Politiker vor dem Stockacher Narrengericht

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Cem Özdemir am 20.2.2020 vor dem Stockacher Narrengericht. Neben ihm sitzt der Narrenbüttel. (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir mussste am 20.2.2020 - was für ein närrisches Datum - vor das Stockacher Narrengericht. Neben ihm sitzt der Narrenbüttel, der dafür sorgt, dass das Protokoll bei der Verhandlung eingehalten wird. Özdemir wurde zwar in zwei von drei Anklagepunkten freigesprochen. Wegen „Vorteilssuche im Amt“ muss er aber wegen besonderer Schwere der Schuld 180 Liter Wein abliefern.
Annegret Kramp-Karrenbauer vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
Annegret Kramp-Karrenbauer stellte sich 2019 dem Narrengericht. Sie wurde wegen "Entmannung der CDU" verurteilt. Außerdem habe sie die Wahl um den CDU-Vorsitz nur mit Hilfe der Jungen Union gewonnen. Das deuteten die Richter als "Thronraub durch Verführung Minderjähriger". Als Strafe musste sie 3 Eimer Wein à 60 Liter entrichten.
Thomas Strobl vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
„Frauen an die Macht, auch in der Fastnacht“, das forderte Thomas Strobel 2018. Das Publikum im Saal war begeistert. Letztlich wurde der CDU-Politik jedoch wegen seiner Allmachtsphantasien schuldig gesprochen. Bei der Strafe ließen die Richter Gnade walten. Statt sechs Eimer à 60 Liter Wein, musste er nur sechs Eimer zu 41 Liter abliefern.
Malu Dreyer vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin war im Februar vom Narrengericht im baden-württembergischen Stockach zur Zahlung des Strafweins verdonnert worden. Dreyer war von den Narren aus dem Kreis Konstanz in zwei von drei Anklagepunkten für schuldig befunden worden: Sie hatten ihr "wissentliche Karnevalisierung der Landespolitik" sowie einen Verrat am angeblichen Grundkonsens der SPD vorgeworfen, wonach sich Wahlsiege nicht gehören würden. Dreyer hatte 2016 die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz gewonnen.
Peter Altmaier vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
Peter Altmaier (CDU), Chef des Bundeskanzleramts, kam 2015 mit einer vergleichsweise milden Strafe davon. Er wurde zur Zahlung von einem Eimer Wein verurteilt. Schuldig gemacht hatte er sich der Schweigsamkeit.
Winfried Kretschmann vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
Im Fall Winfried Kretschmann (Grüne) ließ das Stockacher Narrengericht 2014 keine Milde walten: Der Ministerpräsident wurde zur Zahlung von drei Eimern Wein zu je 60 Litern verurteilt. Sein Vergehen: Umkehrung der gesellschaftlichen Ordnung.
Heiner Geißler vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
2013 musste sich Heiner Geißler, Politiker (CDU) und Stuttgart 21-Schlichter, verantworten. Und zwar wegen folgender Punkte: "Fortgesetzte Beleidigung des Wählers durch Raub des politischen Koordinatensystems, Zerstörung der eigenen Partei und des politischen Establishments und wegen gröbster Fahrlässigkeit beim Sprengen, Schlichten und Putschen von Denkmälern aller Art." Er wurde zu drei Eimern Wein verurteilt, die er persönlich in Stockach ablieferte.
Philipp Rösler vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Patrick Seeger)
2012 lautete die Anklage für den Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP): "Unrechtmäßige Verwendung von heißer Luft" und "Herstellung von Seifenblasen". Er wurde nur teilweise für schuldig befunden und erhielt folgendes Urteil: Zwei Eimer Wein vom "Guten Roten". Sein Urteil enthielt allerdings eine Besserungsklausel, die ihm ein Skonto in Höhe des Wahlergebnisses der nächsten Landtagswahl einräumte. Nach der Wahlergebnis im Saarland konnte er also knapp 1,5 Liter Wein von seinem Strafmaß abziehen.
