Knapp drei Wochen vor Beginn der Fußball-WM in Katar ist Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu Gesprächen über Arbeiterrechte und andere Menschenrechtsfragen in das Golfemirat geflogen. "Es geht darum, sich einen Einblick zu verschaffen, der nicht gleichzeitig mit dem Sportereignis stattfindet", sagte Faeser am Montagabend in Doha. Sie wolle diese Themen im Vorfeld der Weltmeisterschaft besprechen und "nicht die Sportler mit politischen Themen belasten".
Nach ihrer Ankunft in der Hauptstadt fuhren die für den Spitzensport zuständige Ministerin und eine Delegation des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) um Präsident Bernd Neuendorf zu einer Gesprächsrunde, bei der es um die Situation der vorwiegend aus Südasien stammenden Bauarbeiter sowie von Angestellten im Verkehrssektor und Hausangestellten ging.
"Herausforderungen" im Umgang mit Arbeitenden
Die Vertreter der Arbeiterinnen und Arbeiter hätten von guten neuen Gesetzen berichtet, diese gelte es nun "mit Leben zu füllen", sagte Faeser. Das Treffen, an dem unter anderem Max Tunon von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) teilnahm, fand in einem Luxushotel statt. Tunon sagte, durch die neue Gesetzgebung habe sich viel verbessert. Es gebe aber immer noch "Herausforderungen".
Beispielsweise warteten Arbeiter oft sehr lange auf ihren Lohn. Manche Arbeitgeber versuchten immer noch, den Wechsel von Mitarbeitern zu einem anderen Unternehmen zu verhindern. Ursprünglich war die Veranstaltung zu den Arbeitsrechten in einem Museum geplant, das der Geschichte der Sklaverei - in Katar und anderswo - gewidmet ist. Das Gebäude, in dem seit 2015 das "Bin Jelmood House" untergebracht ist, war früher das Haus eines bekannten Sklavenhändlers. Grund für die Verlegung sei ein Feueralarm, hieß es.
Neuendorf will auch FIFA in die Pflicht nehmen
Bereits vor dem Abflug ins WM-Gastgeberland hatte es diplomatische Verstimmungen gegeben, die am Wochenende jedoch weitgehend aus dem Weg geräumt wurden. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Luise Amtsberg, hatte ihre Teilnahme an der Reise mit Faeser kurzfristig abgesagt.
Auch ein Treffen mit FIFA-Präsident Gianni Infantino ist geplant. "Es gibt eine Menge Forderungen, die wir in Richtung Fußball und in Richtung der FIFA adressieren können. Es gibt aber auch Forderungen, die man an die katarische Regierung adressieren muss – und die Ministerin wird das auch tun", sagte DFB-Präsident Neuendorf.
Menschenrechte und Sicherheit der Fans
Das Bundesinnenministerium hatte bereits früh angekündigt, im Mittelpunkt der Reise stünden "die Menschenrechtsfragen, die rund um das Turnier diskutiert werden, etwa der Schutz von queeren Menschen vor Diskriminierung und Verfolgung sowie die Verantwortung für Wanderarbeiter, die die WM-Stadien gebaut haben". Faeser will wissen, ob es in dem islamisch-konservativen Emirat auch für schwule und lesbische Fußball-Fans sicher sein wird.
Das unterstrich auch Neuendorf am Montag noch einmal. Der DFB-Präsident betonte, wie wichtig es sei, dass Vertreterinnen und Vertreter der LGBTQI+-Community auf der Reise dabei seien. "Und auch in den Gesprächen, die wir führen, ihre Position deutlich machen werden", so Neuendorf.
"Was passiert, wenn die Scheinwerfer weg sind"
Benjamin Näßler ist für die Initiative "Liebe kennt keine Pause" mit dabei. Er will mit den Menschen in Katar ins Gespräch kommen. Sorge, dass Menschen aus der Community während der WM mit Repressionen rechnen müssen, habe er nicht. Aber: "Meine große Angst ist, was passiert mit den Menschen, wenn die Scheinwerfer weg sind." Er habe sich im Vorfeld der Reise Sorgen gemacht, wie es sei, in ein Land zu kommen, wo er nicht willkommen sei. "Ich habe den Schutzschirm der Bundesregierung, aber es bleibt ein mulmiges Gefühl", so Näßler.
DFB-Präsident Neuendorf betonte, das Turnier in Katar sei eine "außergewöhnliche WM", in deren Vorfeld sich bereits viel verändert habe. "Es zeigt, dass die Vergabe, wie sie erfolgt ist, so nicht mehr erfolgen wird. Weil der ganze Prozess politischer geworden ist." Das Turnier beginnt am 20. November. Am 18. Dezember steigt das Finale.