Christine Adams ist leitende Bundestrainerin im Stabhochsprung. Als eine von ganz wenigen Frauen in Deutschland ist sie an führender Stelle auch für die Männer im Spitzensport verantwortlich. Neben vielen organisatorischen Aufgaben, die zu ihrer Position gehören, trainiert sie in ihrer Gruppe auch überwiegend Männer. Doch im Gespräch mit dem SWR erzählt die 47-Jährige, es sei ihr noch nie passiert, dass beim Smalltalk jemand automatisch davon ausgegangen wäre, sie sei Bundestrainerin für die Männer.
Spitzensportlerinnen im Schatten der Männer
"Dass die Gesellschaft scheinbar gar nicht im Kopf hat, dass auch eine Frau Männer trainieren könnte oder auch Verantwortung auf Bundesebene für Männer haben könnte. Das finde ich schon schade und auch ein bisschen traurig." Diskriminiert aber habe sie sich auf ihrem Weg zur Bundestrainerin nie gefühlt. Doch sie sagt auch: "Ich weiß wirklich nicht, wie es gewesen wäre, wenn ich eine andere Konkurrenz gehabt hätte?" Adams war im Stabhochsprung früher selbst international erfolgreich, sie sagt, in einer so speziellen Sportart wie der ihren "gibt es einfach nicht 20 Bewerber für irgendetwas". Und doch sei sie bei Meisterschaften grundsätzlich die einzige Frau auf der Tribüne, die Athleten betreue.
Dass im deutschen Spitzensport überwiegend Männer als Trainer beschäftigt werden, zeigt auch das Ergebnis der exklusiven SWR-Umfrage unter mehr als 700 Spitzensportlerinnen. In der nicht repräsentativen Umfrage gaben 77% der Teilnehmerinnen an, überwiegend von Männern trainiert zu werden, jede Vierte sogar ausschließlich.

Männliche Trainer? "Man ist es nicht anders gewohnt"
Alina Böhm, Judoka und Mitglied der Nationalmannschaft, sagt dazu im SWR-Interview: "Man ist es nicht anders gewohnt. Mein Bundestrainer ist männlich. Mein eigener Trainer ist männlich. Mein Physio ist männlich. Mein Ernährungsberater ist männlich. Aber für mich ist das überhaupt kein Problem, weil ich es nicht anders gewohnt bin." In der U18 habe sie unter einer Bundestrainerin ihre ersten Schritte in der Nationalmannschaft gemacht, was sie auch als angenehm empfunden habe. Gerade vor dem Hintergrund, dass für sie damals noch alles neu gewesen sei, zum Beispiel weit reisen, zum ersten Mal längere Zeit auf Lehrgängen unterwegs. Sie habe sich hier bei einer Trainerin sehr gut aufgehoben gefühlt.
Hockey-Nationalspielerin Sonja Zimmermann sagt, sie sei in ihrer Karriere bislang sogar ausschließlich von Männern trainiert worden. "Ich weiß gar nicht, wie ich darauf reagieren würde, mal von einer Frau trainiert zu werden", sagt die 21-Jährige dem SWR. Insgesamt gab in der SWR-Umfrage jede vierte Spitzensportlerin an, sie würde sich eine andere Zusammensetzung des Trainerstabs wünschen.
"Der organisierte Sport sollte einsehen, dass es hier ein großes Ungleichgewicht gibt", sagt Prof. Ilse Hartmann-Tews von der Deutschen Sporthochschule Köln zu den Ergebnissen der Umfrage. "Ich denke, dass Trainer einen guten Job machen. Aber allein schon das Bild, dass es überwiegend nur Männer als Trainer gibt, ist etwas, das den Nachwuchs auch vielleicht nicht animiert, diese Laufbahn zu gehen." Sie wisse vonseiten der Athletinnen, dass sie sowohl Trainer als auch Trainerinnen schätzten. "Diejenigen, die schon mal Erfahrungen mit Trainerinnen gemacht haben, was sehr selten vorkommt, sagen, eine Trainerin würde ich mir als nächstes wünschen."
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"Natürlich können Frauen das"
Dr. Petra Tzschoppe, Vizepräsidentin und Beauftragte für Frauen und Gleichstellung beim DOSB, zeigt sich bei diesem Thema selbstkritisch. Man sei aktuell darum bemüht, das Berufsbild der Trainerin attraktiver zu gestalten. Bislang würden Sportler zudem häufiger schon während der aktiven Karriere auf eine mögliche spätere Trainertätigkeit angesprochen. "Von Sportlerinnen haben wir währenddessen Signale bekommen, dass sie solange sie noch aktiv sind - im besten Falle auch Medaillen gewinnen können - für den Verband von Interesse sind. Sobald sich das Karriereende abzeichnet, ist es damit vorbei." Tzschoppe plädiert dafür, die Sportlerinnen im System zu halten, man könne sich für die Zukunft nicht leisten, die Sportlerinnen mit all ihrer Erfahrung und Expertise "so einfach von dannen ziehen zu lassen".
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Im Gespräch mit dem SWR merkt sie zudem an, "dass wir auch mit unserer wirklich renommierten Ausbildungsstätte 'Trainerakdademie' eigentlich schon das Signal aussenden, dass das eine Sache für Jungs ist. Vielleicht sollten wir sie künftig Trainingsakademie nennen. Also an verschiedenen Stellen einfach deutlich machen: Ja, natürlich können Frauen das!"
Frauen in einer Gruppe verändern immer auch das Arbeitsklima
Davon ist auch Stabhochsprung-Bundestrainerin Christine Adams überzeugt. Sie glaubt, dass Frauen, "wenn man Gas gibt und richtig Lust, sich engagiert und fachlich gut ist" in der Leichtathletik auch gute Chancen auf führende Trainingsposten hätten. Dass aber, um mehr Frauen für den Beruf zu begeistern, möglicherweise die Rahmenbedinungen noch etwas verändert werden müssten. Adams ist davon überzeugt, dass mehr Frauen für die Gruppendynamik wichtig wären. "Man muss nicht Leute auf Positionen setzen, die da nicht hingehören. Aber ein bisschen mehr Ausgleich wäre glaube ich von Vorteil". Denn Frauen in einer Gruppe veränderten immer auch das Arbeitsklima.
Gerade in Mannschaftssportarten, in denen es traditionell viele Männer gebe, sieht sie jedoch auch für engagierte Frauen noch große Hürden, vor allem beim Paradebeispiel Fußball. "Ich glaube da ist es wirklich so, dass die Akzeptanz so weit hinten ist, dass eine Frau, egal wie gut sie ist und egal wie gut sie sich fortbildet und wie sie vielleicht auch Erfahrungen gesammelt hat. Sie wird aktuell keinen Fuß auf den Boden bekommen." Ihr Traum: "Wenn ne Frau dort Bundestrainerin für die Männer werden könnte. Wäre natürlich direkt der allerhöchste Schritt. Dazwischen kommt ja noch die Erste Bundesliga und die Zweite und wahrscheinlich auch die Dritte. Aber das wär´doch mal das Geilste!"