Wer erwartet, dass sich Beate Zschäpe zu den Vorwürfen gegen sie in absehbarer Zeit äußern könnte, dürfte enttäuscht werden. Aus dem Gefängnis heraus hat sie einem anderen Gefangenen tiefe Einblicke in ihre Gedankenwelt gegeben. Der Schriftwechsel liegt mir vor. Zschäpe schildert sich darin selbst als eine Frau mit schwankenden Launen – aber festem Willen. Sie bringt einen seltsamen Humor auf und glaubt, in der Haft Psychopharmaka untergeschoben zu bekommen. Zu den Taten sagt sie nichts. Ihre politische Überzeugung untermalt sie mit eigenen Zeichnungen – zum Beispiel zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Den Bundesinnenminister kann sie nicht leiden – dem Hubschrauberflug von Zwickau aus nach Karlsruhe konnte sie allerdings (trotz Fesselung) schöne Seiten abgewinnen. Sie wünscht sich „Miracoli“ oder Bratwurst, würde dafür Kunstücke vollführen und schaut regelmäßig Tagesschau. All das schreibt sie wirklich.
Handschriftlich auf kariertem Papier teilt Beate Zschäpe ihre Gedanken mit. Empfänger sollte ein Gefangener in der JVA Bielefeld sein. Robin S. wird der rechten Szene zugeordnet. Er sitzt eine sieben Jahre lange Haftstrafe wegen eines bewaffneten Raubüberfalls ab und soll der verbotenen „Hilfsorganisation Nationaler Gefangener“ (HNG) angehört haben. Bei ihm in der Zelle sind die Briefe aufgefallen. Das LKA NRW und der Verfassungsschutz des Landes informierten den Generalbundesanwalt. Dort war man zunächst vorsichtig. Oberstaatsanwältin beim BGH Anette Greger – Fachfrau des GBA für Zschäpe – liess sich erst detailliert informieren, auf welcher rechtlichen Grundlage die Briefe erhoben wurden. Erst danach wollte sie sie lesen. Sie dürfte neue Einblicke in die Welt der Angeklagten bekommen haben.
Die großen Themen des fast 30 Seiten langen Briefes sind Essen, das Zeitverbringen im Vollzug und die Frage, wie der Empfänger des Briefes zu ihr steht. Zu letzterem Thema wird sie sehr persönlich und intim, scheint sich in eine Phantasiewelt hineinzuschreiben.
Nur am Rande beschäftigt sie sich mit ihrer Rolle als Angeklagte. Sie beschreibt, wie sie mit dem Hubschrauber von Zwickau nach Karlsruhe zum Ermittlungsrichter geflogen wurde und beklagte, dabei an Händen und Füssen gefesselt gewesen zu sein. Doch der Ausblick sei grandios gewesen, sie habe die weihnachtliche Simmung genossen. Später im Brief wandern ihre Gedanken scheinbar zufällig zum Thema Strafe. Sie beschreibt ein Erlebnis in ihrer Kindheit, bei dem sie mehrere Schnitzel für sich reklamierte. Die Strafe sei ein Tisch für sie alleine gewesen. Und so sei es weitergegangen, zieht Zschäpe die Parallele zu ihrer Situation jetzt: Schon früher sei sie grundlos bestraft worden, dies habe sich fortgesetzt. Auch die Alleinunterbringung sei weitergegangen – sie meint die Haftbedingungen jetzt.
Trotzdem gebe es viele Kontaktversuche. Journalisten wollen Gespräche mit ihr führen – doch sie zweifelt daran, dass eine positive Darstellung von ihr überhaupt möglich sei. Zudem würden ihr Verrückte und Ehewillige schreiben, erzählt sie pikiert.
Trivial sind ihre Klagen über die Verpflegung im Gefängnis. Sie vermisst Thüringer Heimatkost, beklagt die Qualität der Verpflegung und setzt sich insgesamt mit dem Thema Ernährung auseinander: Nach Tagesschau-Berichten habe sie Zweifel, was man überhaupt noch essen könne. Sie selbst habe im Kindergarten gelernt, was begonnen wurde, müsse aufgegessen werden – sie zweifelt aber daran, ob das pädagogisch sinnvoll ist. Für eine Bratwurst aus Thüringen und eine gegrillte Haxe wäre sie bereit, sich zu überschlagen und im Hof der JVA unbekleidet auf Händen zu gehen. So schreibt sie es sinngemäß.
Alle paar Seiten hat sie das Karopapier mit Zeichnungen verziert: Schaffe, ein Hund, eine Ente. Es sind kindliche, comicartige Zeichnungen. Eine Stelle hebt sich deutlich ab: Zschäpe zeichnet Bundeswehr-LKWs (stilecht mit eiserenem Kreuz auf der Tür und Tarnflecken), die wohl aus Afghanistan herausfahren (so sinngemäß die Überschrift). Flugzeuge fliegen in die Gegenrichtung. Was will sie sagen? Ich frage es mich insgesamt.
Aber reden, so mein Fazit nach Lektüre des Briefes, wird sie vorerst nicht. Doch dem Senat dürfte der Brief helfen, sich ein Bild zu machen. Die Verteidgung von Beate Zschäpe wollte sich auf Nachfrage nicht zu dem Brief äußern.
schreibt am 12. Juni 2013 14:56 :
schreibt am 12. Juni 2013 16:33 :
schreibt am 12. Juni 2013 17:30 :
schreibt am 12. Juni 2013 18:48 :
schreibt am 12. Juni 2013 20:43 :
schreibt am 12. Juni 2013 20:59 :
schreibt am 12. Juni 2013 22:03 :
schreibt am 12. Juni 2013 23:45 :
schreibt am 13. Juni 2013 08:32 :
schreibt am 13. Juni 2013 09:46 :
schreibt am 13. Juni 2013 09:47 :
schreibt am 13. Juni 2013 19:23 :
schreibt am 14. Juni 2013 11:06 :
schreibt am 14. Juni 2013 19:23 :
schreibt am 16. Juni 2013 11:24 :
schreibt am 18. Juni 2013 00:58 :
schreibt am 26. Juni 2013 13:48 :
schreibt am 26. Juni 2013 18:13 :