„Man kauft Schwerkranken die Desinfektionsmittel weg.“

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Stefan Bächle
Stefan Bächle (Foto: SWR)
Stefanie Molitor
Stefanie Molitor (Foto: SWR)

Apothekerin Julia aus Stuttgart erlebt die Hysterie um das neue Coronavirus hautnah: Wucherpreise für Atemmasken, Desinfektionsmittel als Dauerbrenner. Ihre Message: Keine Panik!

Julia, Apothekeninhaberin in Stuttgart: "Man muss sich bewusst sein, dass man schwerkranke Menschen einem Risiko aussetzt, indem man ihnen das Desinfektionsmittel wegkauft, obwohl man es nicht braucht." (Foto: SWR)
Julia, Apothekeninhaberin in Stuttgart: "Man muss sich bewusst sein, dass man schwerkranke Menschen einem Risiko aussetzt, indem man ihnen das Desinfektionsmittel wegkauft, obwohl man es nicht braucht."

„Mir wollte jemand aus Spanien Atemmasken andrehen, die sind mittlerweile wie heiße Ware. Regulär kosten sie um die fünf Euro. Die Dinger für einen Wucherpreis von 20 Euro verkaufen, das kann eine Privatperson machen, ich als Apothekerin habe ein Berufsethos: Ich mache das nicht! Wir sollten den Menschen die Hysterie nehmen.“

Julia ist Inhaberin einer Apotheke in Stuttgart und täglich mit dem Thema „Corona“ konfrontiert. Auch sie hat anfangs noch Atemmasken verkauft.

Wann braucht man denn eigentlich so eine Atemmaske?

„De facto sind die Masken im Infektionsfall anzuwenden und nicht vorbeugend. Wir haben den Kunden gesagt, dass die Masken nichts bringen, aber wenn sie sie trotzdem wollen, dann sollen sie sie halt nehmen. Das ist ein bisschen wie bei unwirksamen Diätpillen. Im Nachhinein bereue ich es, die Masken überhaupt verkauft zu haben. Sie sollten – wie auch das Desinfektionsmittel – da sein, wo sie gebraucht werden.“

Zum Beispiel bei immungeschwächten Menschen oder in Krankenhäusern.

Hamsterkäufe: Desinfektionsmittel

„Man muss sich bewusst sein, dass man schwerkranke Menschen einem Risiko aussetzt, indem man ihnen das Desinfektionsmittel wegkauft, obwohl man es nicht braucht.“

„Die Uni Tübingen hat die Masken zum Beispiel schon rationiert, denn die größere Gefahr ist, dass das Fachpersonal nicht mehr arbeiten kann. Dann sitzen wir alle ganz schön in der Tinte.“

In der Apotheke sei es trotzdem schon passiert, dass Leute richtig aggressiv wurden und sich teilweise an den Kleidern gezogen habe, um als nächstes dranzukommen.

Abgespecktes Gesundheitssystem, verunsicherte Patienten

„Ich verstehe die Leute, die sind natürlich irgendwie alleingelassen. Unser Gesundheitssystem ist mittlerweile so abgespeckt, dass der Arzt kaum noch Zeit für den Patienten hat.“

„Aber je mehr man sich die Informationen aus dem Internet holt, desto größer wird die Hysterie. Corona ist was Neues, was Unheimliches. Das sind ganz rudimentäre menschliche Ängste. Die gilt es zu adressieren und nicht einfach wegzudiskutieren.“