Ein Jahr beim FCK, das entspricht so ungefähr fünf Jahren im normalen Leben. So oder so ähnlich könnte eine Formel lauten, die die kurzlebige Zeit beim pfälzischen Traditionsklub in echte Lebenszeit umrechnet. Ob Thomas Hengen in seinem FCK-Jahr wirklich um fünf Jahre gealtert ist, das weiß natürlich nur er selbst. Tatsache aber ist, dass er in einem turbulenten Jahr so viel erlebt hat, wie eigentlich in fünf Jahre passen würde. Viel Zeit zum Nachdenken hat Hengen eh nicht. Am Dienstag (1. März 2022, 19:00 Uhr) tritt der FCK zum Nachholspiel bei 1860 München an, am Samstag (5. März, 14:00 Uhr) beim VfL Osnabrück.
FCK: ein Klub mit großen Herausforderungen
Der 1. FC Kaiserslautern stand am 1. März 2021 beim Amtsantritt von Thomas Hengen auf Tabellenplatz 16, zwei Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz. Es drohte der Absturz in die Regionalliga. Immerhin, durch das abgeschlossene Insolvenzverfahren war der Verein einen Großteil seiner Schulden los, die wirtschaftlichen Sorgen waren deutlich kleiner geworden. Aber was nützte das, wenn sportlich die Bedeutungslosigkeit drohte? Das war die Ausgangssituation für Thomas Hengen, den der damalige Beiratssprecher Markus Merk mit viel Vorschusslorbeeren begrüßte: "Dynamisch, modern, frisch, innovativ, hungrig auf Erfolg …Thomas hat sich vom ersten Augenblick an überzeugend präsentiert. Wir glauben, mit ihm die großen Herausforderungen unseres FCK bewältigen zu können."
Nervenaufreibender Start
Dabei war der Gestaltungspielraum von Thomas Hengen zunächst begrenzt. Der FCK hatte gerade den dritten Trainer in der laufenden Saison verpflichtet. Auf Boris Schommers und Jeff Saibene folgte am 1. Februar 2021 Marco Antwerpen. Und die Transferperiode im Winter war gerade vorbei. Mit dem vorhandenen Kader musste der Klassenerhalt geschafft werden. Es sollten nervenaufreibende Wochen und Monate werden. Dazu ein Verein, dessen Strukturen und Kompetenzverteilung chaotisch waren. Jeder fühlte sich berufen mitzureden. Sportdirektor Boris Notzon von Markus Merk kaltgestellt, der Einfluss der Sponsoren im Hintergrund unklar.
Klassenerhalt schweißt zusammen
Die sportliche Talfahrt setzte sich auch mit Thomas Hengen zunächst fort. Der FCK rutschte in die Abstiegszone, die endgültige Rettung gelang erst am vorletzten Spieltag. Ein später Erfolg, der das Team und die Verantwortlichen wie Hengen und Trainer Marco Antwerpen zusammengeschweißt hat. Bei der Planung für die neue Saison, der vierten in der 3. Liga, konnte Hengen sein Geschick als sportlicher Geschäftsführer unter Beweis stellen. In seiner ersten Transferperiode hat er Pluspunkte gesammelt. Dass es gelungen ist, Publikumsliebling Jean Zimmer nach der Leihe aus Düsseldorf wieder fest zu verpflichten und sogar Felix Götze, den vielleicht besten Spieler der Liga in der abgelaufenen Rückrunde, erneut vom FC Augsburg zu leihen, sorgte für Euphorie. Mit dem Transfer von Routinier Mike Wunderlich gelang zudem ein Überraschungs-Coup.
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Nach Fehlstart jetzt im Aufwärtstrend
Die Erwartungen an die aktuelle Saison waren groß, aber auch das sollte kein Selbstläufer werden. Der Start verlief zäh, bis zum neunten Spieltag sah es wieder nach einer Saison im Abstiegskampf aus. Thomas Hengen behielt trotzdem einen kühlen Kopf, stand zumindest öffentlich hinter dem Trainer, hielt die Geldgeber bei Laune und verhinderte, dass bei den Pfälzern wieder einmal die Ungeduld so groß wird, dass Kurzschlusshandlungen jede Planung über den Haufen werfen.
Dann kam die sportliche Wende, die zumindest bis zum heutigen Tage anhält. Die Lauterer marschierten nach oben, kam in einen anhaltenden Aufwärtstrend. Endlich konnte die Weihnachtspause einigermaßen entspannt gefeiert werden. Und auch im neuen Jahr zeigt nun die Formkurve nach oben. Der FCK ist wieder attraktiv, die Fans zeigen wieder Emotionen, positive Schlagzeilen wie der Transfer von Terrence Boyd an den Betzenberg entfachen lange vermisste Euphorie.
Aufstiegstraum realistisch
Zum einjährigen Dienstjubiläum kann Thomas Hengen zufrieden Bilanz ziehen. Er ist in dieser kurzen Zeit mit dem FCK durch ein tiefes Tal gegangen und steht jetzt auf dem zweiten Tabellenplatz. Der Aufstieg in die zweite Liga ist realistisch, aber noch ist nichts erreicht. Auch in dieser Situation ist Thomas Hengen möglicherweise ein Segen für den Verein. Mit seiner besonnenen Art will er dafür sorgen, dass aus dem Aufstiegstraum nicht der nächste Albtraum wird. Schließlich wird Thomas Hengen im September 48 Jahre alt - und er will sich dann nicht fühlen, als sei er schon 55.