Schlienz-Stadion in Stuttgart. Etwa 1.000 Trainerinnen und Trainer aus dem Jugend- und Amateurbereich waren dabei. Unterstützt vom Württembergischen Fußballverband (wfv) und dem VfB Stuttgart präsentierte Wolf gemeinsam mit U20-Co-Trainer Daniel Stredack konkrete Trainingsleitlinien.
Freude bewahren und Talente entwickeln
Nach Einschätzung von Wolf hinkt Deutschland im Spitzenbereich hinterher, und das hat zwei zentrale Ursachen: Viele Kinder brechen in der Pubertät mit dem Fußball ab. "Dann haben Vereine vier E-Jugend-Teams und keine A-Jugend, weil irgendwo auf dem Weg die Freude verloren gegangen ist." Grund sei oft der Trainingsalltag, etwa wenn bei neun gegen neun nur ein kleiner Teil der Kinder gefördert wird. Auch schaffen es nur wenige junge deutsche Spieler in den Profi-Bereich. Potenziale werden nicht richtig ausgeschöpft.
Für Hannes Wolf steht fest: Qualität entsteht nicht erst im Übergang zu den Profis, sondern über den ganzen Entwicklungsweg hinweg. "Wir können nicht im Profi-Fußball nochmal alles retten, da gibt es keinen Knopf mehr, den du drücken kannst", sagte er im Gespräch mit SWR Sport.
Hannes Wolf: "Gutes Training muss nicht kompliziert sein."
Hannes Wolf und sein Team haben ein klares Ziel: Das Kinder- und Jugendtraining verbessern. Die "Trainingsphilosophie Deutschland" richtet sich dabei nicht nur an hauptamtliche Trainerinnen und Trainer, sondern auch an Eltern oder Interessierte, die sich im Ehrenamt engagieren. "Oft stehen auch Mamas und Papas auf dem Platz, die ihre Kinder trainieren. Auch für sie wollen wir ein System schaffen, das leicht umsetzbar ist und die Kinder wirklich weiterbringt", sagt Wolf.
Mit der Botschaft: "Gutes Training muss nicht kompliziert sein", setzen Hannes Wolf und das Team auf Spielformen wie Drei-gegen-Drei oder Zwei-gegen-Zwei. Ziel dieser Übungen ist es, den Kindern auf mehreren kleinen Feldern möglichst viele Ballkontakte und Entscheidungsmomente zu bieten. Denn ein zentrales Problem sieht der DFB-Direktor in der "Scheinpartizipation": Kinder, die zwar beim Training anwesend sind, aber kaum Ballaktion haben oder kaum mitspielen dürfen. "Das macht auch was mit dem Selbstwert", sagt Wolf. Im Fokus steht deshalb: Alle spielen die ganze Zeit.
Alltagstauglich – auch für den kleinen Verein
Aber ist das Konzept überhaupt für alle Vereine umsetzbar? Hannes Wolf ist überzeugt: Ja, und zwar sofort. "Das kann jeder Jugendtrainer ab morgen direkt machen", betont er. Die Philosophie ist bewusst so konzipiert, dass sie nicht an Infrastruktur oder Profi-Bedingungen gebunden ist. "Zwei Jugendtore, ein paar Hütchen, vier Mini-Tore und ein Viertel eines Fußballfeldes, das ist oft schon die Realität im Amateurbereich. Damit lässt sich ein spielformorientiertes Training gestalten."
Auch dem oft genannten Platzproblem begegnet Wolf mit einer pragmatischen Sicht: "Selbst ein Viertel eines Standardfeldes sind rund 1.500 Quadratmeter. Das reicht für mehrere kleiner Felder und damit auch für viele Ball-Aktionen".
Wichtig sei, sich nicht hinter Ausreden zu verstecken, sondern sich auf die Möglichkeiten zu konzentrieren. Die Rückmeldungen aus den Vereinen stimmen ihn optimistisch: "Viele Trainerinnen und Trainer haben sich mit dem Thema schon beschäftigt", sagt Wolf. Die Resonanz auf die bisherigen Veranstaltungen sei positiv.
Ein Startpunkt für Veränderung
Die Verantwortung liege jedoch nicht nur bei den einzelnen Coaches, sondern auch bei den Verbänden. Dass der Württembergische Fußballverband (wfv) und der VfB Stuttgart gemeinsam zur Fortbildung eingeladen haben, zeigt Wolf: Die Umsetzung wird unterstützt. Inhalte der neuen Philosophie sind längst Teil der Trainer-Ausbildung, vom Kindertrainer-Zertifikat über den Basiscoach bis zur C-Lizenz. "Wer sich fortbildet, wird künftig genau diese Ideen vermittelt bekommen und sie direkt im eigenen Verein anwenden können".
Erfahrene Jugendtrainer und engagierte Eltern kamen, um sich zu informieren und Fragen zu stellen. "Ich glaube, das größte Kompliment ist, dass sie heute gekommen sind", sagt Hannes Wolf. "Das zeigt, dass es den Menschen wichtig ist und dass sie Vertrauen haben, hier etwas mitzunehmen."
Veranstaltungen wie im Robert-Schlienz-Stadion sind für Hannes Wolf und sein Team Meilensteine auf einem langen Weg. "Wir können hier einen Startpunkt setzen. Denn gutes Training muss nicht kompliziert sein, es muss einfach gut sein."