Den Hotel-Empfang mit Akkordeon-Klängen und slowakischen Leckerbissen verpasste Nick Woltemade noch, auch das Mario-Kart-Duell der U21-Nationalspieler im Flugzeug fand ohne den Stürmer statt. Erst mit Verspätung traf der 23-Jährige nach seinem Einsatz in der Nations League im EM-Quartier in Modra ein, dafür aber bestens gelaunt. "Ich bin sehr groß - und meine Energie ist auch groß", sagte der 1,98-Meter-Schlaks über seine nächste Titeljagd.
Die langen Beine also werden weiterhin laufen, aber für den Kopf, räumte der Stürmer ein, war es dann doch viel zuletzt: eine lange Bundesliga-Saison, der DFB-Pokalsieg mit dem VfB Stuttgart, die ersten Länderspiele, jetzt direkt das nächste Turnier. "Es waren recht viele Ereignisse aufeinander. Da musste ich schon oft den Schalter umklicken", sagte Woltemade, "das werde ich diesmal wieder machen. Und am Donnerstag geht es los."
Deutschland mit Start und einigen Ausfällen
Und wie: Mit dem wegweisenden Spiel gegen Slowenien am Donnerstag (12.06.) in Nitra (21 Uhr) startet das Team von DFB-Trainer Antonio di Salvo in eine EM, die besser werden soll als beim letzten Mal. Das Aus in der Vorrunde 2023 nach drei Endspiel-Teilnahmen hallt noch nach. Das erste Ziel ist daher klar. "Wir wollen nach Bratislava", sagt Di Salvo. Heißt: Das Halbfinale sollte es schon sein.
Erneute Niederlagen gegen Tschechien (Sonntag) und Titelverteidiger England (18. Juni) wie vor zwei Jahren sind daher verboten. Und auch unwahrscheinlicher angesichts von Spielern wie Torhüter Noah Atubolu, Rocco Reitz, Paul Nebel, Nelson Weiper, Brajan Gruda oder eben Woltemade, die längst in der Bundesliga etabliert sind. Der Slogan "Unsere Zukunft für Deutschland" über dem Hoteleingang in Modra könnte diesmal wirklich passen. "Wir haben eine richtig gute Truppe zusammen, die gezeigt hat, dass sie jedes Spiel ernst nimmt", sagt Di Salvo.
Nagelsmann mit schlechtem Gewissen
Das Fehlen von Spielern der Bayern und des BVB wegen der Klub-WM sei "schade", doch anderen Teams geht es ähnlich. England-Stürmer Liam Delap etwa muss mit seinem neuen Verein FC Chelsea in die USA, sein Teamkollege Jobe Bellingham weilte sogar schon in der Slowakei, als Dortmund rief.
Genug Jungstars sind in der Slowakei dennoch dabei. Englands Ethan Nwaneri etwa, dessen Marktwert auf 55 Millionen Euro geschätzt wird, zudem der Italiener Wilfried Gnonto, Mathys Tel für Frankreich oder Cristhian Mosquera (Spanien). Sie alle hoffen auf Karrieren wie die von Manuel Neuer, Mesut Özil, Andrea Pirlo, Petr Cech oder Thiago Alcantara, die einst U21-Europameister wurden. Die Scouts zahlreicher Topklubs werden daher wieder auf der Tribüne sitzen, aber natürlich schaut auch Julian Nagelsmann genau hin. Denn nicht nur Woltemade soll künftig den "Aufstieg" zur A-Nationalmannschaft schaffen.
Ein schlechtes Gewissen hatte Nagelsmann wegen Woltemade aber dennoch. "Ein kleines Sorry an Toni, das war nicht der Plan, dass Nick beide Male beginnt", sagte der Bundestrainer und wünschte viel Erfolg: "Ich drücke fest die Daumen, dass die U21 eine bessere EM spielt als wir und den Titel holt, den wir nicht geholt haben."