SENDETERMIN Do, 5.7.2018 | 22:00 Uhr | SWR Fernsehen
Wer darf was und wofür? Tierversuche
Viele Forscher halten Experimente an Tieren für unverzichtbar. Odysso lotet aus, in welchen Fällen sie Sinn machen, wo sie sinnlos sind und welche Alternativmethoden es bereits gibt, ohne dass Tiere leiden.
Tierversuche nur für Grundlagenforschung und Medikamentenentwicklung
Im Tierschutzgesetz ist verankert, dass Tieren ohne vernünftigen Grund kein Leid zugefügt werden darf.
So ist es in der EU generell verboten, Tierversuche für Kosmetik-, Waschmittel-, Waffen- und Tabaktests durchzuführen. In einigen Bereiche sind Tierversuche jedoch unter bestimmten Voraussetzungen zulässig oder sogar Pflicht.
2:42 min | Do, 5.7.2018 | 22:00 Uhr | SWR Fernsehen
Tierversuche
Wer darf was und wofür?
1) Grundlagenforschung
Die Grundlagenforschung dient in der Wissenschaft – vor allem an Universitäten und Forschungsinstituten – keinem konkreten Zweck oder Ziel. Es geht vielmehr darum, neues Wissen zu erarbeiten bzw. bestehendes Wissen zu erweitern und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
2) Medikamentenentwicklung
Bevor neue Medikamente auf den Markt kommen, sind Tierversuche gesetzlich vorgeschrieben. Da neue Präparate in der Regel für einen internationalen Markt produziert werden, müssen multinational operierende Firmen die Anforderungen aller Länder, in denen das Medikament vertrieben wird, erfüllen. Dem Unternehmen würde es also nicht viel nützen, in Europa auf alternative Testmethoden zurückgreifen zu können, wenn für das gleiche Produkt in Brasilien oder Neuseeland Tierversuche nachgewiesen werden müssen.
Genehmigung von Tierversuchen
Erste Voraussetzung für einen Wissenschaftler ist eine Genehmigung für die Haltung der Tiere. Für einen Tierversuch muss er einen Antrag stellen mit dem Nachweis, dass der Versuch unerlässlich ist. Das heißt: Mit einer anderen Methode kann er die Fragestellung nicht untersuchen.
Die Schmerzen und das Leid der Versuchstiere muss er dabei auf ein unerlässliches Maß reduzieren. Das heißt konkret: Operationen unter Narkose, danach Schmerzmittel. Was "unerlässlich" aber genau heißt, legt der Wissenschaftler selbst fest.
Ausnahme:
Versuche mit Affen sind immer genehmigungspflichtig und werden in einer Kommission besprochen.
Für den Versuch darf er nur so viele Tiere wie unbedingt nötig, also unerlässlich, verwenden. Der Antrag geht in mehrfacher Ausfertigung an eine Landesbehörde. Diese Behörden heißen in jedem Bundesland anders. Bei Versuchen für die Grundlagenforschung berät eine Kommission die Landesbehörde. In der Kommission sitzen meist zwei Tierschützer und vier Wissenschaftler. Sie geben eine Empfehlung ab.
Bei der Medikamentenentwicklung gibt es keine Kommission; hier ist der Versuch nur anzeigepflichtig.
Wenn das Tier getötet wird, um seine Organe zu untersuchen, muss der Wissenschaftler das der Behörde nur mitteilen: "Töten zu wissenschaftlichen Zwecken" heißt das im Fachjargon.
Leben als Versuchstier – der Alltag
An der Universität Münster gibt es 16.000 Mäuse in 32 Räumen. Bis zu fünf erwachsene Tiere teilen sich einen Käfig. Einmal am Tag kommt ein Pfleger vorbei. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben. Der Pfleger prüft, ob genügend Wasser und Futter vorhanden ist und meldet gegebenenfalls Auffälligkeiten bei den Tieren dem Leiter der Einrichtung. Falls notwendig entscheidet der dann, ob ein Tierarzt hinzugezogen werden muss.
5:10 min | Do, 5.7.2018 | 22:00 Uhr | SWR Fernsehen
Laborleben
Der Alltag der Versuchstiere
Einmal pro Woche bekommen die Mäuse einen sauberen Käfig. Sauberkeit ist wichtig, damit die Tiere nicht krank werden, die Umgebung möglichst keimfrei bleibt und die Experimente sicher durchgeführt werden können.
An weniger als fünf Prozent dieser Mäuse werden operative Eingriffe vorgenommen. Die meisten werden getötet, um danach an ihrem Gewebe weiter forschen zu können.
Da die Mäuse in Münster genetisch verändert sind, werden die toten Tiere in einer Verbrennungsanlage vernichtet. Auch das entspricht einer amtlichen Anordnung, wonach die Kadaver solcher Tiere "unschädlich vernichtet" werden müssen.
Alternativen zum Tierversuch
Tierversuche sind nicht nur ein ethisches Problem. Experten bemängeln, dass sich Tierversuche nur schwer auf andere Arten, geschweige denn den Menschen übertragen lassen. Sie ziehen die Forschung an menschlichen Zellen vor und entwickeln neue Technologien.
Kritik an Tierversuchen:
- ethisch fragwürdig
- mangelnde Übertragbarkeit auf den Menschen
Wissenschaftler der Universität Konstanz arbeiten mit menschlichen Zellen im Reagenzglas, z.B. mit Gehirnzellen. An diesen menschlichen Minigehirnen können die Forscher sehr konkret testen, welche Substanzen genau welche Gehirnzellen schädigen.
Auch menschliches Blut kann als Grundlage für die wissenschaftliche Forschung dienen und z.B. Tierversuche an Kaninchen ersetzen.
6:17 min | Do, 5.7.2018 | 22:00 Uhr | SWR Fernsehen
Ohne Tierleid
Tierversuchsfreie Forschung
Zwar wird noch längst nicht auf Tierversuche verzichtet – weltweit werden z.B. geschätzt 400.000 Kaninchen für Versuchszwecke eingesetzt – aber es ist Bewegung in das Thema gekommen. Man kann mittlerweile alternative Testmethoden, die es früher nur an wenigen Unilabors gab, kaufen. So wurden in der industriellen Forschung mittlerweile knapp 80 Prozent der Tierversuche ersetzt.
Wenn ein Versuchstier in Rente gehen darf
Manche Tiere überleben das Versuchslabor. In Österreich gibt es ein Altersheim für Schimpansen, die in einem Labor der Pharmaindustrie eingesetzt waren. Beispielsweise wurde eins der Tiere zu Testzwecken mit HIV infiziert. Schimpansen erkranken nicht an AIDS, tragen aber das Virus in sich und sind auch für Menschen ansteckend. Das Tier muss daher isoliert leben.
5:43 min | Do, 5.7.2018 | 22:00 Uhr | SWR Fernsehen
Affenrefugium
Altersheim für Laborschimpansen
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