SENDETERMIN Do, 11.7.2019 | 22:00 Uhr | SWR Fernsehen
Umweltschutz So werden giftige Altlasten entsorgt
Vor allem in den 1950er und 60er Jahren ging man sorglos mit Giftabfällen um. In unterirdischen Deponien von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg gibt es deshalb zehntausende Altlasten.
Die Kesslergrube in Grenzach-Wyhlen im südbadischen Landkreis Lörrach ist eines der gigantischsten Sanierungsprojekte in Deutschland. Für ihre Sanierung investiert die Pharmafirma Roche fast eine Viertelmilliarde Euro. 320.000 Tonnen belastete Erde werden dort ausgegraben, in Container verfrachtet und entsorgt.
Entsorgung mit hohem Risiko
In den 50er Jahren wurden von der Industrie in der ehemaligen Kiesgrube giftige Lösungsmittel, Galvanikschlämme und Schwermetalle abgekippt. Bei den Sanierungsarbeiten sind nur ein Löffelbagger und ein Radlader im Einsatz. Mit mehr Maschinen wäre das Unfallrisiko zu hoch.
26 Tonnen belastete Erde werden in Sicherheitscontainer verladen. Für die Sanierung wurde sogar ein eigener Schiffsanleger am Rhein gebaut. Der Frachter fährt zwei Kilometer den Fluss stromaufwärts. Dann reisen die Container auf der Schiene weiter. Der Wasserweg wäre zu unsicher für den Transport.
Mischdeponie erfordert aufwändige Sanierung
Da die Kesslergrube eine sogenannte Mischdeponie ist, sind dort Abfälle aus der Kommune, Bauschutt und chemische Reststoffe gelagert. Das sei eine besondere Herausforderung für die Sanierung, betont Richard Hürzeler, der bei Roche für Altlasten und Umwelt verantwortlich ist. Daher muss genau erfasst werden, wo welche Altlasten liegen. Nur so können die Abfälle so getrennt werden, dass sie in verschiedene Entsorgungsanlagen abgeführt werden können. Danach werden sie verbrannt.
Eine Software erkennt auf den Zentimeter genau, wo sich die Schaufelspitze des Baggers befindet und warnt vor Fehlern. Auch um das Grundwasser unter der Altlast muss sich die Sanierungsfirma kümmern und verhindern, dass giftiges Wasser aus der Grube in den Rhein fließt. Dafür müssen jeden Tag 1.700 Kubikmeter Wasser abgepumpt und gereinigt werden.
Grundwasser ist stark belastet
Ausgerechnet eine Baumaßnahme für den Schiffsverkehr auf dem Rhein hatte den Grundwasserspiegel unter der Kesslergrube um fünf Meter ansteigen lassen und so das Problem verschärft. Seit dem Bau der Schifffahrtsschleuse in den 1950er Jahren ist die Deponie in Kontakt mit dem Grundwasser. "Das heißt, das Sickerwasser ist stark belastet", erklärt der Roche-Umweltbeauftragte Hürzeler. Deshalb wurde eine mehrstufige Grundwasser-Reinigungsanlage gebaut, die das Sickerwasser so reinigt, dass es direkt in den Rhein entlassen werden kann.
Die mit verseuchter Erde gefüllten Container verlassen die Halle durch eine Waschstraße nach draußen und werden dann auf das Frachtschiff verladen. 320 dieser Sicherheitscontainer wurden extra für die Sanierung konstruiert. Schließlich landet die giftige Erde in Öfen und wird bei bis zu 1.600 Grad verbrannt.
Wasserdampf reinigt kontaminierte Erde
An der Universität Stuttgart gibt es eine Anlage zur Erforschung von Methoden zur Altlastensanierung - die größte weltweit. Hier wurde ein Verfahren zur Sanierung von vergifteten Böden entwickelt, die man nicht einfach ausbaggern kann. Etwa, wenn es sich um überbaute Flächen handelt.
Bei dem Stuttgarter Verfahren spielt Wasserdampf eine entscheidende Rolle. Er reinigt die kontaminierte Erde. Es handelt sich um das Prinzip der Dampf-Luft-Injektion, erklärt Oliver Trötschler vom Institut für Wasser- und Umweltsystemmodellierung. "In diesem Sanierungsverfahren presst man eine Dampf-Luftmischung in den Boden und erhitzt die Erde dadurch. Die Schadstoffe verdampfen und werden dann einfach abgesaugt."
Stuttgarter Sanierungsverfahren in Oberursel
Im hessischen Oberursel kam das Verfahren erstmals zum Einsatz. Eine chemische Fabrik hatte den Boden über zwanzig Jahre lang mit halogenierten Kohlenwasserstoffen verunreinigt, also mit giftigen, krebserregenden Lösungsmitteln. Auf einer Fläche von 120 Quadratmetern wurde die Erde bis in zwölf Meter Tiefe verseucht. Auch unter denkmalgeschützten Gebäuden.
Hier kommt das in Stuttgart entwickelte Sanierungsverfahren zum Einsatz: 82 Grad heißer Dampf wird in den Boden gepresst, 20 Kubikmeter pro Stunde. Was aus dem Boden herauskommt, wird mit Aktivkohle gereinigt. Um sicherzustellen, dass das Gift nicht einfach an der Erdoberfläche ausgast, haben die Ingenieure 18 Absaugbrunnen ringförmig angeordnet. Sie stehen alle unter Unterdruck und saugen die Luft aus den tiefen Bereichen des Boden ab. "Zusätzlich haben wir noch oberflächennah eine Plane liegen und eine weitere Absaugleitung darunter, sodass keine Schadstoffe nach außen entweichen können", erklärt Oliver Trötschler.
Sanierung kostet Millionen
Die thermische Behandlung in Oberursel ist fast abgeschlossen, die Kosten der Sanierung belaufen sich auf rund 2,3 Millionen Euro. Ungleich teurer ist der Job der Sanierer in der Kesslergrube in Grenzach-Whylen: Wenn im Jahr 2020 der letzte Container mit verseuchter Erde gefüllt ist, hat das Projekt 240 Millionen Euro verschlungen.