Sterben im Christophorus-Hospiz: Der Tod gehört zum Leben dazu

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AUTOR/IN
Julian Camargo Krauskopf
Heimat RP (Foto: SWR, Foto von Simon Zimbardo.)

„Der Gast sagt, was er möchte und was er braucht und das ist das Einzige, was entscheidend ist.“

Was einfach klingt, ist in Krankenhäusern nicht selbstverständlich. Deshalb schätzt Patricia Mollnau ihre Arbeit als Krankenschwester im Christophorus-Hospiz in Mainz. Der Begriff „Gast“ wird hier ganz bewusst verwendet, nicht etwa Patient oder Bewohner. Denn Menschen, die ins Christophorus-Hospiz kommen, sind todkrank und wissen, dass sie hier sterben werden – sie werden nicht geheilt, sie bleiben hier nicht länger, sie sind Gäste.

Eine von ihnen ist Barbara Reitz. Sie hat Krebs: „Es ist eine Aufopferung für eine Familie, wenn einer schwerkrank ist und um ihnen die Last zu nehmen, geht man beizeiten in so eine Einrichtung, denn dafür sind sie da.“ Was gesunden Menschen weit weg erscheint, war für sie selbstverständlich. Nicht selbstverständlich ist für Außenstehende sicher auch ihre Sicht auf den Ort, an dem sie sterben wird:

„Es ist ein lebensfroher Ort und keiner, wo man sagt, hier komme ich her, mache morgen die Augen zu und Feierabend.“

Der Blick auf die Dinge verschiebt sich, wenn man mit den Menschen hier spricht

Der Tod wird als etwas Natürliches betrachtet und das Leben bekommt ein anderes Gewicht. Hier sind es nicht mehr die großen Dinge, die zählen, sondern die kleinen, denn sie machen die Summe des Lebens aus.

Am 1. Mai 2019 haben Autor Julian Camargo und Kameramann Kai Zinßer den fertigen Film im Hospiz vorgeführt. Fünf Tage später ist Barbara Reitz verstorben. Es war ihr Wunsch, anderen Menschen durch diesen Film zu zeigen, dass ihr letzter Lebensabschnitt im Hospiz kein trauriger und schmerzhafter war.

Pflegerin Patricia Mollnau sieht ihre Arbeit im Hospiz als Berufung

„Seit ich im Kindergarten war, wusste ich, dass ich Krankenschwester werden wollte und habe es keine Sekunde bereut.“

Und das merkt man Patricia Mollnau an. Sie arbeitet im Christophorus-Hospiz in Mainz und betreut dort Menschen, die wissen, dass sie bald sterben werden. Keine einfache Aufgabe, die Patricia aber mit Hingabe und großem Engagement meistert. Die Arbeit gibt ihr viel, auch, weil sie weit über die Pflege hinausgeht. Denn im Hospiz geht es darum, den Gästen, wie die Bewohner hier genannt werden, einen würdevollen und erfüllten letzten Lebensabschnitt zu ermöglichen.

Dazu gehören auch lange Gespräche oder gemeinsames Musizieren – einfach alles, was den Menschen die Zeit schöner macht. Da passt es gut, dass Patricia Cello und ihre Kollegin Klavier spielt. Zusammen spielen sie am liebsten romantische, melancholische Stücke. Für die Gäste ist das oft bewegend, sodass auch schonmal Tränen fließen. Ob aus Trauer oder Freude, spielt dabei keine Rolle, denn im Hospiz gilt: „Alles darf sein.“

Lily arbeitet ehrenamtlich im Hospiz und lernt fürs Leben

Lily engagiert sich ehrenamtlich im Christophorus Hospiz in Mainz – zusätzlich zu ihrer eigentlichen Tätigkeit als Dozentin an der Uni. „Viele Ehrenamtliche sind berufstätig und es lässt sich meistens sehr gut vereinen.“ Mit gerade mal 31 Jahren ist sie im Hospiz-Kollegium auffallend jung. Doch der Gedanke, dass sie selbst und alle anderen Menschen irgendwann gehen müssen, hat Lily dazu bewogen, sich näher mit diesem Thema zu befassen: „Ein Grund, warum ich hier angefangen habe, war, dass mich das Thema Sterben zunehmend beschäftigt hat. Es war ein Versuch, damit in Kontakt zu kommen und mehr darüber zu erfahren, wie man damit umgehen kann.“

Lily empfängt Besucher richtet Mahlzeiten her oder dekoriert die Räume

„Wir versuchen, den Pflegern und Pflegerinnen den Rücken freizuhalten.“ Der Umgang mit den Gästen ist ein Gewinn für beide Seiten. Die Arbeit hat sie zwar nicht zu einem anderen Menschen gemacht, dennoch konnte Lily bereits wichtige Erfahrungen sammeln: „Es ist nicht so, dass man hier das Ehrenamt macht und plötzlich weiß man, was wichtig ist im Leben. Aber man wird immer wieder an Dinge erinnert, die man mehr wertschätzen könnte. Man fragt sich öfter: Was ist jetzt wirklich wichtig?“ Ihr Bild von Hospizen hat sich für Lily nachhaltig verändert. Anfangs hätte sie nicht damit gerechnet, dass es so ein heller und schöner Ort sein würde. Die Menschen kommen, um ihre letzten Tage und Wochen so angenehm wie möglich zu erleben.  Dementsprechend sind auch alle Emotionen und Gefühle präsent

„Es ist schon so, dass es hier sehr traurige Momente geben kann, aber das darf auch so sein. Es gibt aber auch sehr lustige und gesellige Momente. Das Hospiz ist ein sehr vielseitiger Ort.“

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