Wohnen im alten Kieswerk

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EIN FILM VON
Julius Schmitt (Redaktion), Cécilia Marchat (Ton), Enno Endlicher (Kamera) und Andrea Grumbt (Schnitt). Produktion: EIKON Media GmbH, im Auftrag des SWR.

Ein Betonmischer mitten im Raum. In einem Zementsilo die Küche, im anderen das Schlafzimmer. Für Ania Dziezewska und Volker Scheurer ist das Normalität. Das Künstlerpaar wohnt in einem alten Kieswerk in Weil am Rhein.

Die ehemalige Transportbetonmischanlage ist ein Industriedenkmal in der Stadt und liegt im „Dreiländergarten“ nahe der Grenze zu Frankreich und der Schweiz. In den 1920er Jahren war sie die erste Anlage dieser Art in der Region. In zwei großen Rührwerken wurde hier bis 1996 aus Kies Beton hergestellt und von Lastwagen, die direkt unter die Stelzenkonstruktion fahren konnten, abtransportiert. Seit 1999 steht das ungewöhnliche Industrie-Gebäude unter Denkmalschutz.

Früher Kieswerk, heute Wohnraum und Kunst-Atelier

Zwei Jahre später hat Volker das Kieswerk übernommen. Der auf Stahlstelzen stehende Industriebau hat ihn inspiriert. 2001 begann er das Industriedenkmal als Atelier zu nutzen. Das Gebäude hatte damals schon mit Rost zu kämpfen. Volker hat es nach und nach umgebaut und als Kunst- und Wohnraum nutzbar gemacht. Die alten Maschinen, Förderanlagen und Stahlkonstruktionen hat er zum Teil in die Räume und seine Kunst integriert und damit auch langfristig geschützt. Ihm ist es wichtig, dass die Geschichte des Gebäudes zu spüren ist. Geplant und gebaut hat er das alles größtenteils selbst.

„Wir leben und lieben Kunst“, erzählt er und das ist auch überall erkennbar. Wohnen und Kunst verschwimmen. Draußen stehen Volkers meterhohe Skulpturen in einem etwa 2000 Quadratmeter großen Außengelände. Im ersten Stock befindet sich die Galerie mit Anias Gemälden. Die Galerie ist aber auch gleichzeitig das Wohnzimmer des Künstlerpaars.

Im zweiten Stock hat Volker die vier Silo-Türme zu Wohnräumen umgebaut. Rund 100 Quadratmeter Wohnfläche sind dadurch für die beiden entstanden – Platz für eine kleine Küche, ein Bad und mehrere Zimmer. Für sich selbst, aber auch für ihre Kinder oder ihr „Artist in Residence“-Programm, eine Kooperation mit verschiedenen Kunsthochschulen im Ausland. Ihren privaten Wohnbereich haben die beiden eher schrill und bunt eingerichtet, mit jeder Menge Kitsch und skurrilem Krimskrams aus Japan.

Viele japanische Elemente

Japan haben sie beide durch viele Reisen und eigene Ausstellungen kennen und lieben gelernt. Das spiegelt sich nicht nur in den unzähligen verrückten Souvenirs wider, sondern auch in der übrigen Wohnungseinrichtung. So gibt es im Badezimmer auch eine japanische Toilette, die u. a. auch den Komfort einer Po-Dusche bietet.

In dem eigens mit japanischen Reisstroh-Matten ausgelegten „Tatami“-Raum haben die beiden sich einen traditionell japanischen Esstisch mit „Fuß-Heizung“ gebaut. Ob Tee trinken oder einfach nur Entspannen – dieser Raum ist ganz ihrer Japan-Leidenschaft gewidmet.

Schlafen unter freiem Himmel auf dem gläsernen Dach

Viel Licht scheint durch das gläserne Dach und zeigt die Aussichtsplattform. Auf dem Dach befindet sich der „Roof-Top-Garten“. Tomaten, Peperoni, Kräuter hat Ania hier während Corona angepflanzt. Außerdem gibt es auf dem Dachgarten auch einen Jacuzzi und ein Bett. „Eigentlich schlafen wir drei Monate im Jahr auf dem Freilichtbett.“ Doch dieser Sommer war zu verregnet. Die Aussicht lässt sich auch so genießen.

„Wohnen ist nichts Statisches, es ist wandelbar“, finden die beiden. Das Kieswerk ist ein ewiges Projekt: Hier ein neuer Boden, dort eine neue Wand. Wann immer Geld da ist, wird es in das Gebäude investiert. „Es ist wie ein Traum und Albtraum zugleich“ lacht Volker – die Arbeit endet nie.

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Julius Schmitt (Redaktion), Cécilia Marchat (Ton), Enno Endlicher (Kamera) und Andrea Grumbt (Schnitt). Produktion: EIKON Media GmbH, im Auftrag des SWR.