Das Trauma bleibt – Polizeieinsatz beim Amoklauf

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Stefanie Molitor
Stefanie Molitor (Foto: SWR)

2009 tötete ein 17-jähriger Junge 15 Menschen und später sich selbst. Der Amoklauf von Winnenden jährt sich am 11. März zum elften Mal. Ernst war damals als Polizist im Einsatz und erlebte einen Tag, der sein ganzes Leben veränderte.

„Vor dem Amoklauf war ich selbstsicher in meinem Auftreten und konnte Menschen sehr gut einschätzen. All das ging mir plötzlich verloren.“

Ernst beschreibt sein früheres Ich als „echter Vollblut-Bulle“: Er ermittelt unter anderem beim Staatsschutz in der rechten Szene und im Drogenmilieu. Bis zu seinem Einsatz am 11. März 2009 beim Amoklauf von Winnenden. Dort fahndet Ernst mit Kollegen nach dem Täter, nimmt später Zeugenaussagen der Schülerinnen und Schüler auf und muss am Ende des Tages die Verletzungen und Einschusslöcher der Opfer dokumentieren: „Ich habe spontan gesagt, dass ich das nicht mehr schaffe. Aber es hieß, es sei niemand anderes da.“

Nichts ist mehr wie vorher

Nach dem Amoklauf versucht Ernst, einfach weiterzumachen. Aber das funktioniert nicht: „Wir haben beispielsweise eine banale Fahrzeugkontrolle in einem Wohngebiet gemacht und mir ist erst danach aufgefallen, dass ich die Pistole gezogen und immer in der Hand hatte. Ich wusste nicht, was mit mir los war und habe nur Angst und Scham gespürt.“

Posttraumatische Belastungsstörung

Erst viel später erhält er die Diagnose: posttraumatische Belastungsstörung. Diese psychische Erkrankung kann als Folge einer schweren traumatischen Erfahrung entstehen, zum Beispiel nach einer Geiselnahme, einer Vergewaltigung, einem Unfall. Er sei bei der Polizei kein Einzelfall, sagt Ernst, trotzdem fühle er sich von seinen Vorgesetzten im Stich gelassen.

„Mir wurde unterstellt, ich sei ein Simulant. Klar, man muss sich von Fachleuten begutachten lassen, das musste ich auch, das ist auch richtig so. Aber es ist wichtig, dass man Menschen nach solchen Einsätzen nicht allein lässt.“

Ernst kämpft für Verständnis und Unterstützung

Ernst muss sich selbst um eine Trauma-Therapie kümmern, findet sie erst nach dreieinhalb Jahren. Jetzt – elf Jahre später – sei das Trauma nicht geheilt, aber er komme zurecht. Doch sein Gesundheitszustand ist schlecht, er hat einen Tumor im Kopf und wird nicht mehr lange leben. Aber Ernst bleibt ein Kämpfer: „Ich gerate an meine psychischen und physischen Grenzen, aber ich versuche, mich mit meiner positiven Lebensweise wieder aufzubauen. Ich bin dankbar für jeden Tag.“