Frank-Walter Steinmeier vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Marijan Murat)
2011 war der damalige SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Angeklagter vor das Narrengericht getreten. Er sei ein Meister der Täuschung geworden, er habe die Linke verraten und sich als Verantwortlicher in der Regierung auf die Seite der Banker geschlagen, diese Punkte führte Kläger Thomas Warndorf gegen ihn ins Feld. Er wurde für schuldig befunden. Zur Strafe verhängte das Gericht viereinhalb Eimer Wein österreichischen Maßes, was 270 Litern Wein entspricht.
Renate Künast vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Bernd Weissbrod)
Renate Künast traf es 2010 in ihrer Funktion als Grünen-Fraktionschefin. Sie musste sich vor dem Narrengericht in Stockach wegen folgender Anklagepunkte verantworten: Machtgeilheit, Gewaltbereitschaft und Wahnvorstellungen, unter denen sie leide. Auch sie wurde schuldig gesprochen und zu eineinhalb Eimern Wein (90 Liter) verurteilt.
Willi Stächele vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
Vergesslichkeit war einer der Anklagepunkte, die dem damaligen Landesfinanzminister Willi Stächele (CDU) vor dem grobgünstigen Gericht vorgeworfen wurde. Ihm wurde zur Last gelegt, seine Ehefrau an einer Autobahnraststätte stehen gelassen zu haben. Obwohl er Dutzende Finanzamtsvorsteher dazu bewegen konnte, als Chor dem Gericht ein Ständchen zu bringen, konnte ihn das nicht vor einer Verurteilung schützen.
Andrea Nahles steht vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
2008 stand Andrea Nahles als stellvertretende Vorsitzende der SPD vor Gericht - unter anderem lautete die Anklage auf "Königsmord" am "König der Arbeiter", Franz Müntefering. Auch sie wurde für schuldig befunden und zu vier Eimern Wein (240 Liter) verurteilt.
Günther Oettinger steht vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
Baden-Württembergs ehemaliger Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) traf es 2007 als Beklagter. Bei ihm lautete die Anklage auf "gedankenlose Schnellsprecherei" und Frauenfeindlichkeit. Bereits 1987 war er zum Stockacher Laufnarren ernannt worden - jedoch ohne Anklage. Doch er musste vor Gericht eingestehen, dass er die Kappe inzwischen verloren hatte. Dies bestrafte das Gericht vorab bereits mit einem Liter Wein und kannte dann auch keine Gnade mehr mit ihm.
Franz Josef Jung steht vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
2006 war Ex-Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) an der Reihe. Vorgeworfen wurde ihm unter anderem "Handeln ohne Einsicht und wider besseren Wissens". Von seinem Fürsprecher ließ sich das Gericht wenig beeindrucken, sprach ihn schuldig und verurteilte ihn zu zwei Eimern Wein. Zusätzlich behielt sich das Gericht vor, das Weingut seiner Familie zu besuchen. Jung stammt nämlich aus einer hessischen Winzerfamilie.
Peter Müller steht als Angeklagter vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: dpa Bildfunk, Patrick Seeger)
Peter Müller (CDU), der damalige saarländische Ministerpräsident saß 2005 auf der Anklagebank. Er bekam den ersten und einzigen Freispruch! Allerdings wurde eine Ordnungsstrafe gegen ihn verhängt, wegen Ungebührlichkeiten gegenüber dem Gericht in Höhe von zwei Eimern Wein und der Teilnahme am Laienschauspiel in Stockach. Er hatte die Gerichtsnarren als "Beischläfer" betitelt.
Friedrich Merz vor dem Stockacher Narrengericht (Foto: dpa Bildfunk, Patrick_Seeger)
2004 wurde dem ehemaligen Vizevorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, die Narrenkappe aufgesetzt. Bei der Verhandlung nahmen die Richter insbesondere sein damaliges Steuerkonzept aufs Korn. Es hieß, er habe sich ein Steuerkonzept ausgedacht, das so eindeutig und klar sei, dass die "Lieblinge der Nation", die Finanzbeamten, arbeitslos würden. Ihr Urteil: zwei Eimer Wein.
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SWR