Fans des SC Freiburg (Foto: IMAGO, IMAGO / Sportfoto Rudel)

Fußball | Meinung

Europa League oder Champions League - Quo vadis, SC Freiburg?

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Claus-Peter Hufer

Der SC Freiburg kämpft bei Eintracht Frankfurt um die Qualifikation für die Champions League - muss aber auch auf einen Ausrutscher von Union Berlin hoffen. Ein Kommentar von SWR-Sportreporter Claus-Peter Hufer.

Der SC Freiburg spielt die erfolgreichste Bundesliga-Saison seiner Vereinsgeschichte. 59 Punkte vor dem letzten Spieltag bedeuten einen neuen Rekord für Christian Streich und seine Mannschaft. Mit ein wenig Schützenhilfe von Union Berlin können die Freiburger am letzten Spieltag sogar noch die Champions-League-Plätze erreichen.

Neuer Saisonrekord – bereits jetzt

"Noch einmal alles geben und dann schauen wir, was am Ende rauskommt", so Streich vor dem Saisonfinale bei Eintracht Frankfurt (am Samstag ab 15:30 Uhr im Audio-Livestream bei sportschau.de). Die Saison 2022/23 verlief besser als erwartet, besser als erhofft. Zum zweiten Mal in Folge konnte sich der SC Freiburg für die Europa League qualifizieren. Das berühmte Tüpfelchen auf dem I ist damit bereits erreicht.

Dass der Sport-Club am letzten Spieltag sogar noch die Chance auf einen Champions-League Platz hat, ist fast schon unglaublich. Freiburg erntet die Früchte der vergangenen Jahre, bekommt nun den Lohn für jahrelanges Zusammenbleiben und jahrelanges Dranbleiben. Der vermeintlich kleine Club ist so gut, weil er sich treu geblieben ist, den eingeschlagenen Weg nie verlassen hat und sich kontinuierliche Entwicklungsarbeit – gepaart mit Bodenständigkeit – eben auszahlt.

Streich: Europa League von Champions League nicht mehr weit weg

"Früher war die Europa-League nicht so etwas wahnsinnig Besonderes, aber das ist inzwischen anders. Die Europa-League ist nicht mehr ganz so weit weg von der Champions-League", sagt Streich und unterstreicht damit die Wertigkeit dieses Wettbewerbs, der nicht zuletzt durch den Sieg der Eintracht vergangenes Jahr an Bedeutung zugelegt hat. Die Champions-League-Teilnahme wäre unfassbar toll, aber keine Erfüllung eines lang gehegten Trainertraumes, so Streich vor dem Frankfurt-Spiel. Als er mit der A-Jugend Deutscher Meister wurde, da sei ein Traum in Erfüllung gegangen.

Ob Europa League oder Champions League, letztlich ist das keine Sache, mit der sich Freiburgs Trainer lange auseinandersetzt. Nach dem letzten Spieltag erfolgt der Blick auf die Tabelle, und sollte es gegen Frankfurt noch entscheidend sein, ein oder zwei Tore mehr schießen zu müssen, um Platz vier zu erreichen, dann "würden wir natürlich nochmal alle nach vorne schmeißen".

In welche Richtung entwickelt sich der SC Freiburg?

Worum sich Streich viel mehr Gedanken macht, ist der weitere Weg des Vereins. Die vergangenen Jahre waren von Erfolg gekrönt. Die Erwartungen der Fans sind gestiegen, die Sponsoren wurden verwöhnt, und auch die Spieler sehen sich natürlich lieber oben in der Tabelle als im Abstiegskampf. Doch was muss getan werden, um diesen Erfolg beizubehalten? Kann man diesen planen? Vielleicht sollte der SC jetzt viel Geld ausgeben für neue Spieler?

