Eine Szene wie in einem schlechten Krimi: Am vergangenen Samstag Morgen plant die Polizei in Chemnitz, den 22jährigen Terrorverdächtigen Dschabr Al-Bakr in einem Mehrfamilienhaus festzunehmen. Seit etwa zwölf Stunden wissen die Ermittler von dem brisanten Verdacht: Der Mann könnte IS-Terrorist sein, Sprengstoff haben, ein Attentat planen.
Man nimmt mit, was man für solche Einsätze braucht: Ein Spezialeinsatzkommando und ein mobiles Einsatzkommando, einen Führungsstab und los geht’s. Doch während man noch überlegt, wie man die „Zielperson“ am besten „festlegt“, wie es in der Sprache der Ermittler heißt, kann Al-Bakr ungehindert aus dem Haus marschieren. Das bekannte Fahndungsfoto können die Beamten noch von ihm machen, dann ist er weg.
Aufgrund ihrer „Vollmontur“ sei es den Beamten nicht gelungen, schnell genug hinter dem Verdächtigen herzukommen, hieß es heute bei der sächsischen Polizei. Ich füge hinzu: Unerhörterweise ist der Mann auch nicht freiwillig stehen geblieben, als er dazu mündlich („Halt! Polizei!!“) aufgefordert wurde, selbst Warnschüsse hatte er ignoriert.
Durfte das passieren?
Nein, lautet die klare Antwort. Spätestens seit dem 04. September 2007 darf einem deutschen SEK dieser Fehler eigentlich nicht unterlaufen. An diesem Tag entkam der islamistische Terrorist Daniel Martin Schneider („Sauerlandgruppe„) barfuß und in Trainingshose der GSG 9.
In Medebach/Oberschledorn wollte die GSG 9 die Sauerlandgruppe überwältigen, hatte das entsprechende Ferienhaus umstellt und selbst entschieden, wann der Zugriff beginnen sollte. Daniel Martin Schneider war zu diesem Zeitpunkt in einem Bad in Hochparterre, sprang aus dem Fenster in den Garten – und rannte an verdutzten GSG 9-Beamten vorbei. Vor Gericht beschrieb er das Geschehen als „Begegnung mit Darth Vader„.
Einige Minuten später wurde er von einem BKA-Beamten mehrere hundert Meter weiter gestellt, die beiden kämpften, Daniel Schneider bekam die Waffe des BKA-Kommissars zu fassen und es fiel ein Schuss (weswegen Schneider später auch wegen Mordversuchs verurteilt wurde).
Daniel Schneider war zu Beginn seiner Flucht schlicht schneller und wendiger, als der GSG 9-Beamte. Dem BKA sagte der Elitepolizist später: „Ich stellte die Verfolgung etwa zwei Meter vor dem Zaun ein. Die Verfolgung über den Zaun hinweg war wegen meiner Ausrüstung nicht sinnvoll“.
Im Sauerland-Fall war Glück im Spiel, dass es bei einer ärgerlichen Anekdote blieb: Schneider wurde gefasst, der BKA-Beamte des äußeren Absperrrings nicht ernstlich verletzt.
Die vermeidbare Panne in Chemnitz bescherte Deutschland mehr als 40 Stunden Terror-Alarm – intern werden jetzt die Schuldigen gesucht.
schreibt am 12. Oktober 2016 09:00 :