Trainer des SC Freiburg zu werden, war für Christian Streich eine schwierige Entscheidung. "Vielleicht die schwierigste Entscheidung meines Lebens", sagte er damals. Und das nicht, weil der SC Freiburg im Winter 2011 mit nur 13 Punkten aus 17 Spielen Tabellenletzter war. Es ging ihm damals vielmehr um Marcus Sorg, seinen Vorgänger. Denn der hatte Christian Streich als Co-Trainer zur ersten Mannschaft geholt. Plötzlich sollte Streich seinen Freund und Förderer beerben und alles besser machen als er.
Und Streich machte es besser: Er führte den SC Freiburg zum Klassenerhalt und zwei Jahre später in den Europapokal. Zwar war Streich 2015 auch für den "unnötigsten Abstieg aller Zeiten" (Buchautor Clemens Geißler in "111 Gründe, den SC Freiburg zu lieben") verantwortlich, aber nach dem direkten Wiederaufstieg gelang es Streich, sich mit dem SC Freiburg in der Bundesliga zu etablieren.
Christian Streich kann junge Spieler besser machen
Einer, der diesen Weg bis 2014 mitgegangen ist, ist Matthias Ginter. Der heute 27-Jährige gewann im Sommer 2011 unter Jugendtrainer Christian Streich den DFB-Junioren-Pokal und gab sechs Monate später unter Cheftrainer Christian Streich sein Bundesliga-Debüt. "Er hat mir die Chance gegeben, mich zu zeigen und das Vertrauen, auch mal Fehler machen zu dürfen", sagt Ginter im Interview mit SWR Sport.
Christian Streich kann Spieler entwickeln - im Falle von Matthias Ginter von der A-Jugend bis zum Weltmeister: "Es ist nicht selbstverständlich, dass er mich mit so jungen Jahren im Abstiegskampf hat spielen lassen", sagt Ginter. "Er hat mir sportlich und menschlich viel mit auf den Weg gegeben." In diesen Situationen ist Christian Streich mehr Mentor als Trainer.
Christian Streich entwickelt den SC Freiburg auch abseits des Platzes
Doch Christian Streich brachte den SC Freiburg nicht nur sportlich voran: Im Trio mit Jochen Saier und Klemens Hartenbach hat er den Verein seit 2013 auch abseits des Platzes kontinuierlich weiterentwickelt. Sichtbarstes Zeichen dieser Entwicklung ist das neue Europa-Park-Stadion, in dem der SC Freiburg seit Oktober seine Heimspiele austrägt.
Streich genießt beim SC Freiburg so großes Vertrauen, dass es die Gesetze der Branche scheinbar außer Kraft setzt: "Sicherlich ist das in Freiburg eine ganz besondere Konstellation aufgrund der Menschen, die hier arbeiten. Aber das Vertrauen kommt sicherlich auch daher, dass die Leute überzeugt sind, dass diese Konstellation gut ist", sagte Streich im Interview mit SWR Sport.
Fast hätte Christian Streich sich gegen den SC Freiburg entschieden
Doch es hat nicht viel gefehlt und Christian Streich wäre niemals Trainer des SC Freiburg geworden. Streich machte zu Beginn seiner Profi-Karriere, die ihn zwei Mal zum Freiburger FC, zu den Stuttgarter Kickers, dem SC Freiburg und zum FC Homburg führte, eine Lehre als Industriekaufmann. Anschließend machte er sein Abitur nach und studierte auf Lehramt.
Gegen Ende des Studiums stellte sich die Frage: Fußball-Trainer oder Lehrer? "Da habe ich ihm den Rat gegeben: Dein Referendariat kannst du später noch beginnen. Jetzt warte doch einfach mal ab, wie das sportlich weiterläuft", sagt sein damaliger Uni-Dozent und langjähriger Förderer Lutz Hangartner im Interview mit SWR Sport. "Und dann hat er sein Referendariat quasi abgebrochen." Zum Glück für den SC Freiburg.
Christian und der SC Freiburg denken von Jahr zu Jahr
Christian Streich hat beim SC Freiburg - anders als sonst in der Branche üblich - einen unbefristeten Vertrag. "So ist es für alle relativ einfach, weil man einfach sagt: Man macht ein Jahr. Dann schaut man und entscheidet sich wieder", sagt Streich im Interview mit SWR Sport. "Und dann kann ich gehen, wenn dann irgendwann der Tag kommt - mit einem guten Gewissen und einer Klarheit. Oder der Verein sagt, sie müssten etwas verändern. Dann gibt es kein finanzielles Theater, dann gibt es gar nichts. Dann hat man sein Geld bekommen, so lange man gearbeitet hat. Und wenn man nicht mehr da ist, dann geht man - und dann endet auch der Vertrag. Das finde ich sehr positiv für alle Seiten."
Ob sich Streich für ein elftes Jahr beim SC Freiburg entscheidet, hängt von mehreren Faktoren ab. Christian Streich ist ein emotionaler Typ, der schwierige Entscheidungen und unerfreuliche Gespräche nach eigenen Angaben auch in seiner Freizeit immer wieder mit sich herumschleppt. Und wer Christian Streich einmal am Spielfeldrand erlebt hat und weiß, dass er vor der ersten Zigarette nach dem Spiel nicht ansprechbar ist, kann erahnen, wie viel Druck auf dem Vulkan ist, der in ihm brodelt. "Es gab sicher schon das eine oder andere Mal, wo ich dachte: Ist das jetzt noch sinnvoll? Kann ich die Spannung noch aufrecht erhalten?"
Christian Streich träumt vom Europapokal
Noch ist das Kapitel Christian Streich beim SC Freiburg aber noch nicht zu Ende: "Ich bin ja immer noch hier", sagte Streich. "Und es macht Spaß: Man ist mit jungen Menschen zusammen, man kann intensiv arbeiten und muss keine Angst haben, dass hinter meinem Rücken Dinge laufen, die nicht okay sind. Ich habe einen sehr guten Arbeitsplatz und bin sehr dankbar dafür."
Und Streich hat mit dem SC Freiburg auch noch viel vor. "Wir sind alle sehr ambitioniert und ehrgeizig. Natürlich träumt man oder hätte den Wunsch, nochmal Europapokal zu spielen." Aktuell stehen die Chancen außerordentlich gut, dass sich dieser Traum recht kurzfristig erfüllt. Denn nach einer starken Hinrunde, in der Streich und sein Team auch nach Rückschlägen immer wieder zurückgekommen sind, überwintert der SC Freiburg erstmals auf einem Champions-League-Platz.
Christian Streich mit großen Erfolgen beim SC Freiburg
Und selbst, wenn die berühmte Hymne in der kommenden Saison doch nicht im Breisgau erklingt, hat Christian Streich mit dem SC Freiburg so ziemlich alles erreicht, was sie sich vorgenommen haben. Von daher war es für beide sicherlich die beste Entscheidung. Das sieht mittlerweile auch Christian Streich so: "Das ist ja das, was ich machen wollte; ich kann nichts anderes."