Thomas Hitzlsperger über die Weltmeisterschaft in Katar und die "One Love"-Kapitänsbinde.  (Foto: SWR)

Fußball | WM in Katar

Thomas Hitzlsperger kritisiert "One Love"-Binde: "Meint viel, aber sagt nichts aus"

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Johannes Holbein

ARD-WM-Experte Thomas Hitzlsperger hat die "One Love"-Kapitänsbinde kritisiert, die unter anderem DFB-Kapitän Manuel Neuer bei der WM in Katar tragen wird. Sie meine viel, sage aber nichts aus, sagte Hitzlsperger bei SWR Sport.

Er könne den Gedanken verstehen, dass die europäischen Mannschaften mit der "One Love"-Kapitänsbinde ein gemeinsames Zeichen setzen wollen. Der DFB hatte sich mit den Verbänden von England, der Niederlande, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich und Dänemark auf die Kapitänsbinde geeinigt. Hitzlsperger kritisierte allerdings, dass viele Menschen nicht verständen, was die Binde aussage: "Man braucht sehr lange, dass in die Köpfe der Leute kommt, dass da alles drinsteckt. Aber es ist dann zu viel." Die Aktion richtet sich, anders als die Regenbogen-Binde, nicht speziell gegen die Diskriminierung von Menschen aus der LGBTQIA+-Community, sondern gegen Diskriminierung im Allgemeinen.

Hitzlsperger hätte Regenbogen-Kapitänsbinde bevorzugt

Der ARD-WM-Experte hätte sich stattdessen gewünscht, dass Manuel Neuer und Co. die Regenbogen-Binde tragen. "Beim Regenbogen-Symbol weiß man, was es bedeutet. Man weiß auch, dass es die Katarer als Provokation empfinden und daher wäre es ein sehr starkes Symbol gewesen. Man hat sie ersetzt - und jetzt merke ich keine Reaktion. Das heißt, das ganze wird verwässert." Ob die "One Love"-Binde dennoch besser als gar kein Symbol sei? "Ja, ist ein guter Gedanke, aber es hätte ja gar nicht zurückmüssen auf eine unbedeutende und weiße Binde", sagte Hitzlsperger.

Die "One Love"-Kapitänsbinde richtet sich nicht speziell gegen die Diskriminierung von Menschen aus der LGBTQIA+-Community, sondern gegen Diskriminierung im Allgemeinen. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Die "One Love"-Kapitänsbinde richtet sich nicht speziell gegen die Diskriminierung von Menschen aus der LGBTQIA+-Community, sondern gegen Diskriminierung im Allgemeinen. Picture Alliance

Neuer sieht "One Love"-Kampagne als starkes Zeichen

Manuel Neuer hingegen betrachtet die "One Love"-Binde als wichtigen Beitrag. "Das starke Zeichen ist schon mal, dass wir nicht die einzige Nation sind, die diese "One Love"-Binde trägt", sagte Neuer im ZDF-"Sportstudio".

Die Kampagne "One Love" geht auf den niederländischen Verband zurück. Sie wurde 2020 ins Leben gerufen, nachdem der Spieler Ahmad Mendes Moreira während eines Spiels seines Klubs Excelsior Rotterdam beim FC Den Bosch im November 2019 rassistisch beleidigt worden war.

Hitzlsperger über homophobe Aussagen des WM-Botschafters Khalid Salman

Hitzlsperger, der 2014 seine Homosexualität öffentlich gemacht hatte, hat sich auch über die homophoben Äußerungen des katarischen WM-Botschafters Khalid Salman geäußert. Auf die Frage, ob er mit Salman ein Gespräch führen würde, sagte er: "Ja, natürlich. Weil er eine Auffassung hat, die ich absolut nicht teile. Ich würde versuchen zu verstehen, wie er zu der Ansicht kommt." Man müsse versuchen, den Menschen zu helfen, ihre Haltung zu ändern. Salman hatte in der ZDF-Dokumentation "Geheimsache Katar" vor laufender Kamera gesagt, dass Homosexualität ein geistiger Schaden sei. In Katar ist Homosexualität unter Strafe gestellt.

Hitzlsperger betonte, dass Homophobie auch in Deutschland verbreitet sei. "Machen wir uns nichts vor, es gibt Menschen in Deutschland, die auch so denken. Die kriegen zwar nicht die Öffentlichkeit, um das zu verkünden, aber es gibt überall Menschen, die das nach wie vor so auch denken und die mit Homosexualität ein Problem haben."

Hitzlsperger: Die Fankurven sind politischer geworden

In Bundesliga-Stadien haben sich Fans jüngst immer wieder für die LGBTQIA+-Community bekannt. In Stuttgart beispielsweise haben Fans in der Cannstatter Kurve während der Partie gegen Hertha BSC ein Banner hochgehalten mit der Aufschrift: "Peitsche für Wehrle, Knast für Hitz? Die WM in Katar ist ein Witz." Hintergrund ist, dass auch VfB-Vorstandsvorsitzender Alexander Wehrle, der Nachfolger von Hitzlsperger ("Hitz"), seine Homosexualität offen auslebt.

"Es hat sich sehr viel verändert, die Kurve ist sehr politisch seit vielen Jahren. In der Fanszene versucht man schon, den Boden für aktive Fußballprofis zu bereiten, dass sie sich outen. Das nehme ich immer wieder war", sagte Hitzlsperger. "Bei der letzten Europameisterschaft haben wir Stadien in Regenbogensymbolen gesehen. Da passiert sehr viel, aber dieser Schritt, sich persönlich zu outen, ist ein sehr großer, ein lebensverändernder Schritt - und dazu konnte sich noch keiner durchringen in der Bundesliga."

ARD-Dokumenation "Katar - warum nur?"

Auch in der ARD-Dokumentation "Katar - warum nur?" geht es unter anderem um den Umgang Katars mit Homosexualität. Darin trifft Hitzlsperger Menschenrechtler:innen, spricht mit Menschen aus der LGBTQIA+-Community, interviewt die Nationalspieler Ilkay Gündogan und Manuel Neuer und besucht einen ehemaligen Mitspieler aus Kindertagen bei seinem Heimatverein.

„Katar - warum nur?“ ist ein Film über Doppelmoral, über Verzweiflung, über Angst - und über die Liebe zum Fußball, die auf eine harte Probe gestellt wird.

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Johannes Holbein

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