Fastnachtsmuseum "Narrenschopf" in Bad Dürrheim

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Der Geisinger Schafhirte blickt melancholisch in die Ferne, aus seiner Pfeife steigt kein Rauch und die Fridinger Narren ziehen kräftig am Seil, wollen dem Pflüger helfen, den Narrensamen auszubringen und kommen doch nicht voran. Denn wie alle, müssen auch sie still stehen und dürfen ihre Schellen nicht läuten im Bad Dürrheimer Narrenschopf, dem größten Maskenmuseum Deutschlands.

Auf rund 1.000 Quadratmetern stehen nach Fastnachtslandschaften geordnet 400 Figuren der schwäbisch-alemannischen Fasnet in Masken und Kleidle dicht beieinander und geben ein solch unwirkliches Bild ab, dass ein kleines Mädchen einmal fragte: "Sind die schon lange tot?" 73 Zünfte stellen hier ihre traditionellen Figuren - die älteste Maske stammt aus dem Jahr 1814 - in zwei Kuppelbauten aus. 68 davon gehören zur Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte, die dieses Museum gemeinsam mit der Stadt Bad Dürrheim gegründet hat. Außerdem vertreten sind Rottweil, Villingen, Elzach, Oberndorf und Überlingen, die schon in den 50er Jahren die Vereinigung verlassen haben.

Details werden sichtbar

Hier im Narrenschopf kann der Besucher die Figuren in Ruhe und aus der Nähe betrachten, kann dem Offenburger Teufel ungestraft an den Ohren ziehen und auf den Schafskopf-Karten des Spielkartennarro aus Zell Sehenswürdigkeiten erkennen. Viele kleine Details, die im närrischen Treiben vorbei ziehen, werden sichtbar. Auf den von Hand mit bunten Ölfarben bemalten Leinengewändern der verschiedenen Weißnarren lassen sich oft Stadtwappen und stadtspezifische Gegenstände oder Früchte entdecken, die von der Herkunft der Figur erzählen. Das Häs des Kornhöffle aus Lindau ist mit Weizenhalmen bemalt, weil die Stadt früher vom Kornhandel gelebt hat.

Und an das Gewand des Bad Dürrheimer Salzhansels sind 900 Salzsäckchen genäht, die mit verschieden farbigen Bändern verschnürt sind. Mit Salz ist die Stadt einst reich geworden und so stehen die verschiedenen Farben für die verschiedenen Salzsorten: für Speisesalz, Viehsalz oder Streusalz. Jede Figur hat ihre eigene Geschichte. Schwer trägt das Hüfinger Baptistle einen Fensterrahmen auf seinen Schultern, denn er durfte - so will es die Legende - sein neues Gewand nur durchs Fenster zeigen. Das hatte das Stadtoberhaupt ihm erlaubt, während die Fasnet insgesamt verboten worden war. Doch das Baptistle war nicht blöd. Es hing sich den sperrigen Rahmen um den Hals und spazierte damit auf die Straße.

Nicht nur fröhliche Geschichten erzählen die Figuren der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. In der Hechinger Fasnet findet sich beispielsweise das Pestmännle mit seinem kranken Gesicht, seiner schmuddeligen Kleidung und seinen wirren roten Haaren. Dieses Pestmännle, so glaubten die Hechinger einst, sei schuld daran, dass die Stadt so häufig von dieser Seuche heimgesucht wurde. Mutige Männer hätten sich schließlich dichte schwarze Kutten angezogen, mit denen sie glaubten, die Krankheit abwehren zu können. Ihnen gelang es, dieses böse Männle zu fangen und so den Ort von der Seuche zu befreien. Heute laufen diese beherzten Mannsbilder als Pestbutzen im Umzug mit.

Vielfalt der Materialien

Eindrucksvoll ist auch die Vielfalt der Materialien, aus denen Masken und Kleidung der Figuren gefertigt sind. Statt Lindenholzlarven trugen die Narren, um sich zu verbergen, einst nur Stoffe vor ihrem Gesicht. Den so genannten "Vorhan" tragen heute noch das alte Weib aus Friberg oder das Hüfinger Hexle. Auch Gazemasken aus fein verwobenem Draht gab es zu früheren Zeiten. Und auch fürs Häs wurde damals reichlich improvisiert: Aus Geldmangel wurden auf Sonntagsanzüge kurzerhand kleine Stofffetzen aufgenäht, von Resten, die die Frauen gerade zur Hand hatten. War die Fastnacht schließlich vorbei und der Alltag von der Fastenzeit bestimmt, wurden die Fetzen vorsichtig wieder abgetrennt - außer, der Besitzer hatte noch einen zweiten Anzug im Schrank hängen. Auch heute werden die verschiedenen Blätzles-, Fleckles- oder Spättlesgewänder noch mühe- und kunstvoll von Hand genäht.

Früher verwendeten die Menschen für ihre Maskierung oft das, was die Natur ihnen bot. So besteht etwa das Häs des Wolfacher Nussschalenhansel aus 2.000 aufgenähten halben Walnussschalen, das des Schneckenhüslinarro aus übers Jahr hinweg gesammelten Schneckenhäusern. Und der Furtwanger Bodenwälder ist ganz in eine Baumflechtenart gehüllt, die heute selten ist und unter Naturschutz steht. Der Waldkauz wird also in Zukunft nur noch selten sein kantiges Baumgesicht in der Menge zeigen. Umstritten ist das Gewand der Messkircher Katze, denn sie trägt mitten auf ihrem Bauch das Fell einer echten Artgenossin. Tierschützer beschwerten sich, die Verteidigung des Häs' durch die Meersburger Zunft folgte prompt: Nur Katzen, die eines natürlichen Todes gestorben seien, würden für das Gewand verwendet - das kleine Mädchen konnte damit nicht getröstet werden.

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SWR