Deutschland hat geschätzt etwa neun Milliarden große Bäume. Die meisten davon stehen im Wald und gut 40 Prozent aller Exemplare sind Laubbäume. Rechnet man das um, kommt man auf rund 14 bis 18 Millionen Tonnen gefallenes Laub im Jahr. Das ist so viel wie die Deutschen etwa an Lebensmitteln im Jahr wegwerfen. Das Volumen dieser Blätter-Tonnen hängt selbstverständlich davon ab, wie stark man es zusammenpresst. Es dürfte bei rund 320 Millionen Kubikmetern liegen. Veranschaulicht sind das etwa ein Dutzend Cheops-Pyramiden nebeneinander.

Das meiste Laub liegt naturgemäß im Wald - und da gehört es auch hin. Aber in den Städten könnte man das gefallene Laub besser nutzen, als es einfach mit dem Laubbläser zusammen zu kehren und in die Kompostanlage zu bringen. Die ökologisch sinnvollste Verwertung ist es hier, das Laub in Kraftwerken mit zu verbrennen. Alleine in Berlin würde das den Klimagas-Ausstoß von 2.000 Einwohnern wettmachen.

Im Garten ist der Blätterteppich als Dünger hingegen nicht so nutzbringend, wie viele Hobbygärtner glauben. Der Baum gibt nämlich nicht gerne Nährstoffe her und hat das meiste im Herbst ins Holz zurückverlagert - bevor er die Blätter fallen lässt. Trotzdem steckt noch etwas drin: Calcium und Eisen zum Beispiel. Laub liegen lassen ist trotzdem oft eine gute Idee: Die zerfallenden Blätter sind Nahrung für viele Mikroorganismen und Regenwürmer. Der Humusgehalt des Bodens verbessert sich deutlich. Außerdem schützt die Laubdecke empfindliche Pflanzen im Winter vor Austrocknung und Frost und unterdrückt Unkraut.

Eine Ausnahme: Kastanienlaub unter den Bäumen sollte entfernt werden, denn da hausen die Kastanienminiermotten drin. Solche Schädlinge und Krankheiten sind übrigens auch oft der Grund, warum die Blätter bereits früh fallen. Vorsicht auch bei kranken Blättern mit Mehltau, Rost oder Sternrußtau - etwa an Rosen. Auch diese sollten entfernt werden. Andernfalls könnten sie im nächsten Frühjahr den Neuaustrieb wieder krank machen.

Rasen und mediterrane Stauden wie Thymian und Salbei sollte man ebenfalls von Laub befreien. Denn sie vertragen keine Abdeckung. Auch die kleinen Laubhaufen, die dadurch entstehen, sind wichtige Biotope. Igel, Frösche, Kröten und Lurche lieben so etwas als Winterlager.

Wenn der Baum den Winterschlaf vorbereitet und das grüne Chlorophyll abbaut, kommen andere Farben zum Vorschein: Das Gelb der Carotinoide, das schon immer da war - nur verdeckt - und das Rot der Anthozyane, die dann noch einmal neu gebildet werden. Dabei ist der Farbrausch aber weder Zufall noch nur-schön. Diese Stoffe schützen die Blätter vor Sonnenbrand und verhindern, dass schädliche freie Radikale gebildet werden. Das erklärt auch, warum der Indian Summer an der amerikanischen Ostküste so intensiv ist: Kalte Nächte und viel Sonne schon am Morgen - da brauchen die Pflanzen starken Sonnenschutz.

Mit dem Rest-Chlorophyll, das nach dem Abbau noch im Baum steckt, kann der Baum Energie für den Winter speichern. Es gibt auch Hinweise darauf, dass eine intensive Färbung einhergeht mit starken Abwehrstoffen der Pflanze gegen Insekten. Und, dass die Insekten deshalb blasse Bäume sogar eher angreifen als bunte. Dass am Ende alle Blätter braun werden, ist eine andere Sache. Das ist die Farbe der Gerbstoffe, die entsteht, wenn die rote Farbe vergeht. Der gleiche Vorgang läuft beispielsweise ab, wenn Apfelschnitze braun werden.

Laub ist nicht gleich Laub! Erlen, Eschen und Ulmen - da sieht man schon nach kurzer Zeit nicht mehr viel von den braunen Blättern, nach einem Jahr sind sie völlig zersetzt. Doch das ist nicht bei allen Bäumen so. Bei Eichen, Buchen, aber auch bei Pappeln und Platanen, kann es hingegen drei Jahre dauern, bis alles weg ist. Der Grund dafür: der hohe Gerbstoffgehalt. Versetzt man die Blätter mit etwas Kalk oder Steinmehl geht es etwas schneller.

Besonders interessant: Fallendes Laub lässt die Erde schneller drehen! Im Herbst, wenn das Laub fällt, geht es der Erde wie der Eiskunstläuferin bei der Pirouette: Wenn sie die ausgestreckten Arme zum Körper hinzieht, rotiert sie immer schneller. Das nennt der Physiker Drehimpulserhaltung. Wenn das Laub nicht an den Bäumen hängt, sondern auf dem Boden liegt, ist es näher an der Erdachse. Der Effekt ist selbstverständlich nicht spür-, aber durchaus messbar: Im Winter dreht sich die Erde knapp eine tausendstel Sekunde schneller als im Sommer.

Winter bei uns bedeutet Sommer auf der Südhalbkugel. Dort fällt im Oktober naturgemäß nicht das Laub von den Bäumen. Aber in Südamerika, Afrika und Australien gibt es weniger Waldfläche und wenn, dann sind das überwiegend Tropenwälder, die ihr Laub übers ganze Jahr austauschen. Unterm Strich ist die Laubmasse, die dort im Frühling hinzu wächst, jedenfalls viel kleiner als die Menge, die in Kanada, den USA, in Europa und in den riesigen russischen Wäldern in unserem Herbst abfällt. Deshalb dreht sich die Erde in unseren Wintermonaten insgesamt etwas schneller als in den Sommermonaten.

(Autor: Werner Eckert, SWR Umwelt und Ernährung)