Christian Streich geht immer an seine Grenzen. Der Mann kennt nur Vollgas für die gute Sache. Zuletzt beim Pokalspiel in Stuttgart war er ständig an der Seitenlinie unterwegs, seine Kommandos jagte er ohne Pause durchs leere Stuttgarter Stadion. Er gestikulierte, schrie, zeigte, fuchtelte, legte sich notfalls mit Schiedsrichtern und Gegnern an, ließ sich aber schnell wieder beruhigen. Streich tut alles, damit sein Sport-Club gewinnt. Seit nunmehr neun Jahren im Profigeschäft.

Als die Mannschaft 2011 aus dem ersten Trainingslager mit dem neuen Coach zurückkam, mussten einige Spieler sofort zum Neujahrsempfang des Abstiegskandidaten. Ich habe nie zuvor und auch nie mehr danach so beeindruckte Spieler erlebt. "Streich macht uns besser", hieß es. Oder: "Er kann super Fußball erklären." Gestandene Profis wirkten tief beeindruckt. Der Bundesliganeuling Streich schaffte tatsächlich mit diesen Spielern den Klassenerhalt.
Christian Streich ist aber nicht nur ein überragender Fußballlehrer, sondern auch eine beeindruckende Persönlichkeit: authentisch, interessiert, offen, meinungsstark, respektvoll. Er mag Menschen. Und die Menschen mögen ihn. Nicht nur die Sport-Club-Fans in Freiburg. Christian Streich hat mittlerweile ungewöhnlich viele Anhänger in ganz Fußballdeutschland. Er redet Klartext – auch zu gesellschaftspolitischen Themen. Streich lebt, was viele Fußballfunktionäre in ihren Sonntagsreden immer wieder fordern. Er steht auf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, gegen Diskriminierung, gegen die immer extremer werdende Kommerzialisierung.
Der SC Freiburg war vor gut neun Jahren auf dem Weg, ein ganz gewöhnlicher Fußballclub irgendwo zwischen erster und zweiter Bundesliga zu werden. Mit Volker Finke war ein Charismatiker gegangen, in den Jahren danach drohte der SC seinen Nimbus zu verspielen. Die Aura des Anderen, des Alternativen verflüchtigte sich. Bis Christian Streich übernahm.
Es gab etliche im Club, die ihm das Profigeschäft nicht zutrauten. Zu impulsiv sei er. Zu durchgeknallt an der Seitenlinie. Gut, dass diese Skeptiker sich nicht durchsetzen konnten. Denn Christian Streich ist genau das, was der Sport-Club braucht. Ein Südbadener, der die Menschen versteht und den die Menschen verstehen. Einer, der aus dem Sport-Club wieder etwas ganz Besonderes gemacht hat. Und, bevor er es selbst dazwischenruft: Nicht er allein hat den Verein entwickelt, im Team haben sie das geschafft. Aber ohne Christian Streich würde dem Sport-Club das gewisse Extra fehlen. Das Einzigartige, das sich nicht erfinden lässt, das man haben muss. Christian Streich hat es.
Am Ende jeder Saison sieht er ausgelaugt und fertig aus. Ich wünsche ihm, dem SC und dem deutschen Fußball, dass Christian Streich noch lange im Sommer seine Batterien aufladen kann, um möglichst lange die Seitenlinie für seinen Sport-Club zu beackern. Christian Streich ist ein Glücksfall für den deutschen Fußball.