Es ist eine "Gratwanderung", ein "Balanceakt", so Streich. Schwierige Entscheidungen stehen an, denn das Wichtigste sei, dass der Sport-Club seine Identität nicht verliere, auf dem Weg bleibe. Für Freiburg waren in den vergangenen Jahren immer die Mentalität, der Charakter der Spieler wichtig. Das Sozialgefüge muss passen, einer für den anderen rennen und kämpfen. Und auch das Gehaltsgefüge ist natürlich entscheidend. Es sorgt eher für Unruhe, wenn das Gefälle zwischen den einzelnen Spielern zu groß ist. Neid sorgt für Zwietracht. Zwietracht schadet dem Mannschaftsgefüge. Ohne Geschlossenheit meist kein Erfolg.

In Freiburg zählt das "SC-Gen"

"Unsere Fußballschule ist ein Geschenk", sagt Streich. Bei den Preisen, die inzwischen für Spieler aufgerufen werden, kann Freiburg immer wieder durch den eigenen Nachwuchs Qualität für schmales Geld in den eigenen Kader bringen. Zudem noch Spieler, die das "SC-Gen" in sich tragen, die dieses Miteinander, dieses Füreinander leben. Spieler wie Matthias Ginter, Christian Günter oder Nicolas Höfler leben diese Mentalität vor. Noah Atubolu, Yannik Keitel oder Noah Weißhaupt gehören der nächsten SC-Gen-Generation an und leben diese, für den SC Freiburg so entscheidende Mentalität fort.

Dazu kommen dann perfekt passende Puzzleteile wie Michael Gregoritsch, Philipp Lienhart, Lucas Höler oder Maxi Eggestein. Und genau das meint Christian Streich, wenn er von einem Balanceakt spricht, wenn es um die Weichenstellung für die Zukunft geht. Früher war der SC Freiburg der "kleine" Verein, der jedes Jahr 40 Punkte erreichen will. Heute ist er beständiger als Mannschaften wie Wolfsburg, Leverkusen oder Frankfurt. Von Vereinen wie Schalke oder Hertha sogar weit entfernt. Doch normal sei das nicht, so Streich.

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Der Sport-Club muss sich treu bleiben

Denn will man auf seinem Weg bleiben, weiter auf junge Nachwuchsspieler aus den eigenen Reihen setzen, talentierte Spieler von außen holen, um sie weiterzuentwickeln, dann muss man in Kauf nehmen, auch mal wieder gegen den Abstieg zu spielen, weil sich viele Spieler erst einmal finden müssen. Doch gibt man Freiburg nach all den Erfolgen der vergangenen Jahre diese Zeit? Gesteht man diesem Verein weiter zu, auch mal wieder ein paar Jahre der "Dürre" zu haben, ohne gleich Forderungen und Rufe nach mehr Qualität von außen zu stellen?

Der SC Freiburg muss sich treu bleiben, weiter den Weg der vergangenen Jahre gehen. Seine Identität nicht zu verlieren kann aber bedeuten, eben auch mal wieder schlechtere Zeit in Kauf nehmen zu müssen. Ohne gleich nach neuen, vermeintlich besseren Spielern zu schreien oder gar einen Trainerwechsel anzustreben.

Quali für die Champions League immer noch möglich

Der SC Freiburg hat sich als Verein verändert. Neues Stadion, viel mehr Angestellte als noch vor ein paar Jahren. Die Transformation findet bereits statt – und das ist auch gut so, denn Stillstand bedeutet Rückschritt. Doch die Transformation muss behutsam und mit Bedacht vorangetrieben werden. Und das ist eben dieser "Balanceakt", diese "Gratwanderung" von der Streich spricht.

Deshalb wäre eine Champions-League-Teilnahme toll, aber mehr auch nicht. Erfolg führt zu Verpflichtung – und ob Freiburg dieser Verpflichtung immer nachkommen kann, ist fraglich.

Freiburgs Weg muss ein anderer bleiben

Mannschaften wie die Hertha oder auch Schalke haben in den vergangenen Jahren Unsummen an Geld ausgegeben und sportlich wenig bis nichts damit erreicht. Der Freiburger Weg war stets ein anderer und muss auch zukünftig ein anderer sein. Auch wenn damit wieder schwierigere Jahre als die vergangenen einhergehen.

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Claus-Peter Hufer