Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern ist in der 2. Bundesliga die Überraschung der bisherigen Saison. Im Interview spricht Trainer Dirk Schuster über die Erfolgsfaktoren des derzeitigen Tabellenvierten, die Pläne für die Rückrunde und seine persönlichen Höhepunkte des Jahres.
Herr Schuster, wie oft haben sie in den vergangenen Wochen auf die Tabelle geschaut?
Gar nicht. Das interessiert mich nicht groß. Klar, ich weiß: Die Tabelle sieht derzeit für uns gut aus, aber es ist erst die Hälfte der Saison gespielt. Da wird sich noch viel bewegen.
In der Winterpause 2014/15 hatten Sie mit dem damaligen Zweitliga-Aufsteiger Darmstadt 98 nach der Hinrunde 29 Punkte auf dem Konto. Am Ende gelang der Durchmarsch in die Bundesliga. Acht Jahre später sind es mit Aufsteiger 1. FC Kaiserslautern wieder 29 Punkte. Hätten Sie etwas dagegen, wenn sich Geschichte 2023 wiederholt?
Geschichte wiederholt sich relativ selten. Die Vorzeichen hier in Kaiserslautern sind andere als damals in Darmstadt. Wir sind froh, dass wir diese 29 Punkte geholt haben, sind aber geerdet und bleiben auf dem Boden der Tatsachen. Es wird sich überhaupt nichts an unserem Ziel ändern. Wir wollen so schnell wie möglich die 40 Punkte holen. Dann schauen wir mal, wo wir am Ende rauskommen. Ich bin optimistisch, dass wir den Klassenerhalt schaffen können. Alles andere ist realitätsfern.
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Trotzdem darf man Ihre Mannschaft sicher als das bisherige Überraschungsteam dieser Zweitliga-Spielzeit bezeichnen. Welche sind für Sie die entscheidenden Faktoren für die erfolgreiche Hinserie?
Es gibt eine unheimlich große Geschlossenheit innerhalb der Mannschaft. Sie funktioniert auf dem Platz, aber auch daneben und in der Kabine. Sie gibt niemals auf und hat ein riesengroßes Herz. Wir haben den Teamgeist aus der 3. Liga und die Euphorie rund um den Aufstieg mit in die neue Saison genommen. Das müssen wir auch wieder mit in die Rückrunde nehmen. Da wollen wir wieder Gas geben, um den Zuschauern erfolgreiche Spiele zu bieten. Das hat die Mannschaft in der Hinrunde schon sehr gut gemacht. Zudem haben wir eine unglaubliche Ruhe im Verein, es dringt kaum etwas nach draußen. Jeder weiß, wo wir herkommen und jeder geht unseren eingeschlagenen Weg mit.
Wie stellen Sie sicher, dass in der Mannschaft ob der derzeit guten Tabellenposition kein Übermut entsteht?
Wir haben gleich vor dem ersten Training der Wintervorbereitung klipp und klar angesagt, was uns in der Rückrunde erwartet. Kein Gegner wird uns mehr als Underdog sehen. Wir hatten das Trainingspensum vor Weihnachten so ausgelegt, dass die Mannschaft an ihre körperliche Grenze gehen musste. Die Spieler haben das Zeichen von uns bekommen, dass sie das machen müssen. Leidenschaft kommt von Leiden und Qualität kommt von Qual. Wenn ich sehe, mit welchem Einsatz die Mannschaft seit Anfang Dezember trainiert, dann merke ich, dass sie voll fokussiert ist und in der Rückrunde unbedingt noch so viele Punkte wie möglich holen will.
Hat es Sie überrascht, dass sich ihr Team von Saisonbeginn an so gut in der 2. Bundesliga zurechtgefunden hat?
Nein, ich war davon nicht wirklich überrascht. Trotz der für uns relativ kurzen Vorbereitungszeit im Sommer wussten wir, dass die Mannschaft, wenn sie funktioniert, in der Lage ist, jedem anderen Team in der 2. Liga weh zu tun. Wir hatten beim 0:3 gegen Regensburg Mitte Oktober einen Ausrutscher nach unten, der uns nicht allzu oft passieren sollte. Das hat uns aber gezeigt, dass wir in jedem Spiel 100 Prozent bringen müssen. Wenn wir das nicht schaffen, dann reicht es in dieser Liga eben nicht. Das war ein schöner Lerneffekt für alle.
