Große mediale Aufmerksamkeit kommt ihm nicht zu. Die nehmen ihm seine Vorgesetzten Martin Schmidt und Christian Heidel ab. Im Hintergrund gehört Volker Kersting aber seit mittlerweile drei Jahrzehnten zu den heimlichen Vätern des Mainzer Erfolgs. Im November 2021 ist Kersting offiziell zum "Direktor Nachwuchsfußball" beim FSV Mainz 05 aufgestiegen. Eine reine Formalie, wie Sportvorstand Christian Heidel in der offiziellen Pressemitteilung damals verlauten ließ. "Mit der Ernennung von Volker Kersting zum Direktor Nachwuchsfußball passen wir unser Organigramm an und geben unserer Nachwuchsarbeit nun auch formal jenen hohen Stellenwert, die sie bei uns inhaltlich schon seit vielen Jahren hat."
Ein Patentrezept gibt es nicht
Wie aber wird man zum "Trüffelschwein" und findet die Trainer, in denen das Talent schlummert in der Bundesliga zu trainieren. Volker Kersting gibt sich zurückhaltend: "Das ist natürlich immer ein sehr weiter Weg. Das eine ist natürlich das Potenzial, welches man in einem Trainer sieht beziehungsweise erkennt. Du musst natürlich auch mit dem Trainer dann auch den Weg gehen und den Trainer den Weg gehen lassen und sie sich auch selbst entwickeln können", sagt Kersting im SWR-Interview. Kersting lobt dabei auch seinen Chef, 05-Sportvorstand Christian Heidel: "Bei uns ist das auch Christian Heidel, der so vielen Trainern, wie kein anderer, die Chance gegeben hat, aus dem Nachwuchsleistungszentrum Trainer in der Bundesliga zu werden".
Drei Jahrzehnte Mainzer Nachwuchsförderung
Seit 1991 ist Volker Kersting im Verein und kümmert sich um die Aus- und Weiterbildung im Nachwuchsfußball. Weit vor den heutigen professionellen Strukturen des Nachwuchsleistungszentrums. Er gilt als Mitbegründer des erfolgreichen NLZ von Mainz 05. Gemeinsam mit einem gewissen Stefan Hofmann arbeitete er seit Mitte der 2000er-Jahre am Aufbau der Strukturen. Sein Kompagnon ist als Vereins- und Vorstandsvorsitzender mittlerweile auf oberster Ebene im Verein tätig. Kersting ist der Nachwuchsarbeit treu geblieben und dort seit vielen Jahren in höchster Entscheidungsinstanz. Er und Heidel gaben zahlreichen jungen Trainern aus dem eigenen Stall eine Chance, sich auf Nachwuchsebene für höhere Aufgaben zu empfehlen - und das mit großem Erfolg.
Vier aktuelle Bundesliga-Trainer sind in Mainz ausgebildet worden
An diese Zahl kommt kein anderer Bundesligist auch nur annährend heran. Mit Bo Svensson haben die Mainzer ihren aktuellen Bundesliga-Coach selbst ausgebildet. Nach Stationen von der U15 bis zur U19 in Mainz, ist der Däne, über den kurzen Umweg FC Liefering in Österreich, seit etwas mehr als zwei Jahren als Cheftrainer zurück bei den 05ern. In zwei Jahren formte er aus einem sicher geglaubten Absteiger einen Europacup-Anwärter. "Bei Bo hat man schon als Spieler erkannt, dass in ihm ein potenzieller Trainer steckt. Und deswegen war es auch relativ schnell klar, dass Bo, wenn er hier als Spieler aufhört, als Trainer mit eingebunden wird", beschreibt Volker Kersting die ersten Schritte des Dänen im Trainergeschäft.
Auch Sandro Schwarz und Marco Rose haben Mainzer Wurzeln
Sandro Schwarz, aktueller Coach von Hertha BSC, leitete während Bo Svenssons Zeit bei der U19 die Profimannschaft von Mainz 05. Qualifiziert hat er sich dafür durch insgesamt vier Jahre im Mainzer Nachwuchsleistungszentrum. Von 2013 bis 2015 coachte er die U19, anschließend zwei Jahre die U23.
Weniger bekannt dürfte die Ausbildung von RB-Leipzig Coach Marco Rose in Mainz sein. Rose ist in Leipzig mittlerweile auf seiner dritten Station in der Bundesliga, nach Mönchengladbach und Borussia Dortmund. Seinen finalen Schliff als Trainer bekam er in der Red-Bull-Akademie in Salzburg. Die aller ersten Schritte ging er jedoch in Mainz. Kersting macht Rose nach seiner Spielerkarriere 2011 zum spielenden Co-Trainer der U23. Damaliger Cheftrainer: Der heutige Mainzer Sportdirektor Martin Schmidt. Auch Schmidt ging den Weg aus dem Mainzer NLZ bis in die Bundesliga.
Bayern-Trainer Thomas Tuchel wurde von Volker Kersting entdeckt
Der mit Sicherheit prominenteste Name von allen: Thomas Tuchel. Der neue Bayern-Trainer war die große Entdeckung von Kersting. Im Sommer 2008 holte er Tuchel als U19-Cheftrainer von der zweiten Mannschaft des FC Augsburg. Eine Saison, und den bis heute einzigen Mainzer U19-Meistertitel später, wurde Tuchel zum Profitrainer befördert.
Dort prägte er fünf Jahre lang die heutige fußballerische DNA der Mainzer mit, bevor er in Dortmund zu einem der besten Trainer Europas reifte. Nach Stationen bei Paris St. Germain und dem FC Chelsea, inklusive Champions-League-Titel, gilt er nun als neuer Heilsbringer des FC Bayern München. Entdeckt und gefördert von eben jenem Volker Kersting. Der Kontakt zwischen Kersting und Tuchel ist immer noch intensiv: "Thomas war sehr außergewöhnlich, schon zu den Zeiten, als er hier her kam. Ich glaube, er wäre seinen Weg als Trainer am Ende des Tages überall gegangen, weil er einfach sehr "outstanding"ist", lobt Kersting den neuen Bayern-Trainer.
Hoffmann als Tuchel-Nachfolger?
Mit Benjamin Hoffmann bewirbt sich aktuell der nächste Mainzer U19-Trainer für höhere Aufgaben. Erstmals seit 2009 steht Mainz 05 wieder im Halbfinale um die deutsche A-Junioren-Meisterschaft. Mit ordentlich Offensivpower, genau gesagt 56 Toren in 16 Spielen, setzte sich Hoffmanns Team in der Süd/Südwest-Staffel die Krone auf. Sollte sein Team am 23. April auch die Meisterschale entgegennehmen, könnte sich auch Kersting diesen zweiten U19-Meistertitel mit auf die Fahne schreiben. Er holte Hoffmann 2019 als Svensson-Nachfolger von Borussia Dortmund zu den Rheinhessen. Die Belohnung für die gute Arbeit: Sein Vertrag ist erst kürzlich bis 2026 verlängert worden.