Trotz der guten Zwischenbilanz zur Winterpause: An welchen Stellschrauben wollen Sie in der Vorbereitung auf die Rückrunde noch drehen?
Wir hatten in der Hinrunde in fast in allen Spielen phasenweise das Problem, dass wir nach Ballgewinnen nicht die Ruhe am Ball hatten und das Passspiel so gestalten konnten, dass man auch mal durchschnaufen kann. Da haben wir leichtfertig Bälle hergeschenkt und häufig falsche Entscheidungen getroffen. Das hat sich dann auch in unserer Passquote niedergeschlagen, wobei das für mich nie das Kriterium ist, um erfolgreich Fußball zu spielen. Die Mannschaft ist fit und kann marschieren, aber wir können es uns in den von mir angesprochenen Situationen ein wenig leichter machen. Am Passspiel arbeiten wir momentan in jeder Trainingseinheit.
Im Durchschnitt verfolgten über 38.000 Zuschauer die Heimspiele im Fritz-Walter-Stadion. Auswärts setzte der FCK mit 10.000 mitreisenden Fans in Hamburg oder 9.000 Fans in Düsseldorf ebenfalls Ausrufezeichen. Wie nehmen Sie diese Symbiose zwischen Publikum und Mannschaft wahr?
Was hier auf dem Betzenberg und auch auswärts, in Fürth oder Sandhausen hatten wir ja gefühlt auch ein Heimspiel, abgegangen ist, ist Weltklasse. Was von den Anhängern geleistet wird, ist ein Faktor, der uns immer wieder gepusht hat. Ich will aber nicht nur die Fans nennen. Alle, die im Umfeld mit dem Verein zu tun haben, haben mit ihrem Einsatz geholfen. Ich habe das Gefühl, dass jeder im Verein massiv Interesse daran hat, dass der Klub wieder dahin kommt, wo er hingehört. Das wird zwar noch ein längerfristiger Prozess sein, aber ich denke, dass wir da insgesamt auf einem guten Weg sind.
Der FCK hat in diesem Jahr für viele Höhepunkte gesorgt. Welches ist Ihrer?
Richtig weit vorn waren die zwei Relegationsspiele gegen Dynamo Dresden. Die haben den Grundstein für den Erfolg gelegt. Marco Antwerpen und sein Trainerteam hatten den dritten Platz in der 3. Liga erreicht. Dadurch, dass man den direkten Aufstiegsplatz noch verspielt hatte, war aber alles negativ behaftet, obwohl es dazu keinen Grund gab. Es war eine brutal schwierige Situation für uns und den Verein, das ganze Ding umzudrehen. Dass die Mannschaft das alles so souverän gemacht hat, gehört neben dem 2:1-Sieg in der Nachspielzeit im Zweitliga-Eröffnungsspiel gegen Hannover 96 zu den Höhepunkten für mich. Die Partie gegen Hannover hat noch einmal den letzten Impuls gegeben und uns gezeigt, dass wir konkurrenzfähig sind.
Für den FCK war die Rückkehr in die 2. Liga nicht nur wirtschaftlich ein wichtiger Schritt. Inwiefern merkt man als Trainer die Unterschiede zwischen 3. und 2. Liga?
Ich schätze den wirtschaftlichen Unterschied zwischen beiden Ligen als sehr groß ein. Das ist ein entscheidender Faktor, um hochkarätigere Spieler verpflichten zu können. Die Vergangenheit hat aber gezeigt, dass die Mentalität von Drittliga-Mannschaften die Qualität eines Zweitligisten schlagen kann. Das ist auch das, was wir der Mannschaft damals vor der Relegation gegen Dresden gesagt hatten.
Am 29. Dezember feiern sie ihren 55. Geburtstag. Was wünschen Sie sich?
Da habe ich nur einen Wunsch: Ich will gesund bleiben.